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Unfallzahlen bei Radfahrern und Alkoholeinfluss

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.10.2010; Fragestunde Nr. 38


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Bei Radfahrerinnen und Radfahrern liegt die Grenze zur absoluten Fahrunfähigkeit bei 1,6 Promille. Daher ist die Teilnahme am Verkehr unter Alkoholeinfluss mit dem Fahrrad ebenso wie mit dem Auto reglementiert. In den Ländern der Europäischen Union gelten unterschiedliche Promillegrenzen: in Rumänien, der Tschechien, Malta gilt z. B. eine Grenze von 0,0 Promille. In Norwegen, Schweden, Polen und Portugal muss man ab 0,2 Promille mit einer Strafe rechnen. Diese Strafandrohungen sollen die Gefahr, die durch Alkoholkonsum im Straßenverkehr entsteht, verdeutlichen. Dennoch ist in der Bevölkerung teilweise noch der Irrglaube vorhanden, man könne durch den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad quasi die Gefährdungen vermeiden und die Strafandrohung umgehen.

Anlässlich einer Tour durch Ostniedersachsen hat der NDR in Brome (Kreis Gifhorn) die Bürgermeisterin und Landtagsabgeordnete der CDU-Fraktion, Frau Ingrid Klopp, interviewt. Schwerpunkt des Interviews, das in der Sendung „Hallo Niedersachsen“ am 22. September 2010 ausgestrahlt wurde, war die Einweihung eines Radweges zwischen der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt und Brome.

In diesem Zusammenhang hat die Abgeordnete Frau Klopp folgende Äußerungen gemacht: „Weil man ja ein bisschen Alkohol trinken will, benutzt man natürlich den Fahrradweg.“ Auf den Hinweis des Reporters, sie dürfe nicht mit Alkohol Fahrrad fahren, bekräftigt Frau Klopp ihre Aussage wie folgt: „ Ach, wir sind hier auf dem platten Land - da ist das nicht ganz so gefährlich, denke ich.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch ist die Anzahl von Unfällen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss jeweils in den vergangenen drei Jahren in Niedersachsen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt gewesen?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Einschätzung, dass Radfahren unter Alkoholeinfluss im ländlichen Raum auf öffentlichen Verkehrswegen weniger gefährlich sei, hinsichtlich der Wirkung auf die Zuschauer?

3. Welche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung unternimmt und plant die Landesregierung, um den scheinbar immer noch verbreiteten Irrglauben, „dass Radfahren unter Alkoholeinfluss harmlos sei“, in der öffentlichen Meinung zu korrigieren?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Das Führen eines Fahrzeuges im Straßenverkehr ist strafrechtlich untersagt, wenn der Führer infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Für Fahrradfahrer ist hierzu von der Rechtsprechung ein Grenzwert von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration entwickelt worden, ab dem eine absolute Nichteignung stets anzunehmen ist. Darüber hinaus kann eine strafrechtlich relevante alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bereits ab einem Wert von 0,3 Promille gegeben sein, wenn alkoholbedingte Auffälligkeiten im Erscheinungs- oder Verhaltensbild des Täters hinzutreten, die zu einer Feststellung der Fahruntüchtigkeit führen.

Alkohol im Straßenverkehr ist als eine der wesentlichen Hauptunfallursachen insbesondere für das Verkehrsunfallgeschehen mit Schwerverletzten und Getöteten relevant. Maßnahmen zur Verhinderung der alkoholbeeinflussten Teilnahme am Straßenverkehr misst die Landesregierung daher hohe Bedeutung zu.

Insgesamt konnten in den letzten Jahren deutliche Rückgänge der alkoholbeeinflussten Verkehrsunfälle verzeichnet werden. Nach den Angaben des Landesbetriebes für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) haben sich im Jahr 2009 noch 4.143 Verkehrsunfälle unter Beteiligung mindestens eines alkoholbeeinflussten Verkehrsteilnehmers ereignet. In den Jahren 2008 und 2007 hatte die Zahl dieser Unfälle noch 4.444 bzw. 4.434 betragen. Auch auf der Bundesebene sind deutliche Rückgänge festzustellen. So waren im Jahr 2009 deutschlandweit 43.821 Verkehrsunfälle unter Beteiligung mindestens eines alkoholisierten Verkehrsteilnehmers zu verzeichnen. Für die Jahre 2008 und 2007 weist die Bundesstatistik 48.226 bzw. 51.153 Alkoholunfälle aus.

In ähnlicher Weise verläuft auch die Entwicklung der Verkehrsunfälle unter Beteiligung alkoholisierter Fahrradfahrer. Während im Jahr 2007 noch 577 Radfahrer in Niedersachsen einen Verkehrsunfall verursacht hatten, ging diese Zahl bis 2009 auf 540 zurück. Das entspricht einem Rückgang von ca. 6,4 Prozent.

Die Gesamtentwicklung verdeutlicht den veränderten gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol und kann auch als Beleg für die Eignung von Präventionskampagnen gelten, persönliche Einstellungen und Verhaltensweisen in einem langfristig angelegten Prozess positiv zu verändern. Die Landesregierung wird diese Entwicklung im Rahmen einer ganzheitlichen Alkohol- und Drogenprävention unter Einbeziehung polizeilicher Überwachungsmaßnahmen weiterhin unterstützen.

Unter unfallstatistischen Gesichtspunkten können ländliche und urbane Bereichen nur anhand der Kriterien „innerhalb geschlossener Ortschaften“ und „außerhalb geschlossener Ortschaften“ differenziert werden. Eine Auswertung der niedersächsischen Unfallstatistik des Jahres 2009 zeigt dazu auf, dass von alkoholisierten Fahrradfahrern 472 Unfällen „innerhalb geschlossener Ortschaften“ und 68 Verkehrsunfälle „außerhalb geschlossener Ortschaften“ verursacht wurden.

Damit ereignet sich zwar mit ca. 87,4 Prozent der ganz überwiegende Teil dieser Unfälle „innerhalb geschlossener Ortschaften“. Der Anteil schwerer Personenschäden ist jedoch bei den Unfällen „außerhalb geschlossener Ortschaften“ deutlich höher. Getötete und schwer verletzte Unfallopfer sind hier mit ca. 4,7 Prozent bzw. ca. 32,4 Prozent deutlich häufiger zu verzeichnen als „innerhalb geschlossener Ortschaften“ mit ca. 0,2 Prozent bzw. 18 Prozent.

Von einer alkoholbeeinflussten Verkehrsteilnahme gehen unabhängig von dem genutzten Verkehrsmittel grundsätzlich immer erhebliche Verkehrsgefahren aus. Differenzierungen nach Verkehrsmitteln und Örtlichkeiten erscheinen in diesem Zusammenhang nicht zielführend.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen des Abgeordneten Enno Hagenah namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2.:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 3.:

Die niedersächsische Polizei bündelt große Teile ihrer Drogen- und Alkoholprävention in dem Verkehrssicherheitsprogramm „Don`t drug and drive“. Das Programm richtet sich an Kinder und Jugendliche ab der 8. Klasse sowie junge Erwachsene. In ihren Präventionsveranstaltungen an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen, Fahrschulen, Vereinen und weiteren Institutionen, wie der Bundeswehr oder den Feuerwehren hat die Polizei Niedersachsen in den Jahren 2005 bis 2008 mehr als 100.000 junge Menschen erreicht.

Darüber hinaus beteiligt sich die niedersächsische Polizei an der Durchführung einer Vielzahl präventiver Aktionen und Programme, in denen auch die Gefahren (und Folgen) einer alkoholbeeinflussten Verkehrsteilnahme einschließlich der besonderen Gefahrenaspekte des Fahrradverkehrs kommuniziert werden. Letzteres gilt naturgemäß insbesondere für präventive Maßnahmen und Kampagnen im Zusammenhang mit dem Fahrrad, wie z. B. Fahrradkodieraktionen.

Im Auftrag der Landesregierung führt die Landesverkehrswacht Niedersachsen e. V. mit ihren 111 Orts- und Kreisverkehrswachten seit 10 Jahren landesweit das Präventionsprogramm „FahrRad… aber sicher!“ durch. Im Rahmen dieses Programms werden umfassende Informationen über Unfallrisiken und unfallprophylaktische Verhaltensweisen beim Radfahren vermittelt, die selbstverständlich auch die Folgen des Missbrauchs von Alkohol am „Fahrradlenker“ umfassen. Weitere Präventionsmaßnahmen der Niedersächsischen Landesverkehrswacht stellen Informationsveranstaltungen, wie die „Verkehrssicherheitstage“ oder mobile „Fahrradwerkstätten“ zur Überprüfung der Verkehrstauglichkeit von Fahrrädern dar, bei denen ebenfalls gefahrenaufklärende und verhaltensbeeinflussende Informationen zum Thema „Alkohol“ gegeben werden.

Zusätzlich werden in allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen Präventionsmaßnahmen gegen Alkohol und Drogenmissbrauch durchgeführt, wie beispielsweise das Programm „Personale Kommunikation“ und in der Region Hannover „Fit im Straßenverkehr?“.

Das im Jahr 2002 an den niedersächsischen Schulen eingeführte „Curriculum Mobilität“ befasst sich in seinem Baustein „Verdammt in Rausch und Drogen“ mit Phänomenen des Suchtverhaltens in Verbindung mit Mobilität. Dazu gehört insbesondere das Thema „Fahren unter Alkoholeinfluss“. Dieser Baustein wird vom Primarbereich bis zum Sekundarbereich II einschließlich Berufsbildende Schulen jeweils alters- und verkehrsartbezogen umgesetzt.

Presseinformation

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erstellt am:
07.10.2010

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