tischer Abschiebungsstopp nach Guinea auch in Niedersachsen?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.09.2010; Mdl Anfr. 35
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Am 27. Juni 2010 fanden in Guinea erstmals seit der Unabhängigkeits-erklärung der ehemaligen französischen Kolonie 1958 freie demokratische Wahlen statt. Nachdem im ersten Wahlgang der friedlichen und nach Aussage internationaler Beobachter freien Wahlen zunächst kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erlangen konnte, steht nun für den 19. September 2010 eine Stichwahl zwischen dem ehemaligen Premierminister Cellou Dalein Diallo und dem langjährigen Oppositionspolitiker Alpha Condé an.
Die Gräueltaten der von Dezember 2008 bis Anfang 2010 regierenden Militärjunta kann jedoch auch der aktuelle Demokratisierungsprozess im Land nicht vergessen machen. Erst kürzlich berichtete das ARD Magazin „FAKT“ über das im September 2009 vom guineischen Militär bei einer friedlichen Demonstration verübte Massaker mit mehr als 150 Toten und ca. 1.200 Verletzten. Der im März dieses Jahres von Human Rights Watch veröffentlichte Länderreport zu Guinea spricht darüber hinaus von unzähligen weiteren schweren Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte. Vor diesem Hintergrund wird es trotz demokratischer Wahlen noch einige Zeit dauern, bis die politische und menschenrecht-liche Lage in Guinea als restlos stabil bezeichnet werden kann. Davon zeugt auch die Verbalnote der guineischen Botschaft in Berlin an die deutschen Ausländerbehörden vom 15. Dezember 2009, man würde aufgrund der schwierigen Situation im Land alle Rückführungen nach Conakry, dem einzigen Einreiseflughafen des Landes, unterbinden.Ich frage die Landesregierung:
- Wie viele ausreisepflichtige Personen guineischer Staatsbürgerschaft leben in Niedersachsen?
- Angesichts der Einreisebeschränkungen durch die Republik Guinea gehen verschiedene Bundesländer von einer Unmöglichkeit der Rückführung aus tatsächlichen Gründen aus. Wird dieser faktische Abschiebungsstopp auch durch die Niedersächsische Landesregierung anerkannt?
- In welcher Form hat die Landesregierung auf die Verbalnote der guineischen Botschaft reagiert, und wie sieht dazu die Praxis niedersächsischer Ausländerbehörden aus?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die Botschaft der Republik Guinea hatte mit Verbalnote vom 15. Dezember 2009 über das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit bestand, den Einreiseflughafen Conakry anzufliegen. Gleichzeitig wird aber auch klargestellt, dass die konsularischen Aufgaben wie Anhörungen und Vorführungen zum Zweck der Identifizierung guineischer Bürger sowie Unterstützung der Personen, die freiwillig ausreisen möchten, weiterhin angeboten werden. Im März 2010 hatte sich die Lage in Guinea wieder verbessert, so dass auch wieder begleitete Rückführungen von vollziehbar ausreisepflichtigen guineischen Staatsangehörigen nach Guinea durchgeführt werden konnten. Die Botschaft der Republik Guinea stellte zu diesem Zweck auch die erforderlichen Dokumente aus.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Zum Stichtag 30.06.2010 hielten sich in Niedersachsen 14 ausreisepflichtige Personen mit guineischer Staatsangehörigkeit auf, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt war (Status „geduldet“).
Zu 2.:
Aufgrund der Verbalnote der Botschaft der Republik Guinea vom 15. Dezember 2009 waren zum damaligen Zeitpunkt Abschiebungen tatsächlich unmöglich. Diese Einschränkung war vorübergehender Natur und lag ausschließlich darin begründet, dass der Flughafen in Conakry nicht angeflogen werden konnte. Eine Einreise auf anderem Weg wäre möglich gewesen.
Für die Anordnung eines Abschiebungsstopps gab es somit keine Veranlassung. Der Bundesgesetzgeber hat die Ermächtigung zur Anordnung eines Abschiebungsstopps in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen, um den obersten Landesbehörden die Möglichkeit zu geben, die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen vorübergehend - für längstens sechs Monate - auszusetzen, um damit auf aktuelle Krisen- und Konfliktsituationen in Herkunftsländern von ausreisepflichtigen Ausländern umgehend generell reagieren zu können. Damit soll die Abschiebung ausreise-pflichtiger Personen kurzzeitig ausgesetzt werden, bis darüber Klarheit besteht, ob und welche Gefahren im Herkunftsland bestehen können, so dass dann gegebenenfalls eine individuelle Prüfung möglicher Abschiebungshindernisse durch die zuständige Behörde erfolgen kann. Zuständige Behörde wäre für Personen, die zuvor ein erfolgloses Asylverfahren betrieben haben, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Es war lediglich die Durchführung von Abschiebungen nach Guinea vorübergehend nicht möglich, wobei es sich um logistische Probleme gehandelt haben dürfte. Für die Zeit, in der Abschiebungen tatsächlich gar nicht möglich sind, bedarf es keines „faktischen Abschiebungsstopps“.
Zu 3.:
Die Abwicklung der Ausreisemodalitäten bei Abschiebungen obliegt in Niedersachsen dem Landeskriminalamt. Von dort werden die Ausländerbehörden unmittelbar darüber informiert, wenn eine dort eingeleitete Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Generelle Hinweise zur Durchführung von Abschiebungen für bestimmte Staaten erhalten die Ausländerbehörden durch Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport. Da sich nur sehr wenige ausreisepflichtige Personen aus Guinea in Niedersachsen aufhalten und sich der Hinweis in der Verbalnote der guineischen Botschaft im Dezember 2009 auf eine vorüber-gehende Situation bezog, bestand für eine generelle Verfahrensregelung durch Erlass keine Veranlassung.
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Artikel-Informationen
erstellt am:
09.09.2010
zuletzt aktualisiert am:
13.09.2010