Kommunalfinanzen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.04.2010; Dringliche Anfrage 14 b
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE; Es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
Die Lage der Kommunen in Niedersachsen entwickelt sich nach Auffassung vieler Beobachter und Kommunalpolitikerinnen und -politiker aller Parteien zunehmend dramatisch. Im Jahre 2009 sind die Gesamteinnahmen der Kommunen um 2,6 % zurückgegangen, während die Gesamtausgaben um 6,3 % gestiegen sind. Das kommunale Finanzierungssaldo nähert sich damit der Milliardengrenze.
Bei der Einnahmeseite ist vor allem der massive Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen um 21,5 % infolge der weiter anhaltenden Wirtschaftskrise zu verkraften. Gleichzeitig wachsen infolge dieser Krise die Ausgaben im sozialen Bereich um knapp 4 %.
Die Kommunen versuchen, auf die von ihnen als dramatisch angesehene Situation teilweise durch den Verkauf von Vermögen, der in den ersten drei Quartalen 2009 um 6,4 % gestiegen ist, vor allem aber durch massive Erhöhung der Schuldenaufnahme am Kreditmarkt zu reagieren. Die Verschuldung niedersächsischer Kommunen lag Ende 2009 bereits bei rund 7,6 Milliarden Euro. Der Stand der Kassenkredite also der kurzfristigen Darlehen - hat sich im Laufe des Jahres 2009 um rund eine halbe Milliarde Euro auf mittlerweile über 4,5 Milliarden Euro erhöht.
Diese steigende Kreditaufnahme ist nach Einschätzung von Experten auf den ersten Blick dadurch verkraftbar, dass wir zurzeit ein niedriges Zinsniveau haben. Steigt es wieder an, geraten die kommunalen Haushalte durch die dann nicht nur erhebliche Tilgungs-, sondern auch noch steigende Zinslast in eine, verglichen mit der jetzt schon schwierigen Situation, noch dramatischere Finanzlage.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Wie bewertet sie die gegenwärtige Finanzlage der niedersächsischen Kommunen?
- Welche Hilfen stellt die Landesregierung den Kommunen zur Verfügung, um die Gefahr eines Anstiegs des Zinsniveaus angesichts der angewachsenen Schuldenlast abzuwenden?
- Welche Änderungen hält die Landesregierung für erforderlich, um in der Perspektive den Kommunen einen größeren Anteil an den steuerlichen Einnahmen des Landes zu geben und so ihre finanzielle Lage zu stabilisieren?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
in den Antworten auf ähnlich gelagerte Anfragen in den vergangenen Plenarsitzungen habe ich bereits mehrfach die Situation der Kommunen und die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise verursachten Auswirkungen geschildert. Diese Situation trifft Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen. Wir werden uns gemeinsam den daraus resultierenden Herausforderungen zu stellen haben. Diese Herausforderungen treffen Niedersachsen und seine Kommunen aber nicht unvorbereitet, da die Landesregierung in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht hat:
Rückblickend betrachtet – und auch das muss einmal ganz deutlich gesagt werden - hat sich die Finanzsituation der niedersächsischen Gemeinden, Städte und Landkreise in den vergangenen Jahren insgesamt durchaus positiv entwickelt. Hierzu beigetragen hat ein starker Anstieg der Zahlungen aus dem kommunalen Finanzausgleich, der in den Jahren 2007, 2008 sowie 2009 mit knapp über bzw. knapp unter 3 Mrd. Euro jeweils rund 30 % über den Einnahmen des Jahres 2006 lag! Sogar im Jahr 2009 liegen die Zuweisungen noch um 3,8 % höher als 2008. Die Steuerverbundabrechnung für das Jahr 2008 erhöht diesen Betrag noch einmal um 45,3 Mio. Euro auf knapp 3,1 Mrd. Euro. Auch haben die bisherigen Gewerbe- und Einkommensteuereinnahmen in den Jahren 2007 und 2008 vielerorts die Erwartungen deutlich übertroffen. Dadurch hatten viele Kommunen endlich die Gelegenheit, ihre Haushalte wieder auszugleichen und unterbliebene Investitionen nachzuholen.
Auch wenn wir 2009 und 2010 unstreitig einen deutlichen Rückgang bei den Steuereinnahmen und 2010 auch beim Finanzausgleich zu verzeichnen haben, so muss man dabei immer sehen, von welchem hohen Niveau wir gekommen sind.
Auch hat das Land sehr schnell und pragmatisch das Konjunkturpaket II des Bundes umgesetzt und durch eigene Anteile aufgestockt. Soweit es die Finanzhilfen für zusätzliche Investitionen betrifft, sind nicht nur die vom Bund geforderten 70 %, sondern sogar 78 % der Bundesmittel an die kommunale Ebene weitergegeben worden. Insgesamt handelt es sich dabei um 712,5 Mio. Euro. Wir sorgen zudem dafür, dass die Gemeinden und Landkreise im Rahmen der Vorgaben des Bundes weitestgehend selbständig entscheiden können, wofür sie die Mittel ausgeben. Die mit diesen Mitteln vorgenommenen Investitionen fließen zum großen Teil in energetische Sanierungen. Dies sorgt mittelfristig für eine zusätzliche dauerhafte Entlastung der Kommunen bei den laufenden Betriebsausgaben.
Um u. a. die Kassenkreditverschuldung zu senken, hat das Land mit den kommunalen Spitzenverbänden den Zukunftsvertrag geschlossen. Damit wird ein Instrumentarium zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften und damit auch einen Beitrag zur Entspannung der strukturellen Finanzprobleme einzelner Kommunen geschaffen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Prinzip der bürgernahen Durchführung öffentlicher Aufgaben, die Möglichkeit einer kommunalen Entschuldung als zentraler Baustein für eine zukunftsfähige Ausrichtung zahlreicher strukturschwacher Gemeinden und Landkreise sowie eine ressortübergreifende Strukturpolitik mit den Kommunen des Landes. Mit diesem Entschuldungsprogramm kann der prekären Finanzlage zahlreicher Kommunen begegnet werden.
Nicht zuletzt hat die von der Landesregierung eingeführte Konnexität dafür gesorgt, dass die Kommunen nicht ersatzlos mit neuen Aufgaben und Ausgaben überfrachtet werden können, sondern dass bei einer Aufgabenübertragung in jedem Einzelfall ein entsprechender Kostenausgleich geprüft und gezahlt werden muss.
Zu 1.:
Wie ich bereits in früheren Antworten auf Anfragen zum Themenkomplex "kommunale Finanzen" ausgeführt habe, ist die Finanzsituation von Land und Kommunen, bedingt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, durchaus ernst. Mir ist es jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass die niedersächsischen Kommunen aufgrund der in den Vorbemerkungen erläuterten Vorarbeiten dieser Landesregierung für die sie erwartenden Herausforderungen gut gerüstet sind. Dennoch gibt es für Land und Kommunen zu einer maßvollen Ausgabenpolitik mit Augenmaß keine Alternativen. Verstärkte Konsolidierungsmaßnahmen auf Seiten von Land und Kommunen sind unabdingbar.
Zu 2.:
Zunächst ist ein Anstieg des Zinsniveaus in unmittelbarer Zukunft nach Auskunft der Nord/LB nicht zu erwarten. Mittelfristig ist lediglich mit einer allmählichen Normalisierung des Zinsniveaus zu rechnen. Und obwohl Jahr für Jahr das Schreckensbild eines sprunghaft steigenden Zinsniveaus gezeichnet wird, ist festzuhalten, dass die Durchschnittsverzinsung seit der deutschen Vereinigung stark rückläufig ist. 2010 wurde sogar ein neuer Tiefstand bei den Langfristzinsen verzeichnet.
Wir haben mit dem Blick auf das günstige Zinsniveau bereits vor einiger Zeit den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, die Zinsen für ihre Kassenkredite mit einer Laufzeit von vier Jahren zu binden. Die kommunalen Körperschaften können so auch langfristig von einem günstigen Zinssatz profitieren.
Darüber hinaus wird der Zukunftsvertrag einen Beitrag dazu leisten, bei kommunalen Körperschaften nachhaltig die Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass die Kommune ihre schwierige Lage nicht selbst verschuldet hat und bereit ist, sich für eine Verbesserung ihrer Lage nachhaltig zu engagieren. Ohne eigene Bemühungen wird es aber keine zusätzlichen Leistungen geben. Zudem halten wir an der Gewährung von Bedarfszuwei-sungen fest. Auch diese stellen eine wichtige Hilfe des Landes zur Sicherstellung der Liquidität dar.
Zu 3.:
Auch aus meiner Sicht ist eine Modernisierung der kommunalen Finanzierungssysteme unbedingt notwendig. Ich habe bereits mehrfach deutlich gemacht, dass ich eine Verbesserung und Verstetigung der kommunalen Einnahmesituation für unumgänglich halte.
Nicht zuletzt deshalb habe ich mich bereit erklärt, an der Gemeindefinanzkommission auf Bundesebene mitzuarbeiten. Die Arbeitsgruppen haben gerade ihre Arbeit aufgenommen. Die Ergebnisse werde ich mit einem von mir initiierten Beraterkreis und den betroffenen Verbänden in Niedersachsen sorgfältig analysieren und diskutieren. Und natürlich werde ich in der Kommission die Interessen Niedersachsens und seiner Kommunen im Blick behalten.
Ich darf in diesem Zusammenhang Bundeskanzlerin Merkel zitieren, die eine nachhaltige Lösung in Form einer Verstetigung der Einnahmesituation der Kommunen avisiert hat; Ergebnisse aus der Gemeindefinanzkommission hierzu sollen bereits in diesem Jahr vorliegen, damit die Entscheidung schon im Jahr 2011 Wirkung zeigen kann.
Insoweit bitte ich Sie um Verständnis, dass jetzt noch nicht der Zeitpunkt ist, konkrete Änderungsvorschläge zu unterbreiten.
Die Kommunen in Niedersachsen sind bei der amtierenden Landesregierung in besten Händen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
28.04.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010