Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern nach Syrien
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19.08.2010; Mdl Anfr Nr. 45
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Das Bundesinnenministerium (BMI) hat noch im Dezember 2009 Abschiebungen nach Syrien für „problematisch“ gehalten. In mehreren Fällen war bekannt geworden, dass die abgeschobenen Personen in Syrien verhaftet wurden und die syrischen Behörden keine Auskunft über deren Verbleib erteilt haben. Ihnen wurde die „Beschädigung des Ansehens Syriens im Ausland“ vorgeworfen. Deshalb wurde ein Entscheidungsstopp verfügt, und die Länder wurden gebeten, anstehende Abschiebungen mit besonderer Sorgfalt und dem Blick auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
Diese Einschätzung hat sich im März 2010 wieder geändert. „Nach der Bewertung der vorliegenden Informationen ist eine grundsätzliche Änderung der bisherigen Asylentscheidungspraxis zum Herkunftsland Syrien nicht angezeigt“, wird ein Sprecher des BMI in der taz vom 22. März 2010 zitiert. Das für Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge solle aber „grundsätzlich eine besonders sorgfältige Einzelfallprüfung“ durchführen.
In den letzten Monaten wurden in Niedersachsen mehrere Fälle von Abschiebungen nach Syrien bekannt. Einige Männer traten zwischenzeitlich im Abschiebungsgefängnis Langenhagen in den Hungerstreik, um ihre Abschiebung nach Syrien zu verhindern. Neben dem Vollzug sind auch die niedersächsischen Ausländerbehörden an den Abschiebungen beteiligt und somit mitverantwortlich.Wir fragen die Landesregierung:
- Wie stellt die Landesregierung sicher, dass sich niedersächsische Behörden nicht an Abschiebungen beteiligen, die die abgeschobenen Personen in Haft oder Folter führen?
- Was hat sich in Syrien geändert, dass Abschiebungen dorthin seit März nicht mehr als „problematisch“ anzusehen sind? Teilt die Landesregierung die diesbezügliche Einschätzung des BMI, oder wird diese durch die Landesregierung nicht weiter überprüft?
- Inwiefern hat die Landesregierung zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse gemäß der Bitte des BMI bis März mit besonderer Sorgfalt geprüft, und was hat sich an dieser Prüfung seit März geändert?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die Landesregierung hat in ihrer Antwort zur mündlichen Anfrage Nr. 35 im Januar-Plenum 2010 bereits ausführlich zu den Zuständigkeiten bei der Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen, zu der Bewertung und Umsetzung der vom Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 16.12.2009 geäußerten Prüfbitte hinsichtlich der Rückführungen nach Syrien und der Beurteilung einer möglichen Gefährdung für abgelehnte Asylbewerber bei ihrer Rückkehr nach Syrien, Stellung genommen.
Mit Schreiben vom 02.03.2010 hat das Bundesinnenministerium die Länder davon unterrichtet, dass nach dort vorliegenden Erkenntnissen zu dem Fall eines nach seiner Rückführung nach Syrien inhaftierten abgelehnten Asylbewerbers eine grundsätzliche Änderung der bisherigen - bis Ende November 2009 geltenden - Entscheidungspraxis nicht angezeigt ist. Gleichzeitig wurden die Länder davon unterrichtet, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Entscheidungstätigkeit für das Herkunftsland Syrien wieder aufnehmen werde.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Eine mögliche Gefährdung nach einer Rückkehr in das Heimatland wird für Asylbewerber von dem dafür zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft und festgestellt. Diese Entscheidungen können verwaltungsgerichtlich überprüft werden. Wird vom Bundesamt (oder vom Verwaltungsgericht) eine Rückkehrgefährdung nicht festgestellt und die Abschiebung in das Herkunftsland angedroht, sind die Ausländerbehörden gem. § 42 AsylVfG an diese Entschei-dung angebunden. Die Ausländerbehörden sind nicht ermächtigt, für abgelehnte Asylbewerber - abweichend von der Entscheidung des Bundesamtes - Abschiebungshindernisse zu prüfen und festzustellen. Dies liegt im allgemeinen Verantwortungsbereich des Bundesamtes und der Verwaltungsgerichte.
Zu 2.:
Die inzwischen vorliegenden Erkenntnisse zu dem Fall des in Syrien inhaftierten abgelehnten Asylbewerbers, die Bewertung dieses Falles durch das Auswärtige Amt und die Erkenntnisse aus einer internationalen Abfrage zur Situation der Rückkehrer nach Syrien hat das Bundes-ministerium des Innern zum Anlass genommen, seine Weisung an das Bundesamt vom November 2009 aufzuheben. Danach werden Entscheidungen über Asyl- und Asylfolgeanträge syrischer Asylbewerber nicht mehr zurückgestellt. Die Landesregierung hat zur Situation der Rückkehrer nach Syrien keine weitergehenden Erkenntnisse.
Zu 3.:
Mit dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 07.01.2010 sind die niedersächsischen Ausländerbehörden über die Informationen bzw. Einschätzungen des Bundesinnenministeriums sowie den Ad – hoc –Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22.12.2009 unterrichtet worden. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die von der Rückführung nach Syrien betroffenen abgelehnten Asylbewerber Gelegenheit haben, eine mögliche Rückkehrgefährdung mit einem Asylfolgeantrag durch das dafür zuständige Bundesamt prüfen zu lassen.
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