Entwurf eines Gesetzes zur Zusammenfassung und Modernisierung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrecht
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.06.2010; TOP 15
Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Gesetzentwurf der Landesregierung; es gilt das gesprochene Wort!
ich freue mich sehr, dass wir hier heute den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Zusammenfassung und Modernisierung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts in erster Beratung behandeln.
Kern des Gesetzentwurfs ist die Zusammenfassung der vier Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetze zu einem einheitlichen Kommunalverfassungsgesetz. Dies betrifft die
- die Niedersächsische Gemeindeordnung,
- die Niedersächsische Landkreisordnung,
- das Gesetz über die Region Hannover und
- das Gesetz über die Neugliederung des Landkreises und der Stadt Göttingen.
Diese Zusammenfassung der vier Gesetze zu einem einheitlichen Gesetz reduziert die Zahl der Rechtsnormen erheblich. Waren es ehemals 345 Paragraphen, so werden wir zukünftig mit 179 Rechtsnormen auskommen. Über die Zusammenfassung hinaus wollen wir aber auch das niedersächsische Kommunalverfassungsrecht inhaltlich modernisieren und vor allem die ehrenamtliche Tätigkeit in den kommunalen Vertretungen attraktiver gestalten.
Nicht nur die Zusammenfassung zu einem einheitlichen Kommunalverfassungsrecht ist bundesweit einmalig; auch die Art der Umsetzung. Im Rahmen einer Kooperation mit der Gesellschaft für deutsche Sprache - eine bereichernde Kooperation von Juristen mit Germanisten – wurde der Entwurf sprachlich optimiert, ohne dadurch Inhalte zu verändern. Klare Strukturen und eine adäquate Wortwahl prägen nun den Gesetzeswortlaut und machen diesen auch für rechtliche Laien verständlicher und das Gesetz insgesamt damit anwenderfreundlich.
Lassen Sie mich nun auf einige inhaltliche Punkte eingehen:
Wir wollen die ehrenamtliche Mitwirkung in den Kommunen attraktiver zu gestalten. Leistungsfähige Kommunen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie Menschen haben, die konstruktiv und lösungsorientiert an der politischen Gestaltung vor Ort mitwirken. Es ist nicht einfach, die Bürgerinnen und Bürger für dieses ehrenamtliche Engagement zu gewinnen. Schließlich ist die Kommunalpolitik eine der anspruchsvollsten ehrenamtlichen Betätigungsfelder in unserer Gesellschaft. Gerade kleinere Kommunen klagen zunehmend über ein Desinteresse in der Bevölkerung.
Hier besteht Handlungsbedarf!
Unser gemeinsames Ziel muss es daher sein, Kommunalpolitik attraktiver zu machen. Daher wollen wir ehrenamtliches Engagement so anerkennen, dass es auch von der Bevölkerung wahrgenommen wird und diese zum aktiven Mitmachen motiviert. Im Gesetzesentwurf wird deshalb u. a. der Vorsitz im Kreistag, im Samtgemeinde- und im Gemeinderat stets einem ehrenamtlich tätigen Mitglied der Vertretung vorbehalten.
Denjenigen, die darin auch nur ansatzweise eine Rückkehr zur sog. Zweigleisigkeit der Kommunalverwaltung sehen, sage ich:
Ihre Befürchtungen sind völlig unbegründet!
Daneben sollen Ortsräte und Stadtbezirksräte gestärkt werden, indem wir ihre Beschlusszu-ständigkeiten erweitern. Warum soll z. B. ein Ortsrat nicht grundsätzlich selbst über die Benennung und Umbenennung von Straßen, Wegen und Plätzen innerhalb der Ortschaft entscheiden können? Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten Orts- und Stadtbezirksräte unter bestimmten Voraussetzungen budgetiert Haushaltsmitteln. Durch all das wird zugleich auch die Vertretung entlastet.
Geändert werden soll auch das Recht der Entschädigung für alle in den Kommunen ehrenamtlich Tätigen. Die Kommunen sollen im Rahmen eines allgemeinen gesetzlichen Anspruchs durch Satzungen eigene Regelungen treffen können. Zugleich beruft das Innenministerium in jeder Wahlperiode sachverständige Personen in eine Kommission, die rechtzeitig vor dem Beginn einer neuen Wahlperiode Empfehlungen für die Ausgestaltung und Höhe der Entschädigungen gibt.
Und insoweit nur noch ein letztes Beispiel: die Einführung sogenannter „beschließender Ausschüsse“:
Auch das ist ein Novum und nicht zu verwechseln mit den Ausschüssen nach besonderen Vorschriften wie dem Schulausschuss, dem Werkausschuss und dem Jugendhilfeausschuss, die bereits jetzt in der Gemeindeordnung und in den Fachgesetzen geregelt sind.
Mit der neuen Regelung über die beschließenden Ausschüsse wird die Vertretung ermächtigt, die Beschlusszuständigkeit des Hauptausschusses für bestimmte Gruppen von Angelegenheiten auf einen Fachausschuss der Vertretung zu übertragen. Dieser Ausschuss entscheidet dann selbst und abschließend. Dadurch wollen wir neben der Entlastung der Hauptausschüsse vor allem die Mitwirkung der Ehrenamtlichen in den Ausschüssen der Vertretung verantwortlicher und damit auch attraktiver gestalten.
Ein modernes Gesetz muss auch aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen entsprechen. Unserer Gesellschaft wird immer älter. Dies hat mannigfaltige Auswirkungen, denen wir uns stellen müssen. Das betrifft auch die Amtszeit von Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten. Wir wollen dem demografischen Wandel Rechnung tragen und modifizieren daher die Altersgrenze für Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungs-beamte. Wählbar ist, wer das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Und noch ein Letztes:
Wegen der geringen Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen, wollen wir auch diese abschaffen. Zukünftig ist die Bewerberin oder der Bewerber mit der höchsten Stimmenzahl gewählt.
Der Wegfall der Stichwahlen führt nicht zu einer Schwächung von Bewerberinnen und Bewerbern kleinerer Parteien oder von Einzelkandidatinnen und -kandidaten.
Das zeigt ein Blick auf die Ergebnisse der letzten Direktwahlen in Niedersachsen im Jahr 2006. Danach haben bei den 318 gleichzeitig durchgeführten Direktwahlen 69 Einzelbewerberinnen und Einzelbewerber – also gerade nicht die Kandidaten der größeren Parteien – bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht, das sind knapp 22 Prozent aller Direktwahlen. Weitere 19 Einzelbewerberinnen und Einzelbewerber erhielten die meisten Stimmen, verfehlten aber die erforderliche absolute Mehrheit. Damit liegt der Anteil der Einzelbewerberinnen und Einzelbewerber, die bei den Direktwahlen im Herbst 2006 bereits im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten hatten, bei rund 28 Prozent. Von einer Chancenlosigkeit im ersten Wahlgang kann hier also überhaupt keine Rede sein.
Als Kommunalminister dieses Landes, aber auch als Kommunalpolitiker freue ich mich auf eine sicherlich äußerst lebendige und engagierte Beratung dieses Gesetzesentwurfs in den Ausschüssen und auch hier im Plenum.
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