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Regierungserklärung von Innenminister Uwe Schünemann

Castor-Transport 2010 „Demonstrationsfreiheit achten, Missbrauch ächten!“


1. Dank an Polizei

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

die Castor-Transporte stehen im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Gerade in Niedersachsen, zumal im Wendland, erregen sie die Gemüter. Viele Atomkraftgegner haben friedlich demonstriert. Mein Dank gilt all denjenigen, die dazu beigetragen haben.

Aber es kam auch zu gewaltsamen Ausschreitungen, insbesondere zu Angriffen auf Polizeibeamte. Diese Gewaltakte sind durch nichts zu rechtfertigen! Wir müssen sie gemeinsam auf das Schärfste verurteilen!

Ohne Frage:

Es war ein äußerst schwieriger, ein langer und ein kräftezehrender Einsatz. Aber am Ende war es ein erfolgreicher Einsatz. Die Einsatzleitung hat lageangemessen gehandelt. Das Demonstrationsrecht wurde gewahrt.

Gegen Gewalttäter wurde konsequent eingeschritten.

Ich bin stolz auf die Polizeikräfte der Länder und des Bundes, insbesondere auf die niedersächsische Polizei. Sie sind bis an die Grenzen der Belastbarkeit gegangen. Sie haben einen ausgezeichneten Job gemacht. Herzlichen Dank für diesen Einsatz!

2. Völkerrechtliche Verpflichtung und politische Verantwortung

Viele Menschen in Niedersachsen haben sich in diesen Tagen die Frage gestellt:

- Warum machen wir diese Transporte überhaupt?

- Warum kann der atomare Abfall nicht in Frankreich bleiben?

Sehr eindrücklich fand ich ein Protest-Transparent mit dem Slogan “return to sender“. Nur passiert durch die Castor-Transporte genau das, wozu dieses Transparent aufruft: Die radioaktiven Abfälle, die bei der Nutzung der Kernenergie in Deutschland angefallen sind, kehren nach Deutschland zurück. Sie sind bei uns zu entsorgen.

Wir können die Lasten der Vergangenheit nicht anderen aufbürden. Für die sichere Lagerung des Atommülls sind wir verantwortlich. Und ungeachtet der moralischen Verantwortung gibt es die klare rechtliche Verpflichtung, die in Frankreich verglasten radioaktiven Abfälle zurückzuführen.

Sie ist u. a. in den völkerrechtlich verbindlichen Notenwechseln zwischen der deutschen und der französischen Regierung aus den Jahren 1979, 1989 und 2008 festgelegt.

Das ist die rechtliche Ausgangslage, der sich die Verantwortlichen stellen müssen — und zwar unabhängig von den aktuellen Entscheidungen zur Zukunft unserer Energiepolitik.

Es führt in die Irre, beide Debatten miteinander zu vermengen. Unabhängig von den energiepolitischen Entscheidungen in Berlin gilt: Deutschland muss seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen!

Deswegen sind wir in Niedersachsen mit der Sicherung des Castor-Transports konfrontiert.

Dabei steht die niedersächsische Landesregierung vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits gilt es, den Transport sicher ins Zwischenlager zu bringen. Und auf der anderen Seite gilt es, das Demonstrationsrecht der Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Das ist die innenpolitische Kernaufgabe, die sich den politisch Verantwortlichen stellt, unabhängig davon, welche persönliche Auffassung man als Entscheidungsträger zur Gestaltung der Energiepolitik hat.

Dieser innenpolitischen Verantwortung stellt sich die niedersächsische Landesregierung. Und dieser Verantwortung stellt sich unsere Polizei – mit Professionalität, Augenmaß und dem klaren Auftrag, Sicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig das Recht auf Demonstrationsfreiheit zu achten.

Sie hat diese mitunter heikle Gratwanderung auch in diesem Jahr erfolgreich bewältigt; die nachfolgenden Zahlen verdeutlichen die Dimension des diesjährigen Castor-Einsatzes:

Unter Führung der Polizeidirektion Lüneburg waren in diesem Jahr 11.836 Einsatzkräfte eingesetzt, davon 5.091 aus Niedersachsen. Zum Straßentransport erhöhte sich diese Zahl um weitere 2.394 Beamte der Bundespolizei. Im Vergleich zum Transport 2008 mussten wir damit zur Lagebewältigung über 2.000 Einsatzkräfte mehr aufbieten.

Mein ausdrücklicher Dank gilt hier auch den anderen Bundesländern und dem Bund. Sie haben mit ihren Einsatzkräften eine hohe Solidarität bewiesen. So haben am Sonntag kurzfristig acht Länder insgesamt noch 13 Einsatzhundertschaften zur Verfügung gestellt.

Der Schienentransport ist am 5. November planmäßig in Frankreich gestartet. Aufgrund von Ankettaktionen sowie Blockaden und Abseilaktionen erreichte der Zug den Bahnhof Lüneburg am 7. November, gegen 15.45 Uhr, rund 12 Stunden später als vorgesehen.

Durch massive Angriffe auf Polizeikräfte, die Gleisanlagen zwischen Lüneburg und Dannenberg sowie auf die für den Polizeieinsatz erforderliche Logistik und Infrastruktur verzögerte sich der Transport weiter. Er erreichte Dannenberg erst rund 25 Stunden später als erwartet, am 8. November gegen 09.30 Uhr.

Auch der am nächsten Tag durchgeführte Straßentransport wurde durch zahlreiche Blockaden behindert.

Der Castortransport endete schließlich am Dienstag, 9. November gegen 09.50 Uhr, mit der Einfahrt aller Behälter in das Zwischenlager Gorleben.

Im Zuge der polizeilichen Einsatzmaßnahmen wurden nach derzeitigem Stand insgesamt 131 Einsatzkräfte des Bundes und der Länder verletzt, davon 78 durch Einwirkung anderer Personen.

Allen verletzten Beamtinnen und Beamten wünsche ich, dass sie rasch genesen und keine bleibenden Schäden an Leib und Seele davon tragen! Die Beamten sind bei dem Einsatz bis an ihre Leistungsgrenzen gegangen. Die körperlichen Anstrengungen, aber auch die psychische Belastung waren enorm.

Es ist wahr:

In der Spitze kam es bis zu 30 Stunden Dauereinsatz. Der Grund hierfür liegt aber vor allem in logistischen Problemen – als Folge der Blockaden von Zufahrtstraßen durch Störer.

Die Landesregierung nimmt ihre Fürsorgepflicht ernst. Deshalb ist jetzt eine Ruhepause angebracht. Durch ein rollierendes System stellen wir sicher, dass ohne Einschränkung der polizeilichen Arbeitsleistung ausreichend Freizeit zur Verfügung steht.

Daneben bieten wir den Einsatzkräften aber auch eine finanzielle Ausgleichsmöglichkeit an. Wir stellen sicher, dass bis zu 45% der angefallenen Überstunden finanziert werden können. Ein Teil wird bis Dezember ausgezahlt.

Es ist ein gutes und wichtiges Signal, dass die Regierungsfraktionen zusätzlich zu den bereits eingestellten Mitteln 500.000 Euro für 2011 zur Verfügung stellen. Zu Recht fordern die Gewerkschaften ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für unsere Polizei. Ich bin der Landesregierung und den Regierungsfraktionen außerordentlich dankbar, dass im Haushalt 2011 Stellenhebungen im Umfang von 390 Beförderungen beschlossen sind. Hierfür werden rund 2 Mio. € pro Jahr bereitgestellt.

3. Differenziertes Sicherheitskonzept

Wie bei den früheren Transporten hat die Polizei ein differenziertes Sicherheitskonzept verfolgt:

Einerseits friedlichen Versammlungen so viel Raum geben wie möglich; andererseits konsequentes Einschreiten, um gewalttätige Aktionen zu unterbinden.

Die Landesregierung bekennt sich klar zur Demonstrationsfreiheit, die in Art. 8 GG verankert ist. Sie ist ein hohes und wertvolles Rechtsgut in unserer Demokratie. Sie zu achten und zu schützen ist unsere Pflicht.

Schutz der Demonstrationsfreiheit bedeutet aber auch: Diejenigen, die unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts Straf- und Gewalttaten planen und begehen, müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Denn diese Kräfte sind es, die friedliche Proteste missbrauchen und die Demonstrationsfreiheit aushöhlen.

Deswegen sage ich klar: Wer friedlich demonstriert, den schützt unser Rechtsstaat. Wer die Versammlungsfreiheit demontiert, den bekämpft unser Rechtsstaat!

Ein wesentlicher Baustein für das Gelingen des Castor-Einsatzes ist die Kooperation und Kommunikation zwischen den vor Ort Beteiligten.

Ich möchte eine Aussage herausstellen, die ich im Vorfeld des Transports von verschiedenen Protestgruppen gehört habe: „Die Polizei ist nicht unser Feind“.

Diese Aussage kann als ein Beleg dafür gelten, dass eine Vertrauensbasis vor Ort gewachsen ist. Es besteht ein gegenseitiges Verständnis über Interessen der Bürgerinitiativen einerseits und dem Handlungsauftrag der Polizei andererseits. Sie erinnern sich: In den 90er Jahren war die Situation noch eine andere.

Das Konfliktmanagement der Polizei vermindert bei den Castoreinsätzen frühzeitig Konfliktpotenziale.

Offene Kommunikation und Diskussion, ein Aufeinanderzugehen und weitere vertrauensbildende Maßnahmen sind unerlässlich und haben sich bewährt.

Solche Maßnahmen helfen, das Verhalten gegenseitig transparent zu machen und damit Handlungsspielräume zu schaffen. Auf diese Weise konnte die Polizei auch beim aktuellen Castor-Transport mit friedlichen Demonstranten und Bürgerinitiativen durchaus erfolgreich kooperieren.

4. Unterbindung gewaltsamer Aktionen

Kein Zweifel: Der ganz überwiegende Teil der Teilnehmer des Antiatomprotests hat friedlich demonstriert. Besonders gefreut hat mich der friedliche Verlauf der Schülerdemonstration in Lüneburg am Freitag. Das war ein guter Auftakt!

Doch zur Wahrheit gehört leider auch: Es haben sich während des aktuellen Castortransports – deutlich mehr als beim vorangegangenen – massive Straf- und Gewalttaten ereignet. Bereits während des Einsatzes hat die Polizei 172 Anzeigen wegen strafrechtlich relevanter Taten gefertigt. Erfahrungsgemäß kommen im Verlauf der Einsatzauswertung noch weitere Strafan-zeigen hinzu. Insgesamt hat die Polizei in der Spitze bis zu 8000 Personen festgestellt, die den Transportverlauf stören wollten. Davon waren bis zu 300 Personen dem linksextrem-autonomen Spektrum zuzuordnen.

Welchen Anfeindungen die Polizei ausgesetzt war, will ich exemplarisch an zwei Vorgängen verdeutlichen:

Die Auftaktdemonstration am vergangenen Sonnabend in Dannenberg war ohne Frage Ausdruck eines friedlichen und oftmals fantasievollen Protestes. Umso erschreckender ist aber folgender Vorgang, der sich nahezu zeitgleich in der Nähe im Ortsteil Splietau abspielte:

Störer wandten bei dem Versuch, die Straßenstrecke zu unterhöhlen, massive Gewalt gegen Polizeibeamte an. Eine Menge von rd. 150 teilweise vermummten Personen beschädigte die Strecke (L256) zunächst im Schutz abgestellter Traktoren. Die hinzukommenden Beamten bewarfen sie mit Steinen und Feuerwerkskörpern. Sogar angespitzte Holzstangen und Lanzen wurden gegen die Polizeibeamten eingesetzt.

Mit welcher kriminellen Energie die Polizei konfrontiert war, zeigt auch das folgende Ereignis:

Ein mit Polizeibeamten besetztes Sonderfahrzeug wurde am Sonntag mit einer brennbaren Flüssigkeit begossen und in Brand gesetzt.

Anschließend wurde es mit Signalmunition und Feuerwerkskörpern beschossen. Steinwürfe der Brandstifter hinderten die Insassen daran, das Einsatzfahrzeug zu verlassen.

Es ist vor diesem Hintergrund einfach nur zynisch, wenn ein führender Protest-Aktivist (Jochen Stay) in seiner Zwischenbilanz vom Montag allen Ernstes von einer „Sternstunde des gewaltfreien Widerstands“ spricht.

5. Linksextremistische Einflüsse

Ich greife den notwendigen polizeilichen Ermittlungen nicht vor, stelle aber schon jetzt fest: Erneut haben sich in diesem Jahr Linksextremisten aus dem autonomen Spektrum mit hoher krimineller Energie an gewaltsamen Aktionen beteiligt, wie ich sie eben geschildert habe.

Es handelt sich hier nicht um harmlose Regelverstöße, sondern um gezielte Angriffe auf den Rechtsstaat.

Wer diese Dinge beim Namen nennt, der „kriminalisiert“ nicht die Anti-Atombewegung, wie manche behaupten, sondern der tut das, was von jedem anständigen Demokraten erwartet wird: Null Toleranz gegenüber Gewalt!

Und bei Krawallen hilft auch nicht Deeskalation, sondern nur ein konsequentes Eingreifen der Polizei. Wer daraus jetzt der Polizei einen Strick drehen will, sie missachte durch ihr Verhalten die Demonstrationsfreiheit, der verdreht in böswilliger Absicht Ursache und Wirkung. Nicht die Polizisten im Einsatz, sondern autonome Krawallmacher demontieren die Versammlungsfreiheit!

Schlagzeilen hat diesmal vor allem die Kampagne „Castor schottern“ gemacht. Die Unterhöhlung von Bahngleisen durch Entfernen der Steine ist kein legitimer Akt zivilen Ungehorsams, wie immer wieder zu hören ist, sondern eine Straftat. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat dazu das Notwendige in aller Klarheit gesagt.

Für die Landesregierung steht unmissverständlich fest: Wer zum „Castor schottern“ aufruft, der erleichtert gewaltbereiten Störern das Geschäft, der handelt verantwortungslos!

Und es ist ein Verfall politischen Kultur, dass auch 19 Parlamentarier aus Landtagen und dem Bundestag - fast alle sind Abgeordnete der Partei DIE LINKE – zum „Schottern“ aufgerufen haben. DIE LINKE offenbart damit einmal mehr, dass sie ein gespaltenes Verhältnis zu unserem demokratischen Rechtsstaat hat.

An den Schienenstrecken ist zwar auch bei früheren Transporten nach Gorleben Schotter entfernt worden.Neu ist in diesem Jahr aber das Ausmaß der Kampagne, mit der die Aktion „Castor schottern“ beworben wird:

- Die Kampagne wurde bundesweit in zahlreichen Informationsveranstaltungen publik gemacht.

- Spezielle sog. „Schottertrainings“ wurden – auch im Oktober hier in Hannover - angeboten und durchgeführt.

- Die Kampagne hatte – das müssen wir leider den Ereignissen vom Sonnabend entnehmen – außerordentlich großen Widerhall in Teilen der Protestbewegung.

Zahlreiche linksextreme Gruppen, auch aus Niedersachsen, initiierten unter der Bezeichnung ‚Interventionistische Linke’die Kampagne federführend mit. Nach unseren bisherigen Feststellungen verfolgten die linksextremistischen Aktivisten eine ausgefeilte Strategie, um zahlreiche Menschen zum „Schottern“ - im Klartext zu Straftaten - anzuleiten.

Aus Camps im Waldgebiet Göhrde heraus wurden die einzelnen Aktionen vom Sonnabend auf den Sonntag gezielt gesteuert. Sie verliefen detailliert geplant in Gruppentaktik. Dabei kamen neben den eigentlichen „Schotterern“ auch sogenannte „Schützer“ zum Einsatz. Diese versuchten die Polizei am Einschreiten zu hindern, um den „Schotterern“ Zeit für die Beschädigung des Gleisbettes zu verschaffen.

Dabei kam es auch zu massiven Angriffen auf einschreitende Polizeikräfte mit Steinwürfen, Reizstoffen und Pyrotechnik. Die Vorgehensweise lässt auf einen hohen Organisationsgrad schließen.

Wir werden das Geschehen in der nächsten Zeit sorgsam auswerten und dabei auch betrachten müssen, inwieweit Linksextremisten bereits erfolgreich Teile des bürgerlichen Protestspektrums beeinflussen konnten.

Wir müssen immer wieder deutlich machen: Die Akzeptanz von Gewaltlösungen ist in jeder Hinsicht ein Spiel mit dem Feuer! Und das fängt bereits bei der Gewalt gegen Sachen an.

6. Sitzblockaden

Ich möchte auch noch einem Missverständnis vorbeugen, das im Zusammenhang mit Schienen- und Straßenblockaden hervorgerufen werden könnte. Schienen- und Straßenblockaden können zwar Ausdruck friedlichen Protests sein, sofern sie nicht auf die faktische Verhinderung des Transports angelegt sind. Und beim diesjährigen Castor-Transport waren die Blockaden vielfach auch Ausdruck friedlichen Protestes.

Allerdings darf nicht der unzutreffende Eindruck entstehen, dass diese Blockaden rechtmäßig wären. Blockaden auf Gleisanlagen sind bereits Ordnungswidrigkeiten nach der Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung. Dazu kommt, dass Straßen- und Schienenblockaden entlang der Transportstrecke von Lüneburg nach Gorleben aufgrund der Allgemeinverfügung der Polizeidirektion Lüneburg verboten sind.

Eine Teilnahme an einer verbotenen Versammlung ist eine Ordnungswidrigkeit; für den Leiter und den Veranstalter ist die Durchführung einer verbotenen Versammlung sogar eine Straftat. Aktionen, die auf die Substanz der Fahrbahn oder des Gleisbettes einwirken wie beispielsweise Ankettungen oder Einbetonierungen, sind ohnehin strafbar.

Ich halte es an dieser Stelle für geboten, auf die Rechtslage hinzuweisen. Wenn namhafte Vertreter politischer Parteien zu Sitzblockaden aufrufen oder daran teilnehmen, dann sind sie mitnichten leuchtende Vorbilder des zivilen Protestes – vielmehr tragen sie zur Legitimation von Rechtsverstößen bei.

7. Faire Lastenteilung zwischen Bund und Ländern

Lassen Sie mich am Schluss noch auf die Frage der Kostenverteilung eingehen. Bei den letzten Transporten lagen die Mehrbelastungen für das Land Niedersachsen zwischen 21 und 25 Mio. Euro. In diesem Jahr dürfte der Betrag noch höher ausfallen. Bereits die Ankündigung einer beabsichtigten Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke hat die öffentliche Debatte neu entfacht und eine hohe Bereitschaft zu Protestaktionen ausgelöst.

Die Proteste gegen den Castor haben quantitativ und qualitativ ein Ausmaß erreicht, welches das der Vorjahre deutlich übersteigt. Für die Polizei hat dies zur Folge, dass massive personal- und kostenintensive Maßnahmen zum Schutz dieser Transporte ergriffen werden müssen.

Mit dem Schutz der Atomtransporte gewährleisten die Länder mit zentralen Zwischenlagern – neben Niedersachsen auch Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen – zu ihren Lasten eine sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Die Entsorgung ist aber eine Angelegenheit von nationaler Tragweite. Sie betrifft eben nicht nur einzelne Länder, sondern ist eine Sicherheitsaufgabe von gesamtstaatlicher Bedeutung. Für solche durch den Bund veranlasste Sonderbelastungen einzelner Länder sieht Art. 106 Abs. 8 GG Ausgleichsleistungen des Bundes vor.

Die Auslegung dieser Verfassungsnorm ist zwischen Niedersachsen und dem Bund allerdings seit vielen Jahren strittig. Der Bund hat anlässlich der vergangenen Transporte bislang keinen Ausgleich für die niedersächsischen Sonderbelastungen geleistet.

Bei allem Verständnis für die Haushaltszwänge des Bundes trete ich weiterhin dafür ein, dass der Bund seiner verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Verpflichtung zum Sonderlastenausgleich nachkommt.

Darüber hinaus beschert die Laufzeitverlängerung dem Bund beachtliche Mehreinnahmen. Die Landesregierung ist daher der Auffassung, diese Mittel auch dafür einzusetzen, die mit der Laufzeitverlängerung einhergehenden zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Länder aufzufangen.

Es ist völlig inakzeptabel, dass die betroffenen Länder allein die negativen Folgen der Entscheidung über die Laufzeitverlängerung tragen sollen.

8. Ausblick

Der diesjährige Castor-Transport war nicht der letzte Transport, der ins Zwischenlager nach Gorleben zu verbringen sein wird. Es stehen noch ein Transport aus La Hague und die Rückführung von radioaktivem Abfall aus der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield an.

Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung aller Demokratinnen und Demokraten in unserem Land, auch die künftigen Transporte sicher durchzuführen und gleichzeitig friedlichen Protest zu gewährleisten.

Das wird jedoch nur gelingen, wenn wir es nicht zulassen, dass militante Störer den Protest radikalisieren. Gewalttätige Aktionen schaden dem Ansehen des friedlichen Protests!

Deshalb gilt es, sich hiervon klar abzugrenzen. Und wenn nötig, muss gegen den Missbrauch der Demonstrationsfreiheit konsequent eingeschritten werden.

Die Polizeibeamtinnen und -beamten haben einen schwierigen Auftrag zu erfüllen. Sie haben das in den letzten Tagen mehrfach und eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dafür verdienen sie Dank und Anerkennung.

Unsere Polizisten schützen die Versammlungsfreiheit gegen Missbrauch. Sie handeln mit Augenmaß. Nicht sie, sondern gewalttätige Demonstranten sind es, die unsere Freiheit und den Rechtsstaat zur Disposition stellen.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.11.2010

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