Niedersachsen klar Logo

Ermittlungen im Vorfeld des nächsten Castor-transports nach Gorleben

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.09.10; Mdl Anfr Nr. 40


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Ralf Briese (GRÜNE); es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Nur wenige Tage nach Genehmigung des Castortransportes durch das Bundesamt für Strahlenschutz rechnet Innenminister Uwe Schünemann schon im Frühjahr 2010 mit „mehr gewaltbereiten Demonstranten beim diesjährigen Castortransport nach Gorleben“ (ddp-nrd, 17. Mai 2010). „Sollte sich diese Prognose erhärten, werde man ‚der Lage ange-messen’ die Zahl der Polizeibeamten entsprechend zur Verfügung stellen.“

Am 10. August 2010 hat das NMI nach einem missglückten Anwerbe-versuch einer Antiatomaktivistin in Lüchow-Dannenberg durch zwei Beamte, die sich als Polizisten ausgaben, laut Presseberichten bestätigt, dass die Polizei mit bezahlten Informanten arbeitet.

Am 18. August 2010 haben die Insassen eines Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen SAW-CM 198 das Hofgrundstück eines Greenpeace-Mitarbeiters, der Behördenakten zur Standortbenennung und -erkundung Gorlebens auswertet und veröffentlicht, mehrfach gefilmt. Offensichtlich handelt es sich hierbei um das Fahrzeug einer Exekutivbehörde.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Einsatz von V-Personen und von verdeckt arbeitenden Polizeivollzugsbeamten nur zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Krimi-nalität notwendig und zulässig ist.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Welche begründeten Hinweise auf besonders gefährliche und schwere kriminelle Handlungen aufseiten der Atomkraftgegner im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Castortransport nach Gorleben hat das Innenministerium?
  2. Welcher Behörde lässt sich das Kennzeichen SAW-CM 198 zuordnen, das bei der filmischen Überwachung des Privatgrundstückes des Greenpeace-Mitarbeiters Mitte August festgestellt wurde?
  3. Falls es sich in Frage 2 um eine niedersächsische Behörde handelt, welche Rechtsgrundlage liegt dieser Überwachungsmaßnahme zugrunde, bzw. welcher Zweck wird mit dieser Maßnahme verfolgt?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Im Rahmen der zurückliegenden sogenannten Castor-Transporte aus der Wiederauf-arbeitungsanlage im französischen La Hague in das Transportbehälterlager Gorleben kam es regelmäßig zu Protesten, die von einem friedlichen Ausdruck einer ablehnenden Haltung bis hin zu gewalttätigen Aktionen gegen Sachen und Personen reichten.

Nach derzeitigen polizeilichen Erkenntnissen und vor dem Hintergrund der aktuellen themenbezogenen Verlautbarungen der Anti-Atom- bzw. Anti-CASTOR-Bewegung, ist auch für den kommenden Transport von einem nicht unerheblichen bundesweiten Mobilisierungs-potenzial auszugehen. In diesem Zusammenhang werden auch Aktionsformen, die häufig den Straftatbestand des Gefährlichen Eingriffs in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (§ 315 StGB) erfüllen und somit eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 2 Nr. 11 des Niedersächsisches Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) darstellen, thematisiert.

Die Erfahrungen mit unfriedlich verlaufenden Demonstrationen am Erkundungsbergwerk in den zurückliegenden Jahren zeigen, dass kurz vor und während des Transportes auch gewaltbereite Demonstrationsteilnehmer an friedlichen Versammlungen teilnehmen. Es muss mit gewalttätigen Aktionen und entsprechenden Straftaten direkt am Erkundungsbergwerk Gorleben, an der Transportstrecke und am Verladebahnhof Dannenberg gerechnet werden.

Im Rahmen des bevorstehenden Transportes von Brennelementen nach Gorleben ist von einem erhöhten anlassbezogenen Straftatenaufkommen auszugehen. Diese Lageeinschätzung basiert insbesondere auf den Erfahrungen und Fallzahlen im Zusammenhang mit den Castortransporten der vergangenen Jahre. In den Jahren 2005 bis 2010 wurden insgesamt 713 Straftaten polizeilich registriert. Dabei handelte es sich in 299 Fällen um Gewaltdelikte, in diversen Fällen auch um Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 2 Nr. 11 Nds. SOG. Beispielhaft sind hier die Tatbestände des § 305 StGB (4 Fälle), des § 305a StGB (14 Fälle), des § 306 StGB (10 Fälle), des § 315 StGB (39 Fälle) und des § 316b StGB (6 Fälle) zu nennen.

Die Polizei hat zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gefahren abzuwehren sowie Straftaten zu verhüten und konsequent zu verfolgen. Hierzu werden grundsätzlich offene Maßnahmen durchgeführt. Bei besonderen Gefahrenlagen und bestimmten Erscheinungsformen der Kriminalität ist auch die Durchführung verdeckter Maßnahmen zulässig.

Zur Gefahrenabwehr dürfen unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 Nds. SOG Vertrauenspersonen eingesetzt werden. Die Inanspruch-nahme von Informanten richtet sich nach §§ 30, 31 Nds. SOG. Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern ist in § 36 a Nds. SOG geregelt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung auf Grundlage der Berichterstattung der Polizeidirektion Lüneburg wie folgt:

Zu 1.:

Siehe Vorbemerkung.

Zu 2. und 3.:

Vor dem Hintergrund eines Artikels in der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 04.06.2010, wonach sich in Clenze auf dem Weg zum Büro eines im Artikel beschriebenen Greenpeace-Aktivisten eine Betonpyramide befinden soll, wurde der Ort am 19.08.2010 (nicht wie in den Vorbemerkungen der Kleinen Anfrage angegeben am 18.08.2010) von Polizeibeamten der Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen mit einem Fahrzeug mit dem Kennzeichen SAW-CM 198 aufgesucht. Die genannte Betonpyramide wurde im öffentlichen Verkehrsraum festgestellt und in Augenschein genommen, da vergleichbare Betonpyramiden in der Vergangenheit bereits als Tatmittel zur Straftatenbegehung eingesetzt worden sind. Vor diesem Hintergrund wurden Lichtbilder (keine Filmaufnahmen) der vorgefundenen Betonpyramide gefertigt. Personenbezogene Daten wurden im Rahmen dieser Maßnahme nicht erhoben.

Pressemitteilungen

Pressemitteilungen

Artikel-Informationen

erstellt am:
09.09.2010
zuletzt aktualisiert am:
13.09.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln