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KFN-Studie zur Gewalt gegen Polizeibeamte

Innenminister Schünemann: Gewalt gegen Polizeibeamte gesellschaftlich ächten und schärfer bestrafen


BERLIN. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann hat die gesellschaftliche Ächtung und eine härtere Bestrafung von Gewalt gegen Polizeibeamte gefordert. Schünemann sagte bei der Vorstellung der ersten Ergebnisse der Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zur Gewalt gegen Polizeibeamte, die Gewaltentwicklung und die Gewalterfahrung von Polizeibeamten zeige die Notwendigkeit einer schärferen gesetzlichen Regelung zur Bestrafung von Gewalthandlungen gegen Polizisten. Schünemann forderte die Bundesjustizministerin auf, endlich den Koalitionsbeschluss umzusetzen und die entsprechenden Regelungen zu schaffen. „Wir brauchen eine entsprechende Verschärfung des Strafrechtsparagrafen 113 mit einer Erhöhung der Mindeststrafe sowie einem Höchststrafmaß von vier Jahren. „Die höhere Strafe wäre ein wichtiges Signal an unsere Polizeibeamten, die sich mit ihrer Gesundheit für Recht und Ordnung und damit für unsere Sicherheit einsetzen“, sagte der Innenminister.

Schünemann stellte mit dem Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Professor Christian Pfeiffer, die ersten Ergebnisse der Polizeibefragung vor. An der Erhebung hatten sich 20.938 Polizeibeamtinnen und -beamte aus zehn Bundesländern beteiligt. „Im Vergleich der fünf Jahre des Untersuchungszeitraums zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Gewaltübergriffe“, sagte Pfeiffer. So hat im Vergleich der Jahre 2005 zu 2009 die Zahl der schweren Gewaltübergriffe mit mindestens sieben Tagen nachfolgender Dienstunfähigkeit um 60,1 Prozent zugenommen.

„12,9 Prozent der Befragungsteilnehmer gaben an, dass sie in den vergangenen fünf Jahren mindestens einen Gewaltübergriff erlebt haben, der mindestens einen Tag Dienstunfähigkeit ausgelöst hat. Bei 7,9 Prozent dauerte die Dienstunfähigkeit maximal bis zu sechs Tagen, bei weiteren 4,1 Prozent bis zu zwei Monate und bei 0,9 Prozent der Befragten mehr als zwei Monate“, so Pfeiffer.

Schünemann sagte, die erhebliche Zunahme der Verletzungen bei Polizeibeamten sei besorgniserregend. „Die Übergriffe zeigen in aller Deutlichkeit, welche Risiken Polizisten, gerade in ihrem alltäglichen Dienst, tragen müssen. Gerade die normalen Streifenbeamten sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Das ist für die staatliche Fürsorgepflicht eine Herausforderung. Die Ergebnisse dokumentieren auch, dass unsere Polizisten ihren gesetzlichen Schutzauftrag aktiv wahrnehmen. Das betrifft etwa Einsätze bei häuslicher Gewalt, das Vorgehen gegen randalierende Betrunkene oder die Schlichtung von Streitfällen in der Öffentlichkeit. Die Risiken gerade bei diesen alltäglichen Einsätzen sind für unsere Polizisten erheblich. Umso mehr verdient die Polizei für ihr professionelles und engagiertes Eintreten Respekt und Anerkennung“, sagte der Innenminister.

Pfeiffer betonte, dass die Polizeibeamten im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit in sehr hohem Maße Aggressionen durch Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt seien. „Von den Befragten wurden im Jahr 2009 81,9 Prozent beschimpft, beleidigt oder verbal bedroht – 90,1 Prozent von ihnen sogar mehrfach. Fast jeder Zweite wurde gestoßen, geschubst oder festgehalten (47,8 Prozent). Jeder Vierte (26,5 Prozent) wurde mit der Faust oder Hand geschlagen oder mit Füßen getreten und 8,6 Prozent wurden mit einer Waffe oder einem gefährlichen Gegenstand angegriffen. Im Streifendienst liegen diese Werte sogar noch höher“, sagte Pfeiffer.

„Das Ausmaß an genereller Aggression gegen Polizeibeamte spiegelt eine zunehmende Respektlosigkeit vor staatlichen Amtsträgern wider“, sagte der Innenminister. „Die Polizei als staatliche Kerninstitution spürt solche Tendenzen in besonderer Weise. Die Politik ist daher gefordert, staatlichen Amtsträgern, insbesondere Polizeibeamten in ihrem Dienst demonstrativ den Rücken zu stärken, wenn die Aggressionsbereitschaft gegenüber Staatsbediensteten zunimmt. Für mich ist klar: Eine starke, professionelle und gut ausgestattete Polizei ist mehr denn je wichtig für den gesellschaftlichen Frieden in Zukunft und Kernstück einer nachhaltig ausgelegten Sicherheitspolitik“, so Schünemann.

Pfeiffer: „Betrachtet man nur die schweren Gewaltübergriffe, die mindestens sieben Tage Dienstunfähigkeit zur Folge hatten, zeigt sich, dass sie sich zu 27,5 Prozent bei der Festnahme von Tatverdächtigen ereignet haben. Betroffen waren insbesondere Streifenbeamte. An zweiter Stelle folgen mit 23,7 Prozent Einsätze von Streifenbeamten wegen Streitsituationen. An dritter Stelle stehen mit 11,0 Prozent Einsätze wegen Störung der öffentlichen Ordnung. In 8,4 Prozent der Fälle erfolgten die massiven Verletzungen bei Demonstrationen. Diese Zahl ist deshalb eher gering, weil die Beamten häufiger Schutzkleidung tragen. Bei Demonstrationen verdient jedoch Beachtung, dass fast drei Viertel der schweren Verletzungen (mehr als sieben Tage Dienstunfähigkeit) durch Gewalttaten linker Demonstranten entstanden sind“, sagte Pfeiffer.

Innenminister Schünemann verlangte eine klare Ächtung politisch motivierter Gewalttaten bei Demonstrationen gegen Polizeibeamte. „Gerade der Gewalt aus dem linksextremen Lager, bei der wir zurzeit einen deutlichen Anstieg verzeichnen, muss klar entgegengetreten und bekämpft werden. Brandsätze oder Steine auf Polizisten zu werfen ist die bewusste Inkaufnahme von Todesopfern unter den Beamten und muss auch so bestraft werden“, so Schünemann.

Nach Angaben von Pfeiffer hat die Befragung auch ergeben, dass schwere Gewaltübergriffe bei Betroffenen häufig zu ernsten psychischen und psychosomatischen Beschwerden führen „Dies gilt besonders bei Gewaltopfer, die durch die Tat mehr als zwei Monate dienstunfähig waren. Von ihnen berichtete etwa jeder Dritte (35,9 Prozent) über Probleme, die im Kontakt zu anderen Menschen (z. B. in der Partnerschaft) entstanden sind und etwa jeder Fünfte (18,4 Prozent) wies Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf (z.B. wiederkehrende Alpträume, erhöhte Gereiztheit).“

Innenminister Schünemann sagte, Polizisten würden Gewalt körperlich und seelisch als schwere Beeinträchtigung erfahren. „Die professionelle Betreuung und Nachsorge von Betroffenen verdient unser besonderes Augenmerk. Wir müssen jetzt daran gehen, wie wir eine professionelle Nachsorge von betroffenen Polizisten durch Festlegung von Standards in Bund und Ländern auf einem hohen Niveau sicherstellen können.“

An der Befragung des KFN hatten sich zwischen dem 08.02. und dem 28.03.2010 mehr als 22.500 Polizisten beteiligt. 20.938 Fragebögen konnten statistisch ausgewertet werden. Dies entspricht 25,1 Prozent der Grundgesamtheit. Ursprünglich war die Studie von Niedersachsen in Auftrag gegeben worden, später schlossen sich weitere Länder dem Vorhaben an. Entsprechend stammen die befragten Beamten aus Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thürin-gen. Nach der Auswertung der statistischen Daten sollen nun die so genannten Freitextfelder, in denen Polizeibeamten ihre Erfahrungen schildern konnten, ausgewertet werden. Bereits dieser erste Teil des Erhebungsergebnisses wird nun der Innenministerkonferenz in Hamburg vorgestellt. Die Gesamtkosten der Studie liegen bei rund 91.000 Euro für alle teilnehmenden Bundesländer, wovon das Land Niedersachsen mit 24.000 Euro den größten Anteil trägt.

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.05.2010

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