Kameraüberwachung von Bus- und Taxifahrern
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.09.2010; Mündl Anfr Nr. 12
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sigrid Leuschner (SPD); es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Am 28. Juli 2010 berichtete die Neustädter Zeitung erstmals über Webcams, die den Bereich des Bahnhofvorplatzes überwachten. Deutlich erkennbar sind auf den aufgezeichneten Bildern der Zeitung zufolge sowohl Taxi- und Busfahrer als auch Fahrgäste. Die Stadt hat nach ihren eigenen Angaben für die Aufstellung der Kameras keine Genehmigung erteilt.
In einem weiteren Zeitungsbericht (Neustädter Blatt vom 8. August 2010) hieß es sodann, das niedersächsische Innenministerium habe auf Anfrage des Unternehmers, welchem diese und andere Kameras gehören, bereits im Jahr 2006 die Einrichtung gestattet, und die Stadt habe einen sogenannten Link auf ihrer Internetpräsenz eingerichtet.
Ich frage die Landesregierung:
- Gab es seitens des die Kameras einrichtenden Unternehmens eine Anfrage oder einen Antrag an das niedersächsische Innenministerium, um sogenannte Webcams zur Überwachung des Bahnhofvorplatzes in Neustadt am Rübenberge zu installieren, und, wenn ja, wie lautete die Entscheidung des Ministeriums?
- Wie wird mit dem aufgezeichneten Bildmaterial verfahren, und hat das niedersächsische Innenministerium hierzu - gegebenenfalls welche - Vorgaben getätigt?
- An welchen weiteren Standorten hat das betreffende Unternehmen Webcams installiert, und hat das Innenministerium die Installationen jeweils genehmigt?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit dem Urteil vom 9. März 2010 in der Rechtssache C-518/07 festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die derzeit geltende Regelung zur Datenschutzaufsicht im nicht öffentlichen Bereich gegen die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstößt, da die Unabhängigkeit der Kontrollstellen nicht hinreichend gewährleistet ist. Die erforderlichen Anpassungen des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes an das Urteil werden derzeit erarbeitet und im Anschluss in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Aus dem Urteil folgt für alle innerstaatlichen Gerichte und Behörden ab seiner Verkündung das Verbot, die mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare Regelung weiter anzuwenden. Das niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport nimmt mit Wirksamkeit des Urteils keine Aufsicht über den Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD) mehr wahr.
Die mündliche Anfrage betrifft ausschließlich die Kontrolle und Beratung zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften. Diese Aufgaben obliegen ausschließlich dem LfD. Die Beantwortung durch die Landesregierung kann sich nach dem Urteil des EuGH dabei nur noch auf die reine Wiedergabe der Stellungnahme des LfD beschränken.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Die Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz hat folgenden Wortlaut:
„Webcams sind optisch-elektronische Einrichtungen (Videokameras), die dazu bestimmt sind, die von ihnen erzeugten Bilder in der Regel über das Internet einer nicht bestimmbaren Anzahl von Personen zugänglich zu machen. Solange es sich dabei nur um Panoramabilder handelt oder die Bilder so unscharf sind, dass eine Identifizierbarkeit abgebildeter Personen oder Gegenstände (z.B. Kfz-Kennzeichen) ausgeschlossen werden kann, sind Webcams datenschutzrechtlich unbedenklich. Das Datenschutzrecht ist in diesen Fällen nicht tangiert, weil eine Erhebung und Verarbeitung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten im Sinne des § 3 Abs.1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu verneinen ist.
Können mit Webcams aufgrund ihrer technischen Möglichkeiten allerdings personenbezogene Daten erhoben und über das Internet übermittelt werden, ist deren Einsatz nach § 6b BDSG zu beurteilen, soweit – wie in dem der Kleinen Anfrage zugrunde liegenden Sachverhalt - öffentlich zugängliche Räume (z.B. Straßen und Plätze) erfasst werden. Danach ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume durch Private nur zulässig, wenn dies u.a. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
Die Einhaltung dieser datenschutzrechtlichen Vorgaben obliegt dem jeweiligen Webcam-Betreiber als sog. verantwortliche Stelle. Allerdings unterliegt der Webcam-Betrieb wie auch der Betrieb klassischer Videoüberwachungsanlagen keiner datenschutzrechtlichen Genehmigungs-pflicht, etwa durch den LfD Niedersachsen als Datenschutzaufsichtsbehörde im nicht-öffentlichen Bereich. Das BDSG sieht dieses verwaltungsrechtliche Instrument zur Gewährleistung datenschutzkonformer Zustände generell nicht vor.
Im Jahr 2006 ist dem für die Datenschutzaufsicht im nicht-öffentlichen Bereich seinerzeit zuständigen Nds. Ministerium für Inneres und Sport (MI) der Plan vorgestellt worden, Webcams in der Innenstadt von Neustadt am Rübenberge einzusetzen. Die damals anfragende Person befürwortete deren Betrieb und bat um eine Beurteilung, ob die seinerzeit geplanten Webcams datenschutzkonform sind.
Eine daraufhin seitens MI durchgeführte Prüfung der Angelegenheit führte zu dem Ergebnis, dass der Betrieb dieser Webcams wegen fehlender Erhebung personenbezogener Daten datenschutzrechtlich unbedenklich ist. Eine Genehmigung ist aus den o.g. Gründen allerdings nicht erfolgt.
Gegenstand der Prüfung im Jahr 2006 war im Übrigen nicht die in der Kleinen Anfrage angesprochene Webcam im Bereich des Bahnhofvorplatzes von Neustadt. Diese Webcam ist erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt installiert und in Betrieb genommen worden. Nach Informationen des LfD Niedersachsen ist diese Kamera mittlerweile wieder abmontiert worden.
Zu 1.:
Nein
Zu 2.:
Unter Datenschutzgesichtspunkten gibt es zur Zeit keinen Anlass, dieser Frage nachzugehen. Die dem LfD Niedersachsen bekannten Webcams, welche Bilder von der Neustädter Innenstadt zeigen, sind auch nach einer aktuellen datenschutzrechtlichen Beurteilung nach wie vor unbedenklich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
Zu 3.
Gegenwärtig sind Webcam-Bilder zu den folgenden Standorten der Neustädter Innenstand im
Internet abrufbar:
- Marktplatz
- Wallgraben
- Wallstraße
- Kreuzung Schlossstraße
- Storchenhaus
- Storchennest.“
Pressemitteilungen
Artikel-Informationen
erstellt am:
09.09.2010
zuletzt aktualisiert am:
13.09.2010