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Schünemann: Islamistische Prediger auch in Niedersachsen Gefahr für die Demokratie

Innenminister legt Verfassungsschutzbericht vor


HANNOVER. "Die Gefahr islamistischer Terroranschlage ist unvermindert hoch", sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2009 am Mittwoch in Hannover. So sei im vergangenen Jahr eine regelrechte "Propagandaoffensive" terroristischer Organisationen festzustellen gewesen. "Es gab 2009 mehr als 20 Audio- und Videobotschaften mit Bezügen zu Deutschland. Neben Berlin und München gab es mit der Abbildung und der Erwähnung des INI (International Neuroscience Institute) auch einen Bezug zu Hannover." Nach dem Vorbild von Madrid 2004 hätten Islamisten über diese Videos versucht die Bundestagswahlen zu beeinflussen. Schünemann sagte, dass seit den 90er Jahren rund 215 Personen zwecks paramilitärischer Ausbildung ins Ausland gereist seien bzw. dies beabsichtigt hätten. "Etwa 20 dieser Personen leben derzeit in Niedersachsen", so der Minister. Es bestehe weiterhin die Gefahr, das ausgebildete und kampferfahrene Dschihadisten nach Deutschland zurückkehrten.

Schünemann verwies darauf, dass Moscheen weiterhin wichtige Kommunikationsorte für Islamisten darstellten. "Islamistische Extremisten suchen sich ihre Ideologie baukastenartig zusammen: in Moscheen und Vereinen, in Seminaren und im Internet." Dabei gebe es klare Bezüge ins Studentenmilieu, da die islamistischen Aktivisten vorwiegen junge und häufig gut gebildete Männer seien. Eine besondere Gefahr stelle der Salafismus als radikalste Ausprägung des Islamismus dar, so der Minister. "Der Salafismus gewinnt im islamistischen Spektrum zunehmend an Bedeutung. Dabei gilt den Salafisten ihr Glaube als unvereinbar mit der demokratischen Grundordnung unseres Staates." Schünemann verwies auf die Islamschule in Braunschweig an der zur Zeit mehr als 200 Studenten ein achtsemestriges Studium nach Lehrplänen der Universität Medina absolvierten. "Dabei macht der Leiter der Islamschule, Muhamed Ciftci aussagen, die unserem Verständnis von Demokratie, Toleranz und Gleichberechtigung

völlig widersprechen. Er hält etwa die Tötung von Glaubensabtrünnigen für islamisch zulässig oder propagiert die Verhüllung von Frauen." Hier bestehe die Gefahr, dass an der Islamschule in Braunschweig salafistische Multiplikatoren herangezogen werden, sagte Schünemann.

Im Bereich Rechtsextremismus gebe es in Niedersachsen einen Rückgang des Gesamtpotentials von 2.780 auf 2.195 Personen. Insbesondere NPD und DVU hätten deutlich an Mitgliedern verloren, sagte Schünemann. "Im Bundestagswahlkampf hat die NPD nur geringe Aktivitäten gezeigt. Dabei ist bei dieser Partei inzwischen ein starker Einfluss von Angehörigen neonazistischer Kameradschaften festzustellen", sagte der Innenminister. Gleichzeitig gebe es aber einer Reorganisation der Jungen Nationaldemokraten. "Die JN agiert mit insgesamt etwa 30 Mitgliedern an den vier Orten Delmenhorst, Lüneburg Osnabrück und Achim/ Verden."

In der neonazistischen Szene sei das Personenpotential mit 350 Personen gegenüber 355 im Jahr zuvor fast unverändert geblieben. "Neben die herkömmlichen Kameradschaften sind auch Aktionsgruppen getreten. Daraus resultiert ein wachsendes Selbstbewusstsein der Freien Nationalisten gegenüber der NPD. Der Trauermarsch in Bad Nenndorf etwa oder die verbotene Mai-Demonstration in Hannover wurden von Freien Nationalisten angemeldet, nicht von der NPD", sagte der Minister.

Ein neues Betätigungsfeld fänden die Rechtsextremisten auch im Internet. So gebe es etwa einen Austausch zu verschiedenen Themen in Internetforen oder Absprachen und Planungen in geschlossenen Foren. "Darüber hinaus nutzen Rechtsextremisten das Web 2.0, indem sie verschleiert Kontakt zu Jugendlichen in social communities aufnehmen oder durch Präsenz in Internet-Interessengruppen. Sie wählen dabei eine jugendspezifische Anspracheform und betätigen sich im unmittelbaren regionalen Umfeld der Jugendlichen", sagte Schünemann.

Gleichzeitig gebe es bundesweit rund 1.000 rechtsextremitsische Homepages, mit Propagandafilmen in einer jugendspezifischen Bildsprache sowie der Verbreitung verbotener oder indizierter Schriften und Filme.

Als Gegenmaßnahme nannte Schünemann die zahlreichen Aktivitäten des Verfassungsschutzes gegen rechtsextremistische Propaganda. So seien in 2009 landesweit 85 Veranstaltungen zum Thema Extremismus u. a. an Schulen durchgeführt worden. "Die Wanderausstellung Extremismus wurde seit Ende 2005 an 44 Orten gezeigt und hatte insgesamt 26.000 Besucher, davon rund 20.000 Schüler", sagte der Innenminister. Gleichzeitig kündigte er ein Hilfsprogramm für ausstiegwillige Rechtsextremisten unter dem Namen "Aktion Neustart" an. Es solle eine Ergänzung zum Aussteigerprogramm Rechts des Justizministeriums darstellen und habe als Zielgruppe vor allem junge Rechtsextremisten die noch nicht straffällig geworden seien. "Das Angebot richtet sich aber auch an Eltern, Lehrer und das soziale Umfeld des Rechtsextremisten. Ziel ist eine Schwächung des rechtsextremistischen Personenpotentials und eine Verringerung der Zahl der rechtsextremistischen Straftaten."

Schünemann betonte ebenfalls die Gefahr durch den Linksextremismus. Die Zahl der Autonomen und gewaltbereiten Linksextremisten sei in Niedersachsen erneut gestiegen: von 690 auf 720, so der Innenminister. Dabei bleibe bei Linksextremisten der "Antifaschismuskampf" das zentrale Agitationsfeld. Der "Antimilitarismus" etwa gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan rücke jedoch immer stärker in den Vordergrund. Der Minister verwies gleichzeitig auf die neue Qualität linksextremer Gewalt bei Demonstrationen, bei Gewalt gegen Polizeibeamte sowie bei Brandanschlägen auf Fahrzeuge.

Schünemann betonte, dass auch die Partei "Die Linke" in Niedersachsen weiter beobachtet werde. "Linksextremistische Gruppierungen sind weiterhin anerkannter Teil der Partei", sagte der Minister. Als Beispiele nannte er die Kommunistische Plattform, das Marxistische Forum, die Sozialistische Linke oder die AG Cuba Si. "Die Linke will ein anderes System, eine sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung errichten und stellt die Bedeutung der Parlamente für den demokratischen Rechtsstaat in Frage", sagte der Minister.

"Sie hat weiterhin ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt und es fehlt eine klare Distanzierung von der Diktatur in der DDR." Schünemann unterstrich, dass die Websites von Funktionsträger der Partei "Die Linke" mit autonomen Gruppierungen verlinkt seien, dass sie als Anmelder autonomer Demonstrationen fungierten oder sich mit gewaltbereiten Autonomen solidarisierten. "Mit dem Entwurf für ein Programm der Linken haben sich die extremistischen Kräfte in der Partei durchgesetzt. Die Forderung in diesem Entwurf nach ‚Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe’ oder die Einführung von Räten, die Parlamente überstimmen dürfen zeigt, dass sich bei der Linken nichts geändert hat", sagte der Innenminister.

Zur Pressefassung des Verfassungsschutzberichtes

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.04.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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