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Wie geht es nach dem Hesse-Gutachten weiter?

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19.08.2010; Mdl Anfr Nr. 1


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE); es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Innenminister Schünemann hat kürzlich gemeinsam mit Professor Dr. Joachim Hesse das lang erwartete „Hesse-Gutachten“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Gutachten analysiert die kommunalen Strukturen in Niedersachsen und macht Vorschläge, wie und was sich zukünftig an der kommunalen Gebietskulisse in Niedersachsen ändern sollte bzw. müsse.

Hesse geht in seiner Analyse davon aus, dass zwar nicht alle Kommunen in Niedersachsen „fusionsbedürftig“ seien, aber es doch viele Kreise und Gemeinden gibt, die deutlichen Änderungsbedarf haben. Für diese „Problemregionen“ schlägt der Gutachter verschiedene Optionen vor - u. a. auch Gebietsfusionen. Innenminister Schünemann hat stets betont, dass die Landesregierung definitiv keine Gebietsreform „von oben“ machen werde, sondern auf dem Feld kommunaler Gebietsänderungen ausschließlich auf Freiwilligkeit setze. Die Öffentlichkeit stellt sich daher nunmehr die Frage, wie es in den Regionen weiter gehen soll, in denen das Hesse-Gutachten deutlichen Veränderungsbedarf diagnostiziert, die aber keinerlei Bereitschaft zu entsprechenden Änderungen hinsichtlich ihrer Struktur und Zuschnitte zeigen.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Bleibt die Landesregierung auch nach den Vorschlägen von Professor Dr. Hesse bei ihrem Bekenntnis, definitiv keine Gebietsreform „von oben“, also ohne Zustimmung der betroffenen Kommunen, zu vollziehen?
  2. Welche politische Perspektive und Zielvorstellung hat die Landesregierung in Bezug auf Kommunen, die demographisch, finanziell und strukturell negative Entwicklungstrends aufweisen und nach dem „Hesse-Gutachten“ eine Fusion anstreben sollten, aber keinerlei Fusionsbestrebung zeigen?
  3. Wie viele Kommunen werden nach aktuellem Stand bis zur Kommunalwahl 2011 Fusionsbeschlüsse gefasst haben?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

„Das im Auftrag des Landes erstellte und kürzlich vorgestellte Gutachten zu den „Kommunalstrukturen in Niedersachsen“ („Hesse-Gutachten“) kommt zu dem Ergebnis, dass es nach der erfolgreichen Neuorganisation der Landesverwaltung, die die Koalitionsregierung von CDU und FDP bereits im Jahr 2003 begonnen hat, nunmehr auch ergänzender Veränderungen im kommunalen Bereich bedarf. Ausweislich der wissenschaftlich-analytischen Bestandsaufnahme in dem Gutachten sind 19 von 37 niedersächsischen Landkreisen und drei von acht kreisfreien Städten im Hinblick auf ihre zukünftige Entwicklung, ihrer Ausgleichs-fähigkeit und ihre Integrationsfähigkeit als „Räume mit Stabilisierungsbedarf“ anzusehen. Dies trifft vor allem auf Kommunen im Harz, im Weserbergland, im Großraum Braunschweig, in Nordost-Niedersachsen sowie im Küstenraum zu. Andere Räume in Niedersachsen sind nach den Ergebnissen der gleichen Untersuchung ohne derartigen Stabilisierungsbedarf oder prosperieren. Alles in allem - so die Schlussfolgerung des Gutachters - sei die Kommunalstruktur in Niedersachsen sehr heterogen und ihre Weiterentwicklung deshalb auch nur selektiv erforderlich. Gefragt seien jeweils individuelle Lösungen, die grundsätzlich sowohl in einer Intensivierung interkommunaler Zusammenarbeit als auch gebietlichen Zusammenschlüssen bestehen könnten. Wirklich gravierenden Strukturproblemen könne allerdings allein mit interkommunaler Zusammenarbeit nicht ausreichend begegnet werden.

Die Landesregierung unterstützt die Kommunen nunmehr schon seit rund fünf Jahren in besonderer Weise dabei, ihre interkommunale Zusammenarbeit zu intensivieren. Das Gleiche gilt grundsätzlich für gebiet­liche Zusammenschlüsse. Zusammenschlusswillige Kommunen können nach Maßgabe eines vom Landtag im Juni dieses Jahres verabschiedeten Änderungsgesetzes zum Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine kassenkreditbezogene Zins- und Tilgungshilfe aus einem Entschuldungsfond erhalten. Insgesamt steht hierfür pro Jahr ein Betrag von bis zu 70 Mio. Euro zur Verfügung.

Mit dem „Hesse-Gutachten“ wird nunmehr auch empirisch-analytisch belegt, wie notwendig intensive interkommunale Zusammenarbeit und partielle gebietliche kommunale Zusammenschlüsse für eine zukunftsgerechte Kommunalstruktur in Niedersachsen sind. Das Gutachten enthält insoweit zugleich eine Fülle von Daten, Informationen und Analysen, insbesondere auch zu einzelnen vor Ort in der Regel bereits diskutierten Zusammenschlussvarianten. Dieses Material stellt eine hervorragende Arbeitsgrundlage für weitere Diskussionen und Entscheidungsprozesse dar.

Es dient insbesondere den Verantwortlichen in den Kommunen als Denkanstoß aber auch als Entscheidungshilfe. Konkrete Gebietsänderungsvorschläge sind in dem Gutachten allerdings - anders als der Fragesteller meint - nicht enthalten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Ja.

Zu 2.:

Die Kommunalabteilung meines Hauses wird in den kommenden Monaten das Gespräch mit allen denjenigen Landkreisen und kreisfreien Städten suchen, für die im Hesse-Gutachten ein „Stabilisierungsbedarf“ festgestellt worden ist. Die Ergebnisse des Gutachtens und die für die einzelnen stabilisierungsbedürftigen Kommunen konkret in Frage kommenden Handlungs-alternativen sollen so gemeinsam erörtert werden. Dabei bin ich mir bewusst, dass die Auswertung des Gutachtens und die Entscheidungsprozesse vor Ort einige Zeit in Anspruch nehmen werden. In meinem Haus wird deshalb zurzeit auch geprüft, den Zeitraum für die mögliche Inanspruchnahme der Entschuldungshilfe bei freiwilligen Zusammenschlüssen deutlich in die am 1. November 2011 beginnende neue Kommunalwahlperiode hinein zu verlängern. Erst danach - und nicht schon heute - wird dann beurteilt werden können, ob und welcher weitere Handlungsbedarf seitens des Landes besteht.

Zu 3.:

Angesichts der in vielen Kommunen geführten und zum Teil aber auch erst begonnenen Diskussionen über freiwillige Gebietszusammenschüsse, kann heute noch nicht gesagt werden, wie viele Kommunen bis zum Herbst nächsten Jahres Fusionsbeschlüsse gefasst haben werden. Bis dato haben bereits 17 Kommunen Fusionen beschlossen. Es handelt sich hierbei um die gebietlichen Vereinigungen der Samtgemeinden Bodenwerder und Polle, der Samtgemeinden Hadeln und Sietland, der Samtgemeinden Grafschaft Hoya und Eystrup, der Samtgemeinden Eschershausen und Stadtoldendorf, der Samtgemeinde Landesbergen und der Gemeinde Stolzenau, der Gemeinde Suddendorf und der Stadt Schüttorf, der Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde Beverstedt, der Gemeinde Engeln und des Fleckens Bruchhausen-Vilsen sowie der Bergstadt Sankt Andreasberg und der Stadt Braunlage.“

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erstellt am:
19.08.2010

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