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Die Partei DIE LINKE

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 10.06.2010; Fragestunde Nr. 61


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Reinhold Coenen (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!

Zur jährlichen Tagung der haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung, der „Hauptverwaltung A“ (HVA), die am Samstag 15. Mai in Strausberg bei Berlin stattfand, übersandte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, Ulla Jelpke MdB, ein „Grußwort an die Aufklärer“:

(Quelle: http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=1602)

„Liebe Genossinnen und Genossen, auch über 20 Jahre nach der so genannten Wende wird die Stasi-Keule munter weiter geschwungen. Dabei geht es keineswegs um die Aufarbeitung der Vergangenheit, um die Suche nach der historischen Wahrheit oder der unvoreingenommenen Analyse des Scheiterns des ersten Sozialismusversuches. Vielmehr sollen jede positive Erinnerung an soziale Errungenschaften der DDR ebenso wie jede aktuelle Kapitalismuskritik diskreditiert werden.

Bezeichnend ist eine Sendung von Report Mainz zur NRW-Wahl. Tagelang hatten die Reporter die Kandidatinnen und Kandidaten der LINKEN verfolgt. Gefragt wurden diese nicht etwa, wie bei einer Landtagswahl zu erwarten, was die LINKE gegen die Massenerwerbslosigkeit zu tun gedenke und welche Rezepte sie zur aktuellen Wirtschaftskrise vorlegen können. Nein, weil in einem Papier einer Strömung innerhalb der LINKEN die DDR als ein legitimer Sozialismusversuch bezeichnet wurde, lautete die Gretchenfrage an die Kandidatinnen und Kandidaten allen Ernstes: »Wie halten Sie es mit der Stasi?« Ich bin froh, dass sich zumindest 5,6 Prozent der Wähler nicht durch solche Stimmungsmache beirren ließen.

Während Antikommunisten aller Couleur mit Schaum vorm Munde an der weiteren Dämonisierung der DDR und insbesondere des MfS arbeiten, sind in den letzten Jahren aus Euren Kreisen umfangreiche nüchterne wissenschaftliche Untersuchungen und Dokumentationen zur HVA entstanden. Man muss nicht jede Eurer Einschätzungen teilen. Aber es gilt anzuerkennen, dass wohl kaum ein anderer Ge-heimdienst so umfassend von seinen eigenen ehemaligen Mitarbeitern und Kundschaftern historisch aufgearbeitet wurde, wie die Auslandsaufklärung der DDR. Viele von Euch wurden für ihren mutigen Einsatz für den Frieden nach dem Ende der DDR mit Gefängnis bestraft. Die Spione des BND – eines von Altnazis aufgebauten aggressiven imperialistischen Dienstes – gingen dagegen für ihre Operationen gegen den Sozialismus straffrei aus. Diese Ungleichbehandlung ist bis heute ein himmelschreiendes Unrecht, das ein bezeichnendes Verständnis auch auf den so genannten »demokratischen Rechtsstaat« wirft, den die Spitzel von BND und Ver-fassungsschutz angeblich verteidigen.

Ich erinnere an dieser Stelle an den Gewerkschafter, Journalisten und junge Welt-Autor Kurt Stand in den USA. Weil er politische Einschätzungen über die US-Gewerkschaftsbewegung in die DDR geschickt hat, wurde Kurt Stand Ende der 90er Jahre zu einer langjährigen Haftstrafe wegen angeblicher Spionage für die HVA verurteilt und befindet sich seitdem hinter Gittern. Wir dürfen Kurt Stand nicht vergessen. Er muss endlich freikommen! …“

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie bewertet die Landesregierung das vorgenannte Grußwort - auch vor dem Hintergrund der Beobachtung der Partei DIE LINKE?
  2. Wie bewertet die Landesregierung die Kommentierung der Tageszeitung Die Welt vom 22. Mai 2010, dass radikale Geister nicht wie zu PDS-Zeiten an den Rand gedrängt würden, sondern in exponierte Stellung aufstiegen?
  3. Welche Gefahren sieht die Landesregierung durch den (gewaltbereiten) Linksextremismus auf das Land Niedersachsen zukommen?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Eines der Kennzeichen der Partei DIE LINKE bzw. ihrer Vorgängerpartei, der aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR hervorgegangenen Partei des demokratischen Sozialismus (PDS), sind die starken Affinitäten zum Macht- und Herrschaftsapparat der ehemaligen DDR. Noch bis weit in die 1990er Jahre hinein hatten etwa 90 Prozent aller Mitglieder der damaligen PDS eine Vergangenheit in der SED. Ein bei der PDS angesiedeltes Kuratorium der Verbände war für die Kontaktpflege zu den Interessenverbänden der ehemaligen Repräsentanten und Funktionäre der DDR zuständig.

Zahlreiche frühere Funktionäre der SED bekleideten bzw. bekleiden exponierte Positionen in der PDS bzw. DIE LINKE. So war z. B. der letzte SED-Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow, Ehrenvorsitzender der PDS und wirkt heute als Vorsitzender des Ältestenrates seiner Partei. Der frühere stellvertretende Kultusminister der DDR, Klaus Höpke, fungiert heute als Mitarbeiter des niedersächsischen Landesvorsitzenden der Partei DIE LINKE, Dr. Diether Dehm. Zuvor war er u. a. Vorsitzender der thüringischen Landtagsfraktion der PDS. Der heutige Vorsitzende der partei-nahen Rosa Luxemburg-Stiftung und vorherige parlamentarische Geschäftsführer der branden-burgischen PDS-Landtagsfraktion, Heinz Vietze, war zu DDR-Zeiten als SED-Bezirkssekretär des Bezirkes Potsdam tätig. Diese und andere Personen mit ähnlicher Vergangenheit werden – ebenso wie die extremistischen Zusammenschlüsse innerhalb der Partei DIE LINKE - von der Parteispitze nicht nur geduldet, sondern als wichtiger Bestandteil der Partei angesehen, die auch künftig politisch wirken sollen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von DIE LINKE, Ulla Jelpke, hat wiederholt an einer Veranstaltung ehemaliger hochrangiger Repräsentanten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR teilgenommen. Bereits Mitte 2006 versicherte sie bei einer ähnlich gelagerten Veranstaltung ehemaliger Offiziere des MfS, sich u. a. für deren Rentenbelange einzusetzen.

Zwischen einzelnen Funktionsträgern der Partei DIE LINKE und Interessenverbänden früherer Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit sowie ehemals hochrangigen DDR-Funktionären ist es in den letzten Jahren zu zahlreichen Kooperationen gekommen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen:

Der von der Partei DIE LINKE gestellte brandenburgische Justizminister Volkmar Schöneburg sprach Anfang 1999 vor Obristen der DDR-Staatssicherheit, die sich im „Insiderkomitee zur kritischen Aneignung der Geschichte des MfS“ zusammengeschlossen haben über das „Verhältnis von Politik und Recht (insbesondere Strafrecht) in der Arbeit des MfS“.

Die von der Linkspartei gestellte Bürgermeisterin von Berlin-Lichtenberg, Christina Emmrich, gestattet der „Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde“ (GBM), einer Interessenvertretung ehemaliger DDR-Funktionäre und Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, seit 1992 in einer Bezirksbibliothek im Berliner Ortsteil Friedrichsfelde Rentenberatungen abzuhalten. Die GBM wirbt auf der Internetseite der Lichtenberger Bibliotheken und legt Informationsbroschüren im Rathaus aus.

Im brandenburgischen Cottbus kommt es schon seit längerem in den Geschäftsräumen der Partei DIE LINKE zu Treffen zwischen Mitgliedern der Linkspartei und der „Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger der DDR“, kurz Isor genannt.

Die Äußerungen von Frau Jelpke als auch die zahlreichen Kontakte zwischen einzelnen Mitglie-dern und Funktionären der Partei DIE LINKE und ehemaligen Repräsentanten des Macht- und Herrschaftsapparates der SED verdeutlichen, dass die Partei DIE LINKE noch nicht überzeugend mit ihrer Vergangenheit gebrochen hat.

Zu 2.:

Durch die Fusion von PDS und WASG zur Partei DIE LINKE sind auch Personen mit einer Ver-gangenheit in linksextremistischen Parteien und Gruppierungen in die neue Partei gekommen. Sie nahmen und nehmen dort zum Teil exponierte Positionen ein. Einige Beispiele:

Der trotzkistische Linksruck ist 2007 in der Linkspartei aufgegangen und wirkt dort heute als Marx21 weiter. Führende Repräsentanten nahmen und nehmen seitdem wichtige Funktionen in der Partei wahr.

Auch in Niedersachsen sind entsprechende Personen in exponierte Stellungen gelangt. Zwei Mitglieder der niedersächsischen Landtagsfraktion DIE LINKE und einer ihrer niedersächsischen Bundestagsabgeordneten haben einen Vorlauf in der linksextremistischen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Ihr Fraktionsvorsitzender Dr. Manfred Sohn war bis 2002 20 Jahre als Funktionär für die DKP aktiv. Er gehörte in den 1990er Jahren dem DKP-Parteivorstand und dem Sekretariat des Parteivorstandes an. Dort war er für marxistische Bildung und die Kontakte zu ausländischen kommunistischen Parteien zuständig. Hans-Henning Adler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender aus Oldenburg, gehörte der DKP bis 1990 an. Beide engagierten sich zuvor für den DKP-nahen marxistischen Studentenbund MSB Spartakus. Herbert Behrens, MdB, war von 1970 bis 1989 Mitglied der DKP. Der Landtagsabgeordnete Patrick Humke-Focks wirkt als Bindeglied zwischen seiner Partei und der autonomen Szene in Niedersachsen.

Zu 3.:

Zu den Gefahren, die von gewaltbereiten Linksextremisten künftig ausgehen könnten, haben das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz am 22. Dezember 2009 in einer gemeinsamen „Gefährdungsbewertung für den Phänomenbereich der PMK-Links“ für die Bundesrepublik Deutschland folgende Prognose abgegeben:

„Generell ist bei Demonstrationen und Veranstaltungen mit aktuellen oder jährlich wiederkehrenden Bezugsereignissen, Solidaritätsveranstaltungen, veranstaltungsunabhängigen spontanen Aktionen mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Regionale Schwerpunkte sind sowohl Gebiete mit einer starken linksextremen Szene (Bsp. Berlin, Hamburg), als auch Bereiche mit entsprechendem lokalen Bezugsereignis (Bsp. Gorleben).“

Die Landesregierung schließt sich dieser Bewertung an. Sie sieht vor allem bei Demonstrationen mit stark emotionalisierendem Charakter zunehmende Gefahren durch gewaltbereite Linksextre-misten. So beobachten die Sicherheitsbehörden seit geraumer Zeit zunehmende Wechselwirkungen zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und der rechtsextremen Szene. Diese dienen oftmals sowohl der offenen gewaltsamen Konfrontation untereinander als auch gegenüber der Polizei. So attackierten mehrere dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnende Personen nach Abschluss einer NPD-Kundgebung in Buchholz in der Nordheide das Fahrzeug des NPD-Versammlungsleiters. Dabei erlitt ein Mitfahrer durch einen gezielt durch die Seitenscheibe geschleuderten Pflasterstein einen Schädelbasisbruch. Ferner hätten die Konfrontation am Rande der 1. Mai-Demonstration 2008 in Hamburg nach Aussage der polizeilichen Einsatzleitung ohne das Eingreifen der Polizei zu Toten führen können. In diesem Zusammenhang stellen Bun-deskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz in dem o. a. Schreiben fest:

„Bei Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner von Rechts zeigt sich seit Jahren, dass diese Konflikte durchweg unter Anwendung von Gewalt ausgetragen werden. Neu, und im Jahr 2009 erstmals als besorgniserregendes Phänomen festzustellen, ist der Umstand, dass die diesbezügliche Konfrontationsgewalt von den Angehörigen beider Lager zunehmend enthemmt, offenbar mit dem Ziel nachhaltiger Körperverletzung und unter zumindest billigender Inkaufnahme des Todes des Kontrahenten ausgeübt wird.“

Neben den Konfrontationen zwischen Rechts- und Linksextremisten sieht die Landesregierung insbesondere Gefahren bei Demonstrationen gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie. Vor allem im Verlauf der Castor-Transporte ins Transport-Behälter-Zwischenlager Gorleben ist eine Zunahme linksextremistischer Gewalt zu befürchten.

Darüber hinaus verdeutlichen zahlreiche Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge und Gebäude bundesweit und in Niedersachsen, dass die Gefährdung von Menschen durch gewaltbereite Linksextremisten zumindest billigend in Kauf genommen wird.

Am 4. Dezember 2009 haben linksextreme Gewalttäter eine Polizeiwache in Hamburg überfallen. Hier zeigt sich eine neue Qualität linker Gewalt. Nach einer Bewertung der Bundesanwaltschaft gingen die Täter planmäßig und kaltblütig vor. Sie haben die Polizeibeamten mit vorgetäuschten Hilferufen in einen Hinterhalt gelockt und mit Pflastersteinen angegriffen. Streifenwagen und Container wurden angezündet. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in diesem Fall wegen versuchten Mordes.

In einem Strafverfahren wegen versuchten Mordes gegen zwei Jugendliche in Berlin verbreitete im vergangenen Jahr eine autonome Gruppe im Internet Morddrohungen gegen einen Berliner Oberstaatsanwalt. Auch dies ist eine Form der Eskalation, die Schlimmes befürchten lässt.

Auch in Niedersachsen gibt die Entwicklung in jüngster Zeit Anlass zur Besorgnis. Mit dem Brandanschlag auf das Göttinger Landkreisgebäude am 22.Januar 2010 erreichte die Anschlagsserie in Göttingen eine neue Qualität: Ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung wurde durch eine Verpuffung im Brandbereich aus dem Raum geschleudert und verletzt. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und der gefährlichen Körperverletzung ist eingeleitet worden. Jeder Mitarbeiter und Besucher der Kreisverwaltung hätte Opfer der Straftat werden können.

Aufgrund dieser Gewalttaten und der in Niedersachsen und anderen Bundesländern erkennbaren Entwicklung befürchtet die Landesregierung, dass die Hemmschwelle linksextremistischer Täter zur Gewaltanwendung gegen Menschen weiter sinken wird.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.06.2010

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