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Kommunale Wirtschaft und Finanzen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2010; Fragestunde Nr. 45


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hans-Jürgen Klein (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Die Kommunen hätten ihr wirtschaftliches Engagement in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet, beklagte der Niedersächsische Industrie- und Handelkammertag (NIHK) in einer Presseerklärung vom 14. Oktober 2010. Insgesamt seien die Umsätze kommunaler Unternehmen in Niedersachsen zwischen den Jahren 2000 und 2007 um 62 % gestiegen. Die Kommunen sollten sich lieber auf ihr Kerngeschäft zurückziehen, statt immer neue Aufgaben an sich zu ziehen, kritisierte der NIHK. Mit diesen Aussagen will der NIHK die Absicht der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen stützen, das Gemeindewirtschaftsrecht zulasten der kommunalen Daseinsvorsorge zu verschärfen.

Ein Blick in die vom NIHK als Quelle benannte Studie „Kommunale Unternehmen auf Expansionskurs“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft (3/2010) ergibt jedoch ein anderes Bild. Demnach ist die positive Umsatzentwicklung der kommunalen Unternehmen weit überwiegend auf den Energiebereich zurückzuführen. In anderen Bereichen wie Abfallwirtschaft, Wohnungs- und Verkehrswesen sind die Umsätze zwischen den Jahren 2000 und 2007 nur geringfügig gestiegen; preisbereinigt zum Teil sogar gesunken. Im Gesundheitsbereich - nach dem Energiesektor das zweitwichtigste Betätigungsfeld kommunaler Unternehmen - sind die Umsätze sogar auch nominal zurückgegangen. Auch die positive Umsatzentwicklung im Energiesektor ist weniger auf eine tatsächliche Ausweitung wirtschaftlicher Aktivitäten als vielmehr auf drastische Preissteigerungen bei Strom und Erdgas im genannten Zeitraum zurückzuführen. Immerhin sind die Verbraucherpreise für Strom um 48 % und für Erdgas um 72 % gestiegen (Datenbasis: Statistisches Bundesamt).

Auch für die vonseiten der Wirtschaft vor allem aufgrund steuerlicher Besserstellungen beklagte Ausweitung der Quersubventionierung defizitärer städtischer Einrichtungen wie Kultureinrichtun-gen, Sportstätten, Verkehrsbetriebe, Schwimmbäder etc. liefert die genannte Studie keinen Beleg. Im Gegenteil: Preisbereinigt sind diese - mit deutlichen Schwankungen - in den Flächenländern rückläufig.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Neugründungen kommunaler Unternehmen hat es seit dem Jahr 2000 tatsächlich in Niedersachsen gegeben, die nicht auf bloße Auslagerung zuvor von der Kommune selbst wahrgenommener Aufgaben zurückzuführen sind?

2. Wie haben sich die Erträge und die Gewinnabführungen der niedersächsischen kommunalen Unternehmen an ihre Eigentümer in den Jahren 2000 bis 2007 im Vergleich zu den kommunalen Steuern im selben Zeitraum entwickelt?

3. Aus welchen sachlichen Gründen plant die Landesregierung das Gemeindewirtschaftsrecht zulasten der kommunalen Daseinsvorsorge zu verschärfen und der privaten Wirtschaft sogar Klagemöglichkeiten gegen kommunale Unternehmen bzw. ihre Eigentümer zu eröffnen?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zum 01.01.2006 sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die unternehmerische Betätigung von Gemeinden und Landkreisen letztmals geändert worden (Gesetz zur Neuordnung des Gemeindehaushaltsrechts und zur Änderung gemeindewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 15.11.2005, Nds.GVBl. S. 342). Seither ist die wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden und Landkreisen nur unter der Voraussetzung zulässig, dass

a) der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,

b) die Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Lei­stungsfähigkeit der Gemeinden und zum voraussichtlichen Bedarf stehen und

c) der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Die damit geschaffene strikte Subsidiarität lässt kein Tätigwerden einer niedersächsischen Kommune in Konkurrenz zu privaten Unternehmen zu, wenn diese die Angelegenheiten ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen können (Leistungsparität). Zu beachten ist, dass diese Bestimmungen sich nicht auf diejenigen Einrichtungen in den Kommunen erstrecken, die zum wesentlichen Kern der kommunalen Daseinsvorsorge gehören. Dazu zählen all jene Einrichtungen, zu denen die Gemeinden gesetzlich verpflichtet sind und dazu noch die Einrichtungen im Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesen, des Sports und der Erholung, für den Umweltschutz sowie im Gesundheits- und Sozialwesen.

Ob die genannten Voraussetzungen erfüllt werden, überprüfen die Landkreise und das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport im Rahmen der jeweiligen Kommunalaufsicht in dem dazu bestimmten Anzeigeverfahren. Diese finden bei Neugründungen und Betriebsübernahmen statt. Außerdem müssen Erweiterungsvorhaben der Kommunalaufsicht zur Kenntnis gebracht werden, wenn diese den Unternehmenszweck wesentlichen verändern.

Eine starke Ausweitung des wirtschaftlichen Engagements der Kommunen, wie sie in der Presseinformation des NIHK dargestellt wird, kann aus eigenen Erkenntnissen der Landesregierung nicht bestätigt werden. Den Kommunalaufsichtsbehörden liegen keine Informationen über die Veränderungen in der Geschäftsintensität von Unternehmen in kommunaler Hand oder mit kommunaler Beteiligung vor. Jedoch ist seit kurzem vermehrt feststellbar, dass es zu Neugründungen gemeinsamer kommunaler Unternehmen kommt, vornehmlich in der Rechtsform von gemeinsamen kommunalen Anstalten. Dies ist Ausdruck einer zunehmenden interkommunalen Zusammenarbeit. Dies geschieht vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und flankiert die damit in Zusammenhang stehenden und auch aus anderen Gründen zwingend vorzunehmenden Konsolidierungs-schritte in den kommunalen Haushalten.

Eine Ausweitung unternehmerischer Tätigkeiten ist darin jedoch nicht zu sehen. Es handelt sich lediglich um die Wahrnehmung der gleichen, bislang schon wahrgenommenen Aufgaben der beteiligten Kommunen, für die nunmehr wegen des beabsichtigten gemeinsamen Zusammenwirkens eine veränderte Organisationsform gewählt werden muss.

Die genannte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport nicht vor. Ob und inwieweit eine Relevanz zu den Verhältnissen in Niedersachsen besteht, kann nicht beurteilt werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1. und 2.:

Der Landesregierung liegen keine umfassenden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen vor.

Zu 3.:

Die Landesregierung plant keine Verschärfung des Gemeindewirtschaftsrechts. Demgegenüber haben die Koalitionsfraktionen im Zuge der Beratungen zur Novelle des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts im September 2010 unter anderem auch Modifizierungen im Bereich des Gemeindewirtschaftsrechts eingebracht (Vorlage 16 zu Drs. 16/2510). Dies betrifft die Einführung einer Sektorenfreigabe für die Bereiche Energieversorgung, Wasserversorgung, öffentlicher Personennahverkehr und Telekommunikation sowie eines Drittschutzes für private Wettbewerber.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
12.11.2010

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