Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Sitzung im Bundesrat am 07. Mai 2010; TOP 41
Rede des Niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann im Bundesrat am 07. Mai 2010; es gilt das gesprochene Wort!
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen die Länder Berlin, Bremen und Brandenburg das Ziel, die in § 29 Staatsangehörigkeitsgesetz festgelegte Optionspflicht abzuschaffen. Diese Forderung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.
Worum geht es im Kern?
Die Optionspflicht wurde mit der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 1999 eingeführt. Sie verlangt von Volljährigen, sich zwischen der deutschen und einer fortbestehenden Staatsangehörigkeit zu entscheiden.
Das hat folgenden Hintergrund:
Mit dem ebenfalls 1999 eingeführten Geburtsortprinzip erwirbt ein hierzulande geborenes Kind ausländischer Eltern automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Dafür muss ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht haben (§ 4 Abs. 3 StAG). Unter denselben Voraussetzungen stand auch ausländischen Kindern die deutsche Staatsangehörigkeit zu, die am 1. Januar 2000 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Bis Ende 2000 musste ein entsprechender Antrag gestellt werden (§ 40 b StAG). Diese Gruppe fällt aktuell unter die Optionspflicht.
Beide Vorschriften durchbrechen das Abstammungsprinzip, das für das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht prägend ist. Die Regelungen waren deshalb seinerzeit politisch heftig umstritten. Die Optionspflicht war schließlich der Kompromiss, der zwischen den gegensätzlichen Positionen erreicht werden konnte. Die Integration der dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebenden Zuwanderer ist für den gesellschaftlichen
Frieden und Zusammenhalt unseres Landes elementar. Das ist glücklicherweise "common sense" unter allen demokratischen Parteien. Ziel von Integration ist die gleichberechtigte gesellschaftliche und politische Teilhabe. Diese umfasst insbesondere das Wahlrecht und die Möglichkeit der Ausübung aller öffentlichen Ämter, beides wichtige Mittel der Partizipation am demokratischen Willensbildungsprozess.
Der erleichterte Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch einbürgerungswillige Zuwanderer ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Kein Staat kann es auf Dauer hinnehmen, dass ein zahlenmäßig bedeutender Teil seiner Bevölkerung über Generationen hinweg wichtige Rechte und Pflichten eines Bürgers nicht wahrnehmen kann und damit faktisch außerhalb der staatlichen Gemeinschaft steht. Die Entwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts seit 1990 zeigt,
dass der Gesetzgeber es um viele Faktoren angereichert hat, die für die Integration von Bedeutung sind. Staat und Gesellschaft unterbreiten den hier auf Dauer lebenden Ausländern ein umfassendes Integrationsangebot, an dessen Ende idealer Weise die Einbürgerung steht.
Aktive Integrationsmaßnahmen sind wichtig. Sie sind aber kein Freibrief für die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Es gibt eine ganze Reihe von ordnungspolitischen Gesichts-punkten, die wir im Auge behalten müssen. Die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit kann zum Beispiel Loyalitätskonflikte befördern, zur Schwächung des diplomatischen und konsularischen Schutzes führen und Probleme des internationalen Privatrechts verstärken.
Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf Personen aus Drittstaaten außerhalb der EU. Niemand kann seine staatsbürgerlichen Pflichten zwei oder mehr Staaten gegenüber vollständig und in gleicher Weise erfüllen. Im Konfliktfall wird der Anspruch des Staates auf die Loyalität seiner Bürger, z. B. bei der allgemeinen Wehrpflicht und der der Straf- und Steuerhoheit, nur noch sehr eingeschränkt durchzusetzen sein.
Ich sage daher deutlich:
Das verständliche Ziel, die Zahl der Einbürgerungen der dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer zu erhöhen, darf nicht gegen das berechtigte Interesse ausgespielt werden, die Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit einzuschränken. Die plakative Formel "Integration durch Doppelpass" weist in die falsche Richtung. Dann müsste die Integrationsbilanz von Staaten, die mit Mehrstaatigkeit bei Zuwanderern großzügig verfahren, per se günstiger sein als in anderen Ländern. Dies ist jedoch nur bedingt der Fall, wie die Niederlande oder auch Frankreich zeigen. Dort haben sich die integrationspolitischen Erwartungen an eine liberale Einbürgerungspraxis unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit keinesfalls erfüllt.
Es ist richtig, dass wir den Erwerb des deutschen Passes für einbürgerungswillige Ausländer erleichtern. Es ist aber falsch, den deutschen Pass als Schlüssel für eine bessere Integration zu sehen, wie immer wieder von Befürwortern des Doppelpasses behauptet wird. Entscheidend für das Gelingen von Integration sind vielmehr die Handlungsfelder Sprache, Bildung und Arbeitsmarkt. Dort müssen wir unsere Anstrengungen intensivieren. Defizite in diesen Bereichen kann keine noch so großzügige Einbürgerungspraxis auffangen.
Die deutsche Staatsbürgerschaft hat nicht nur Symbolwert. Sie ist mit Pflichten, aber auch umfassenden Rechten verknüpft. Sie steht für die Zugehörigkeit zu einer staatlichen Solidar- und Verantwortungsgemeinschaft, die in vielem vorbildlich ist. Sie steht für die Zugehörigkeit zu einem Land, das für viele weltweit attraktiv ist. Von daher ist der Sinn der Optionsregelung, sich bei Volljährigkeit klar für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, für die Betroffenen zumutbar. Die Regelung ist so ausgestaltet, dass der Betroffene es selbst in der Hand hat, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten. Wer sich dagegen selbst nach 18 Jahren in Deutschland und nach einer weiteren fünfjährigen Überlegungszeit immer noch nicht ganz für unseren Staat entscheiden mag, der darf nicht einfach in die lebenslange Unentschiedenheit entlassen werden.
Erstmals ab 01. Januar 2008 sind die von der Optionspflicht Betroffenen mit Vollendung des 18. Lebensjahres verpflichtet gewesen, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Hierfür haben sie fünf Jahre Zeit, d.h. erst in etwa zweieinhalb Jahren wissen wir, wie der erste Jahrgang des betroffenen Personenkreises mit seiner Wahlmöglichkeit umgeht.
Die Regelung des Geburtsortprinzips ist nicht einfach zu handhaben. Ich halte es aber für deutlich verfrüht, bereits jetzt die Optionsregelung, die Doppelstaatsangehörigkeit vermeidet, in Frage zu stellen. Vielmehr sollten die bisherigen Erfahrungen ausgewertet und daraufhin überprüft werden, ob und an welcher Stelle verfahrensrechtlicher oder materiellrechtlicher Änderungsbedarf besteht. So sieht es auch die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und FDP im Bund vor.
Niedersachsen lehnt es daher ab, den vorliegenden Gesetzentwurf im Bundestag einzubringen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
07.05.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010