Vorwürfe gegen die Wolfsburger Stadtwerke
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.10.2010; Dringl. Anfrage a
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; Es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
Nach Berichten niedersächsischer Medien werden Vorwürfe gegen den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und späteren Vorstandschef der Stadtwerke Wolfsburg, Markus Karp, erhoben, er habe dieses Unternehmen rechtswidrig für Wahlkampfzwecke der CDU eingesetzt. Bedienstete der Stadtwerke sollen auf sein Geheiß für Wahlkämpfe der CDU bei vollen Bezügen von den Stadtwerken freigestellt worden sein. In diesem Zusammenhang aufgelaufene Sachkosten - Diensthandys, Notebooks, Reisekosten etc. - sollen ebenfalls von den Stadtwerken übernommen worden sein. Diesem Vorwurf gehen sowohl die Bundestagsverwaltung als auch ein von den Stadtwerken Wolfsburg beauftragter Wirtschaftsprüfer nach. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall wegen des Verdachts illegaler Parteienfinanzierung gegen Herrn Karp, den inzwischen entlassenen Pressesprecher der Stadtwerke Wolfsburg Maik Nahrstedt und gegen den amtierenden Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg Rolf Schnellecke. Am 23. September 2010 beschlagnahmte das LKA im Auftrag der Staatsanwaltschaft auch Akten in der Geschäftsstelle des Landesverbandes der CDU in Niedersachsen.
Die Vorwürfe und Ermittlungen wegen illegaler Parteienfinanzierung erstrecken sich auch auf den niedersächsischen Landtagswahlkampfes 2002/2003, in dem Herr Karp als Wahlkampfmanager für den späteren Ministerpräsidenten Christian Wulf tätig war. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 15. September 2010 stellt dazu fest: „Zum engen Wahlkampfstab gehörte seinerzeit zum Schluss auch David McAllister, der heutige Ministerpräsident.“ Laut Medienberichten stand Herr Karp offenbar auch über den Landtagswahlkampf 2002/2003 hinaus mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff in engem Kontakt. „Karp jedenfalls, der Stadtwerke-Manager, saß bis zum Wechsel Wulffs nach Berlin in dessen niedersächsischer Zukunftsrunde (Future Minds), die den Ministerpräsidenten regelmäßig beriet“ (Die Welt, 28. September 2010).
Auch nach einer ersten schriftlichen Erklärung des CDU-Generalsekretärs Ulf Thiele vom 21. September 2010 sind nach wie vor zahlreiche Fragen bezüglich der Beziehungen zwischen Mitarbeitern und politisch Verantwortlichen der Landes-CDU, Herrn Karp und Mitarbeitern der Stadtwerke Wolfsburg offen bzw. Widersprüche nicht aufgeklärt.
Stellvertretend seien hier folgende Beispiele angeführt:
– Der frühere Pressesprecher der Wolfsburger Stadtwerke Maik Nahrstedt hat sich selbst bezichtigt, während seiner Arbeitszeit Wahlkämpfe der CDU mitorganisiert zu haben. Die HAZ vom 27. September 2010 stellt dazu fest: „Zum ,Team Christian Wulff’ zählten mindestens 14 Mitarbeiter, hauptamtliche und ehrenamtliche Hilfskräfte. Nahrstedt gehört zu ihnen…“. Demgegenüber behauptete der Generalsekretär der CDU, Ulf Thiele: „Die CDU in Niedersachsen (habe) zu keiner Zeit von Herrn Nahrstedt und seiner Tätigkeit bei den Stadtwerken Wolfsburg profitiert“ (Die Welt, 24. September 2010).
– „Gestützt werden die Vorwürfe Nahrstedts (…) vom früheren Personalchef der Stadtwerke Harald Behrens. Er schilderte NDR 1 Niedersachsen ein Treffen mit dem heutigen und derzeit beurlaubten Stadtwerke-Chef Markus Karp, Nahrstedt und dem damaligen Stadtwerke-Vorstand Rüdiger Thielecke im Jahr 2001: ,Herr Karp hat eindeutig geäußert, dass Herrn Nahrstedt völlig freie Hand gelassen werden sollte hinsichtlich seiner Arbeitsplatzgestaltung. Ganz konkret war mir das noch nicht so klar, dass es dabei eben um Parteiarbeit ging. Es war das erste Mal, dass ich so was in der Form erlebt habe.’“( NDR 1, 24. September 2010)
– „Der damalige Parteisprecher Olaf Glaeseker soll im März 2002 in einer E-Mail geschrieben haben: ,Hallo Herr Nahrstedt, Sie haben von mir zwei Entschließungsanträge sowie zwei dazugehörige Entwürfe von Musterpresseerklärungen gemailt bekommen. Es wäre klasse, wenn Sie die Entwürfe, die in der Fraktion entstanden sind, überarbeiten würden und mir dann anschließend mailen …’. Diese Mail war laut Kopie an Nahrstedts Stadtwerke-Adresse gegangen“ (Braunschweiger Zeitung vom 24. September 2010).
– Ministerpräsident McAllister hat verschiedentlich gegenüber Medien eine Einschätzung zu diesen Vorgängen abgegeben, wonach alle Vorwürfe unbegründet seien. Nunmehr ist es geboten, dass der Ministerpräsident zu seinen Kenntnissen und Einschätzungen auch im Niedersächsischen Landtag Stellung bezieht.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Konditionen, unter denen der Pressesprecher der Stadtwerke Wolfsburg, Maik Nahrstedt, in den Landtagswahlkampf 2002/2003 der CDU eingebunden war?
2. Wie bewertet die Landesregierung die bisher ungeklärten Widersprüche zwischen Aussagen des Herrn Nahrstedt und den von ihm vorgelegten Dokumenten und Aussagen im Bericht des CDU-Generalsekretärs Ulf Thiele?
3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Zusammenarbeit des früheren Ministerpräsidenten Christian Wulff mit Markus Karp und Maik Nahrstedt?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
Das inzwischen in den Medien verbreitete Schreiben vom 12.09.2010 des Herrn Nahrstedt sowie zweier Prokuristen der Stadtwerke Wolfsburg AG an die Mitglieder des Aufsichtsrates der Stadtwerke Wolfsburg hat dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig Ermittlungen gegen den z. Zt. freigestellten Vorstandschef der Stadtwerke Wolfsburg AG, Herrn Prof. Dr. Markus Karp, den z. Zt. beurlaubten Pressesprecher der Stadtwerke Wolfsburg AG, Herrn Maik Nahrstedt, sowie den Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg, Herrn Prof. Rolf Schnellecke, aufgenommen hat. Gegenstand dieser Untersuchungen ist der Verdacht der Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme sowie der Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat einen Anfangsverdacht wegen der genannten Straftaten bejaht. Am 23.09.2010 haben Durchsuchungsmaßnahmen stattgefunden. Sichergestellte Unterlagen müssen nunmehr ausgewertet werden. Weitere Auskünfte aus dem laufenden Ermittlungsverfahren bzw. Ergebnisse der Beweismittelauswertung können derzeit unter Hinweis auf eben diese laufenden Ermittlungen nicht erteilt werden. Am 28.09.2010 wurde ein – bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gesetzlich vorgesehenes – Disziplinarverfahren gegen Herrn Prof. Schnellecke eingeleitet und gleichzeitig bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesetzt.
Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat der Stadtwerke Wolfsburg AG eine Überprüfung der Vorwürfe durch ein unabhängiges Wirtschaftsprüfungsunternehmen beschlossen. Außerdem ist der Bundestagspräsident mit dem Vorgang befasst und prüft den Vorwurf einer verdeckten Parteienfinanzierung. Das Ergebnis dieser noch laufenden Verfahren ist abzuwarten.
Die CDU Niedersachsen hat die von Herrn Nahrstedt erhobenen Vorwürfe überprüft und zurückgewiesen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor.
Zu 2.:
Die Landesregierung vermag keine Widersprüche zu erkennen. Im Übrigen gibt die Landesregierung keine Stellungnahme zu Vorgängen ab, die Gegenstand eines laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens sind.
Zu 3.:
Hierzu wird auf den Bericht der CDU Niedersachsen verwiesen, der für jeden zugänglich auf der Homepage der CDU Niedersachsen veröffentlich ist. In diesem Bericht wird der gesamte Sachverhalt dargestellt.