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Dienst- und Personalversammlung der Stadt- und Regionsverwaltung Hannover

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2010; Fragestunde Nr. 5


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heinz Rolfes und Dirk Toepffer (CDU); es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Zum 28. Oktober 2010 hatten der hannoversche Oberbürgermeister Stephan Weil und der Präsident der Region Hannover, Hauke Jagau, als oberste Dienstherren gemeinsam mit den entsprechenden Gesamtpersonalratsvorsitzenden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt- und Regionsverwaltung zu einer Dienst- und Personalversammlung zum Thema „Sicherung der Kommunalfinanzen. Erhalt der Gewerbesteuer“ eingeladen. Nach Presseberichten haben an dieser Veranstaltung rd. 5 000 Bedienstete von Stadt und Region Hannover teilgenommen.

So zeigen der Einladungstext, die Auswahl der Referenten und die Themen eindeutig, dass die Veranstaltung einen politischen Charakter hat. Es sprachen beispielsweise der ver.di-Vorsitzende, Frank Bsirske, und der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Hannover, Reinhard Schwitzer.

Am 16. Juni 2010 hatte Stephan Weil in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik eine gemeinsame Erklärung mit dem ver.di-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske zur finanziellen Situation der Kommunen veröffentlicht, deren Forderungen sich mit dem Inhalt der „Personalversammlung“ decken.

In einer begleitenden Pressemittelung der SGK vom 16. Juni 2010 heißt es erläuternd:

„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) setzen sich für eine sofortige, sozial gerechte und nachhaltige Verbesserung der Einnahmen der Kommunen sowie der staatlichen Gebietskörperschaften insgesamt ein. In einer gemeinsamen Erklärung fordern der ver.di-Vorsitzende, Frank Bsirske, und der amtierende Vorsitzende der Bundes-SGK, Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil, einen Rettungsschirm für die Kommunen, durch den Einnahmeausfälle in Folge des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes und des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorschriften - zusammen pro Jahr rund 2,3 Milliarden Euro - kompensiert werden. Das Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung, die Gewerbesteuer abzuschaffen, lehnen die Spitzenvertreter von ver.di und Bundes-SGK als vollkommen ungeeignet ab.“

Für die Versammlung von Stadt und Region wird auch auf der Homepage des ver.di-Bundesverbandes unter der Rubrik „Gerechtigkeit geht anders“/Aktionswochen geworben. Auf der ver.di-Homepage heißt es über die Kampagne „Gerechtigkeit geht anders“ ergänzend: „Mit Kreativität Druck gegen die Klientelpolitik der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung in Betrieben, Verwaltungen und auch in der Öffentlichkeit machen. Bilder schaffen und für Aufsehen sorgen. Ganz einfach: Schilder schnappen und raus auf die Plätze und in die Betriebe.“

Es besteht der begründete Verdacht, dass diese Versammlung gegen geltendes Recht verstoßen hat.

In der Stadt Hannover wurde in der Vergangenheit bereits bei Personalversammlungen gegen geltendes Recht verstoßen. So hatte die Kommunalaufsicht beim Ministerium für Inneres und Sport die öffentlichen Proteste von Bediensteten der Stadt Hannover und des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) am 6. März 2007 gegen die „Rente mit 67“ als nicht gesetzeskonform gerügt. Sie waren nicht durch das Personalvertretungsgesetz gedeckt und durften deshalb nicht während der Arbeitszeit stattfinden. Das Thema „Rente mit 67“ habe allen-falls im Rahmen einer internen Personalversammlung behandelt werden dürfen.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Stellt die gemeinsame Dienst- und Personalversammlung nach Auffassung der Landesregie-rung einen Verstoß gegen das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz oder anderes Recht dar?
  2. Kann die Landesregierung den Geldwert der Arbeitszeit beziffern, den die Veranstaltung am 28. Oktober den Steuerzahler vermutlich kosten wird?
  3. Ist der Landesregierung bekannt, dass zur Teilnahme an der Dienst- und Personalversamm-lung auch bei Unternehmen geworben wurde, an denen die Stadt Hannover lediglich beteiligt ist?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Presseberichten vom 15.10.2010 war zu entnehmen, dass die Landeshauptstadt Hannover und die Region Hannover eine gemeinsame Dienst- und Personalversammlung zum Thema „Sicherung der Kommunalfinanzen! Erhalt der Gewerbesteuer!“ am 28.10.2010 in der AWD-Hall planen. Darauf hin wurden beide Körperschaften um Bericht gebeten. Die Landeshauptstadt und die Region haben in ihren Stellungnahmen vom 20.10.2010 bzw. 18.10.2010 erklärt, dass es sich bei der Veranstaltung um keine Personalversammlung i. S. d. Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes (NPersVG) handeln würde, sondern um eine „Dienst- und Personalversammlung“, die gemeinsam von den Personalvertretungen und den Dienststellenleitungen durchgeführt werde. Das Thema „Gewerbesteuer“ würde auch die Beschäftigten berühren, da die Gewerbesteuer eine der wesentlichen Einnahmequellen der Kommunen darstellen würde.

Die rechtliche Prüfung durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ergab, dass die Einladung zu der geplanten Versammlung aufgrund der gewählten Bezeichnung „Dienst- und Personalversammlung“ gegen geltendes Recht verstieß, da nur eine Veranstaltung nach §§ 42 ff NPersVG als Personalversammlung bezeichnet werden darf, deren Voraussetzungen aber nicht erfüllt waren. Außerhalb von Personalversammlungen liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Dienststellen, ob und wie sie allgemeine Dienstversammlungen in Angelegenheiten, die die Dienststelle oder die Beschäftigten betreffen, durchführen. Befinden sich diese Angelegenheiten in der aktuellen politischen Diskussion, sind dabei allerdings in ganz besonderer Weise das Neutralitätsgebot und das Gebot umfassender sachlicher Information zu wahren. Die Landeshauptstadt Hannover und die Region Hannover sind am 26.10.2010 durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport auf die Rechtslage hingewiesen und nachdrücklich aufgefordert worden, diese bei der Durchführung der Veranstaltung zu beachten.

Die Veranstaltung fand am 28.10.2010 wie geplant statt. Der nachfolgenden Presseberichterstattung war zu entnehmen, dass sie mit einem „Fußmarsch“ sowie einem „Fahrzeugkonvoi“ der Beschäftigten der Landeshauptstadt begonnen habe, wobei mit Transparenten und Fahnen gegen die Streichung der Gewerbesteuer durch die Bundesregierung protestiert worden sei. Im Anschluss an die Versammlung sei eine sogenannte Hannoversche Erklärung mit der Kernforderung nach einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen unterzeichnet worden. Die Landeshauptstadt Hannover hat hierzu auf Anforderung ergänzend mitgeteilt, dass der Personalrat des Fachbereichs Jugend und Familie der Landeshauptstadt im Vorfeld der Veranstaltung in der AWD-Hall zu einer Personalversammlung im Raschplatz-Pavillion eingeladen habe. Im An-schluss an diese Personalversammlung seien die Teilnehmer gemeinsam zu Fuß zur AWD-Hall gegangen, um an der dortigen Veranstaltung teilzunehmen. Da der Personalrat mit ca. 500 Teilnehmern gerechnet habe, sei der gemeinsame Fußmarsch vorsorglich, zur Vermeidung von Störungen, durch den Gesamtpersonalrat als Aufzug nach dem Versammlungsgesetz angemeldet worden. Die Beschäftigten des Fachbereichs Umwelt und Stadtgrün seien aus dem Dienst heraus mit ihren Fahrzeugen gemeinsam zur Versammlung in der AWD-Hall gefahren, um anschließend direkt wieder ihren Dienst aufzunehmen. Daher handele es sich nicht um Aktionen im Rahmen der Dienst- und Personalversammlung. Die Veranstaltung selbst habe durchgängig einen rein informatorischen Charakter gehabt. Dies wurde von der Region im Wesentlichen bestätigt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Die rechtliche Bewertung des „Fußmarsches“ und des „Fahrzeugkonvois“ sowie der „Hannover-schen Erklärung“ ist noch nicht abgeschlossen.

Zu 2.:

Auch auf wiederholte Nachfragen haben sich die Landeshauptstadt Hannover und die Region Hannover nicht in der Lage gesehen, den Geldwert der ausgefallenen Arbeitszeit zu beziffern.

Geht man von 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus und legt man eine Veranstaltungsdauer von insgesamt 3 Stunden (inkl. Wegezeit für die An- und Abreise) zugrunde, sind für die Veranstaltung 15.000 Stunden aufgewendet worden. Der Geldwert dieser Arbeitszeit beträgt – ausgehend von einem Stundensatz von 38 Euro für die Personalkosten für Angehörige der Laufbahngruppe 1, 2. Einstiegsamt lt. RdErl. d. MF über die Pauschsätze für den Verwaltungsaufwand bei der Gebührenbemessung im staatlichen Bereich vom 19.05.2010 – 570.000 Euro.

Zu 3.:

Auf Nachfrage hat die Landeshauptstadt Hannover mitgeteilt, dass sie „es den Vorständen und Geschäftsführern einiger Unternehmen anheim gestellt hat, den Beschäftigten die Teilnahme an der Veranstaltung zu ermöglichen“. Aufgrund der rechtlichen Hinweise der Landesregierung vom 26.10.2010 sind vor Beginn der Versammlung alle Besucher, die nicht Beschäftigte der Landeshauptstadt Hannover oder der Region Hannover sind, gebeten worden, den Raum zu verlassen.

Presseinformation

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erstellt am:
12.11.2010

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