Mobilfunksteuer in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.10.2010; Fragestunde Nr. 43
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Nerlich, Wittich Schobert und André Wiese (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Mehrere Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen prüfen laut Der Westen vom 18. August 2010, Sendemasten mit einer kommunalen Steuer zu belegen. Eine solche kommunale Steuer werde zurzeit in einigen Kommunen vor dem Hintergrund der dramatischen Finanzsituation als möglicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erwogen, bestätigte der Städte- und Gemeindebund NRW. Eine solche Steuer existiert bereits in Österreich. In Gesprächen mit den Anbietern einigte man sich dort auf eine pauschale Zahlung. Der Städte- und Gemeindebund äußerte sich allerdings im Hinblick auf den durchaus im Allgemeininteresse liegenden Ausbau des Mobilfunknetzes eher ablehnend zu dieser Idee. Hintergrund dieser neuen Steuer ist das Vorhaben der Anbieter, in Deutschland wegen der Einführung der UMTS-Technologie bis zu 80 000 neue Masten aufzustellen.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung die Idee einer Mobilfunksendemastensteuer, und wie bewertet sie deren rechtliche Zulässigkeit in Niedersachsen?
2. Welche Erfahrungen haben bereits Österreich oder andere Staaten mit einer solchen Steuer gemacht?
3. Welche zusätzlichen Einnahmen könnten niedersächsische Kommunen bei der Einführung einer solchen Steuer erzielen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Nach Artikel 58 der Niedersächsischen Verfassung ist das Land verpflichtet, den Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel u. a. durch Erschließung eigener Steuerquellen zur Verfügung zu stellen. Dieser Anspruch auf Erschließung eigener Steuerquellen wurde mit § 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) verwirklicht. Die Gemeinden erhalten hiermit die Befugnis, Steuern zu erheben. Damit steht ihnen das „Steuerfindungsrecht“ zu, dass ihnen die Möglichkeit eröffnet gemäß Artikel 105 Abs. 2 a GG örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern zu erheben, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Das Steuerfindungsrecht umfasst einmal die Befugnis, bekannte und anderorts eingeführte Steuern in der Gemeinde einzuführen (oder auch nicht), zum anderen bisher unbekannte Steuern zu definieren und einzuführen, wenn die sonstigen rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Somit können die niedersächsischen Gemeinden in eigener Verantwortung entscheiden, ob sie für ihr Gemeindegebiet eine örtliche Verbrauch- oder Aufwandsteuer nach Artikel 105 Abs. 2 a GG einführen wollen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Einführung einer örtlichen Verbrauch- oder Aufwandsteuer hätte nach den durch Artikel 105 Abs. 2 a GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Kriterien zu erfolgen. Da mir seitens niedersächsischer Kommunen die Frage nach der Zulässigkeit einer sogenannten Mobilfunksteuer bisher nicht vorgelegt wurde und es für die Zulässigkeit auf konkrete Steuerausgestaltungen ankommt, kann die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Steuer zurzeit nicht beurteilt werden. Gegenwärtig steht nur fest, dass eine solche „Mobilfunksteuer“ nicht als örtliche Verbrauchsteuer ausgestaltet werden kann. Verbrauchsteuern sind Warensteuern, durch die der Verbrauch vertretbarer, in der Regel zur kurzfristigen Verwendung bestimmter Güter besteuert wird. Regelmäßig sind sie als indirekte Steuern ausgestaltet. Verbrauchsteuern knüpfen an den Übergang einer Sache aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr an. Bei der „Mobilfunksteuer“ sollen die Mobilfunkmasten besteuert werden, sie verbleiben aber beim Steuerschuldner und zählen nicht zu den zur kurzfristigen Verwendung bestimmter Güter. Örtliche Aufwandsteuern sollen einen besonderen Aufwand des Steuerpflichtigen besteuern, also einen Aufwand der über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und deshalb die Verwendung von Einkommen und Vermögen erfasst. Ausschlaggebendes Merkmal für eine Aufwandsteuer ist der Konsum des Steuerpflichtigen in Form eines äußerlich erkennbaren Zustands, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: die Zweitwohnungsteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer. Eine Zweitwohnung gehört nicht zur Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs, da hierfür eine Wohnung ausreichend ist. Der Aufwand, der für die Zweitwohnung aufgewendet wird, unterliegt der Besteuerung. Die „Mobilfunksteuer“ als örtliche Aufwandsteuer muss also die Verwendung von Einkommen und Vermögen der Mobilfunkverwender besteuern, der aber über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehen muss. Ob in der heutigen Zeit die Verwendung eines Mobiltelefons über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht, zumal immer mehr Haushalte dazu übergehen, auf Festnetztelefone zu verzichten, vermag ich nicht einzuschätzen.
Selbstverständlich werden die Kommunalaufsichtsbehörden im Rahmen ihres kommunalaufsichtsrechtlichen Auftrags den Kommunen bei der Erschließung neuer Steuerquellen auch bei einer „Mobilfunksteuer“ beratend zur Seite stehen, sofern dies gewünscht wird.
Zu 2.:
Zu der Erhebung einer „Mobilfunksteuer“ durch Österreich oder andere Staaten kann sich die Landesregierung nicht äußern, da sie sich nach den rechtlichen Gegebenheiten dieser Staaten richtet, die nicht mit dem Niedersächsischen Kommunalabgabenrecht übereinstimmen müssen.
Zu 3.:
Bisher haben sich niedersächsische Kommunen zu einer Einführung einer „Mobilfunksteuer“ nicht geäußert. Ohne konkrete Hinweise auf die Ausgestaltung der Steuer können keine Schätzungen über die Höhe solcher Steuereinnahmen abgegeben werden.