Pläne zur Beschleunigung von Abschiebungen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.03.2010; Fragestunde Nr. 22
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat (GRÜNE); es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Abschiebung ist die zwangsweise Rückführung von Personen, die für ausreisepflichtig befunden wurden und nicht freiwillig ausreisen wollen. Die Abschiebungen werden in Niedersachsen von den Ausländerbehörden vorbereitet und von den Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden (ZAAB) durchgeführt. Einige Personen werden auch direkt aus den Ein-richtungen der ZAAB abgeschoben. In Einrichtungen wie der ZAA Außenstelle Bramsche sollen die Menschen zunächst systematisch zu einer freiwilligen Ausreise bewegt und darauf vorbereitet werden. In deren neuester Broschüre wird damit geworben, dass gemeinsam mit den Ausländerinnen und Ausländern Perspektiven für eine Rückkehr in Würde entwickelt werden sollen. Erfolgt eine freiwillige Ausreise nicht, wird - sofern möglich - abgeschoben. Weiterhin werden bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ausreisepflichtige Personen in Haft genommen (Abschiebungshaft) und in Absprache mit der Justizverwaltung aus der Haft heraus abgeschoben.
Da Abschiebungsversuche immer wieder abgebrochen werden müssen, fordert der Innenminister auf Bundesebene seit Jahren Konsequenzen. Bei der Übernahme des Vorsitzes in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Rückführungen (AG Rück) im Jahr 2008 erklärte der niedersächsische Innenminister, den Vorsitz der Arbeitsgruppe nutzen zu wollen, "um bestehende Rückführungshindernisse zu beseitigen und die Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern zu beschleunigen". Mehr als jede zweite Abschiebemaßnahme scheitere kurz vor der Durchführung und verursache dadurch erhebliche Kosten, so der Innenminister. Von 1.360 Abschiebeersuchen konnten im Jahr 2007 nur 663 durchgeführt werden. Die häufigsten Ursachen hierfür seien laut Innenministerium, dass die Betroffenen untergetaucht seien, die Reisefähigkeit von einem Arzt nicht bestätigt wurde, Asylfolgeanträge unmittelbar vor der Ausreise gestellt oder kurzfristig die Rückübernahme z. B. in den Kosovo abgelehnt wurde.
Um die Abschiebungen voranzubringen, forderte der niedersächsische Innenminister u. a., im Verfahren der ärztlichen Begutachtung zur Feststellung der Reisefähigkeit von abzuschiebenden Personen vermehrt Fachärzte für Flugmedizin einzusetzen.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie viele Abschiebungen wurden - geordnet nach Zielländern - in Niedersachsen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 durchgeführt bzw. mussten abgebrochen werden?
- Wie viele Personen aus Niedersachsen wurden in den Jahren 2007, 2008 und 2009 im Zuge von sogenannten Sammelabschiebungen der EU entweder direkt in ihr Herkunftsland bzw. über Flughäfen anderer Mitgliedstaaten in ihr Herkunftsland abgeschoben?
- In welcher Form wurden die in der AG Rück angekündigten Pläne bereits umgesetzt?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die Ausreisepflicht einer Ausländerin oder eines Ausländers wird in einem Verwaltungsverfahren auf der Grundlage des Aufenthalts- oder des Asylverfahrensgesetzes von den zuständigen Ausländerbehörden oder dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge festgestellt. Die Entscheidungen der Behörden können in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geprüft werden.
Kommen die Betroffenen ihrer in diesem Verfahren festgestellten Pflicht zum Verlassen des Landes nicht freiwillig nach, sind die Ausländerbehörden gem. § 58 Abs. 1 AufenthG verpflichtet, die ausreisepflichtigen Personen auch gegen ihren Willen außer Landes zu bringen .
Das Verfahren der Rückführung (Abschiebung) ist rechtlich sehr anspruchsvoll, weil die damit verbundenen Zwangsmaßnahmen die Grundrechte der Betroffenen berühren. Zudem erfordern Rückführungen umfangreiche organisatorische Vorbereitungen. Diese reichen von der Stellung eines Rückübernahmeersuchen und der Passersatzpapierbeschaffung, die eine Zusammenarbeit mit den konsularischen Vertretungen aller bekannten Herkunftsländer erforderlich macht, über Flugbuchungen einschließlich der Organisation von Charterflügen, Bereitstellung von notwendigen Begleitungen durch Sicherheitskräfte oder medizinisches Personal bis hin zum Transport der Ausreisepflichtigen zum Flughafen bzw. zur Grenze ihres Heimatlandes.
Dieses Verfahren, an dem bundesweit mehrere hundert kommunale Ausländerbehörden, Bundes- und Landesbehörden beteiligt sind, erfordert einen stetigen Abstimmungsprozess. Zu diesem Zweck ist die Arbeitsgruppe Rückführung (AG Rück) von der Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder eingesetzt worden.
Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, das bundesgesetzlich geregelte Verfahren bezüglich der Rückführungen einheitlich in den Ländern umzusetzen. Des Weiteren hat sie alle mit der Vorbereitung und Durchführung der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern im Zusammenhang stehenden Fragen zu prüfen und organisatorisch zweckmäßige und wirtschaftlich günstige Lösungen zu erarbeiten.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Siehe Anlage (Excel-Tabelle)
Zu 2.:
Zielland | 2007 | 2008 | 2009 |
Nigeria | 0 | 3 | 7 |
Vietnam | 0 | 0 | 3 |
Georgien | 0 | 0 | 1 |
Sierra Leone | 0 | 0 | 1 |
Zu 3.:
Neben einer Reihe von Verfahrensabsprachen, z. B. die Organisation und Durchführung der Rückführungen in die Republik Kosovo, hat die AG Rück direkt an den bilateralen Rückübernahmeabkommen, die Deutschland mit verschiedenen Herkunftsstaaten geschlossen hat, mitgewirkt. Darüber hinaus sind unter Mitwirkung der AG Rück mehrere Rückübernahmeabkommen (der Europäischen Gemeinschaft mit verschiedenen Herkunftsstaaten) auf nationaler Ebene so umgesetzt worden, dass Rückführungen in diese Länder (z. B. in die Russische Föderation) heute in einem deutlich verbesserten kooperativen Verfahren möglich sind.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.03.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010