Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 29.04.2010; Aktuelle Stunde
Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion DIE LINKE; Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bundesregierung lag bereits im vergangenen Jahr eine vertrauliche Anfrage der USA vor, ca. 10 bis 15 Häftlinge aus dem Gefangenenlager Guantanamo aufzunehmen. Es sollte sich bei diesen Personen insbesondere um Uiguren aus der chinesischen Provinz Xinjiang handeln.
Das Thema wurde daraufhin zwischen den Innenministern des Bundes und der Länder in der Sitzung der Innenministerkonferenz am 4./5. Juni 2009 erörtert. Die Länder haben übereinstimmend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Aufnahme der Guantanamo-Gefangene um eine politische Entscheidung handle, die auf Bundesebene getroffen werden müsse.
Das Bundesministerium des Innern hatte angekündigt, die einzelnen Fälle zu prüfen und sich mit den Innenministern der Länder sowie anderen europäischen Regierungen abzustimmen. Die von Niedersachsen schon im vergangenen Jahr geäußerten grundsätzlichen Bedenken gegen die Aufnahme von Guantanamo-Gefangene teilen insbesondere Bayern, Hessen und Sachsen-Anhalt.
Unsere gemeinsame Überzeugung ist:
Die Zukunft zu entlassender Guantanamo-Häftlinge ist primär eine amerikanische Angelegenheit. Zunächst müssen die US-Behörden daher selbst klären, ob die Gefangenen in ihr Heimatland zurückkehren oder von den USA aufgenommen werden können. Erst wenn dies definitiv nicht möglich ist, soll die Bundesregierung im Einzelfall prüfen, ob eine Aufnahme in Deutschland ohne Gefahr für die hiesige Bevölkerung in Betracht kommen kann.
Nach verschiedenen Pressemeldungen wird offensichtlich derzeit von der Bundesregierung konkret geprüft, ob einzelne Gefangene aus Guantanamo aufgenommen werden können. Danach soll Bundesinnenminister de Maizière die Aufnahme von drei Personen aus politischen Gründen auf der Grundlage des § 22 des Aufenthaltsgesetzes erwägen. Es soll sich um einen staatenlosen Palästinenser und zwei weitere Personen aus Syrien und Jordanien handeln.
Ich kann diese Überlegungen nicht bestätigen, da sie mir auch nur aus der Berichterstattung in der Presse bekannt sind.
Rechtlich möglich wäre die Aufnahme einzelner Personen nach dem Aufenthaltsgesetz durch eine Entscheidung des Bundesministers des Innern. Nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes ist einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesministerium des Innern oder die vom ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat.
Nach einer entsprechenden Übernahmeerklärung müsste die zuständige Auslandvertretung ein entsprechendes Einreisevisum und die inländische Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes erteilen. Eine Beteiligung der Länder vor der Entscheidung des Bundesministeriums des Innern ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen.
Auch wenn diese Aufnahme rechtlich ohne Zustimmung der Länder erklärt werden könnte, ist davon auszugehen, dass der Bundesminister des Innern die Länderkollegen rechtzeitig konsultiert. Denn nur so kann eine geordnete Aufnahme erfolgen. Allerdings ist mir bislang nicht bekannt, dass sich ein Land zur Aufnahme von Guantanamo-Gefangenen bereit erklärt hätte.
Es gibt in der jüngsten Angelegenheit bislang noch keine Kontaktaufnahme des Bundesministeriums des Innern zu den Ländern. Dies ist in einem frühen Stadium der Entscheidungsfindung auch nicht anders zu erwarten, weil noch keine genauen Informationen zu den Personen, die aufgenommen werden sollen, vorliegen. Deshalb können auch die Länder in den Informationsprozess noch nicht eingebunden werden. Ich erwarte daher, dass die Bundesregierung die weiteren Schritte mit den Ländern abstimmt, sobald sich eine mögliche Aufnahme einzelner Personen konkretisiert.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zielt offensichtlich darauf ab, ohne Kenntnis der Einzelheiten und der Sicherheitsrisiken einer Aufnahme von Guantanamo-Gefangenen zuzustimmen.
In der Sache kann ich jetzt schon sagen:
Ich habe bezüglich einer Aufnahme von Gefangenen aus Guantanamo ernsthafte Bedenken. Dazu gibt es berechtigten Anlass: Leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass aus Guantanamo entlassene Gefangene Straftaten begingen. Einige schlossen sich Pressemeldungen zufolge erneut radikal-islamistischen Gruppen wie den Taliban an. Auch die US-Regierung unter Präsident Obama hat unlängst einräumen müssen, dass die aktuelle Rückfallquote von entlassenen Guantanomo-Häftlingen bei etwa 20% liegt (Stand Jan. 2010). Mit anderen Worten:
Es gibt Erkenntnisse darüber, dass nahezu jeder fünfte Entlassene sich wieder extremistisch betätigte oder im Verdacht hierzu stand. Daher mussten die Pläne, das Lager rasch aufzulösen, vorerst verschoben werden, weil die Zweifel an der Friedfertigkeit entlassener Gefangener nicht aus der Luft gegriffen sind.
Für mich ist deshalb vollkommen klar: Ohne konkrete Erkenntnisse über die Sicherheitsrisiken ist die Aufnahme von Guantanamo-Gefangenen nicht verantwortbar. Es wäre schlichtweg absurd, nach Einreise betroffener Personen das Personal der Sicherheitsbehörden aufgrund von notwendigen operativen Maßnahmen in sehr starkem Maße zu binden.
Ich werde deshalb eine sehr genaue Einzelfallprüfung vornehmen lassen, bevor ich einer Aufnahme in Niedersachsen zustimmen werde. Nur wenn absolut sicher ist, dass von den aufzunehmenden Personen keine Gefahr für die hiesige Bevölkerung ausgeht, kann eine Einzelfallprüfung positiv beschieden werden. Eine großzügige Haltung, wie von den LINKEN gefordert, würde ernsthafte Sicherheitsrisiken herauf beschwören und auf starkes Unverständnis bei den Bürgern stoßen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
29.04.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010