Schünemann und Pfeiffer stellen zweiten Teil der Gewaltstudie vor
Innenminister: Mehr Schutz für Einsatzkräfte
HANNOVER. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann und der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Professor Christian Pfeiffer, haben den zweiten Teil der Studie „Gewalt gegen Polizeibeamte“ vorgestellt. Schünemann sagte am Dienstag in Hannover, bereits aus dem ersten Teil der Studie seien zahlreiche Konsequenzen zum Schutz der Polizeibeamten gezogen worden. So sei derzeit auch auf Initiative Niedersachsens die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Änderung des Paragrafen 113 im Strafgesetzbuch im Gesetzgebungsverfahren. „Die bisherige Höchststrafe von zwei Jahren bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist Angesichts der Gewaltentwicklung nicht mehr ausreichend und muss auf drei Jahre erhöht werden“, so Schünemann. Der Minister betonte, dass auch diejenigen Beamtinnen und Beamten, die ohne Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen angegriffen werde, den Schutz des Strafrechts verdienen. Darüber hinaus sollten in Zukunft auch Einsatzkräfte von Feuerwehren und Rettungsdiensten durch das Gesetz geschützt werden, so der Minister. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, die Widerstandsstrafbarkeit auch auf diesen Personenkreis auszuweiten.“
Speziell in Niedersachsen seien weitere Verbesserungen für Polizeibeamte umgesetzt worden. So gebe es inzwischen in jeder Polizeiinspektion einen Ansprechpartner für Gewaltopfer, der verletzte Beamte berät und unterstützt. Für alle Polizeibeamten sei darüber hinaus ein Leitfaden herausgegeben worden, in dem die betroffenen Beamtinnen und Beamte Hinweise bekommen, was sie konkret tun und beachten müssen. Deren Vorgesetzte bekommen eine Checkliste an die Hand, um alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus gewährt der Dienstherr den betroffenen Beamten Rechtsschutz, um auch mögliche zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen.An der Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen hatten sich Anfang des Jahres 2010 mehr als 22.500 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen beteiligt. Der erste Teil der Studie hatte ergeben, dass Polizeibeamtinnen und -beamte gerade in ihrem alltäglichen Dienst erheblichen Risiken ausgesetzt sind. Dies gilt besonders bei Einsätzen wegen häuslicher Gewalt, wegen randalierender Betrunkener oder wegen Streitereien in der Öffentlichkeit. Dabei wurde festgestellt, dass Polizeibeamte vermehrt Opfer von Gewaltübergriffen werden. So hat die Anzahl der schweren Verletzung (mindestens sieben Tage Dienstunfähigkeit) bei Polizeibeamten in dem Zeitraum von 2005 bis 2009 um mehr als 60 Prozent zugenommen.
Schünemann begrüßte den zweiten Zwischenbericht der Studie zur „Gewalt gegen Polizeibeamte“ des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen von Professor Christian Pfeiffer. Schünemann sagte, besonders der hohe Anteil junger Täter und das häufig genannte Motiv „Feindschaft gegenüber der Polizei“ deute auf eine Werteerosion hin, die erheblichen gesellschaftspolitischen Handlungsbedarf erkennen lasse. Auch die Befunde zur häufig mangelnden Integration von Migranten hätten erhebliche Bedeutung. „Hier müssen wir noch mal genau hinschauen, welche Konsequenzen wir aus diesen neuen Erkenntnissen ziehen müssen.“
Im Einzelnen nannte Professor Pfeiffer zehn zentrale Befunde im zweiten Zwischenbericht der Gewaltstudie:
1. Die Täter von Gewalt gegen Polizeibeamte handeln meist allein, sie sind in der großen Mehrheit männlich und sie sind durchschnittlich jüngeren Alters.
2. Zwei von fünf Gewalttätern haben eine nichtdeutsche Herkunft. Insbesondere Personen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion sowie türkische Täter bzw. Täter aus anderen islamischen Ländern treten überproportional häufig in Erscheinung.
3. Das zweithäufigste Motiv für Angriffe auf Polizeibeamte ist aus Sicht der Beamten Feindschaft gegenüber der Polizei bzw. dem Staat. Bei nichtdeutschen Tätern findet sich dieses Motiv häufiger als bei deutschen Tätern. Zudem hat sich gerade der Anteil der auf dieses Motiv zurückgehender Angriffe über die Jahre hinweg erhöht.
4. Sowohl in der PKS als auch in der Befragung der Polizeibeamten zeigt sich, dass der Anteil unter Alkoholeinfluss verübter Angriffe seit 2005 gestiegen ist.
5. Zwei Drittel der Angriffe werden von Personen begangen, die bereits polizeibekannt sind.
6. Die Dauer der Dienstunfähigkeit nach einem Übergriff sowie das Vorliegen einer Verdachtsdiagnose auf eine Posttraumatische Belastungsstörung sind in Teilen abhängig von Merkmalen der Täter.
7. Trotz erfolgten Übergriffs gelingt es in der deutlichen Mehrheit der Fälle, die polizeiliche Maßnahme durchzuführen und den Täter unmittelbar festzunehmen.
8. In fast neun von zehn Fällen wird gegen die Täter ein Strafverfahren durchgeführt. Dabei existieren keine Unterschiede zwischen verschiedenen Tätergruppen.
9. Fast jedes dritte Strafverfahren gegen die Täter wird eingestellt. Die Beamten äußern sich darüber mehrheitlich unzufrieden. Auch wenn es zu einer Bestrafung des Täters gekommen ist, erklären sich die Beamten mit der Höhe der Strafe mehrheitlich nicht einverstanden.
10. Personen, die im Rahmen von Demonstrationen Übergriffe ausführen, stellen eine besondere Tätergruppe dar.
Professor Pfeiffer kündigte das Endergebnis der Studie für April kommenden Jahres an.