Nds. Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen klar Logo

Brandanschlag auf Kreisverwaltung Göttingen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2010; Fragestunde Nr. 49


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann und Patrick Humke-Focks (LINKE); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Am Morgen des 22. Januar 2010 wurde nach Polizeiangaben ein Brandanschlag auf das Gebäude der Kreisverwaltung Göttingen verübt, bei dem ein Mitarbeiter der Behörde verletzt wurde und ein Sachschaden in Höhe von 10 000 Euro entstand. Die Tat habe demnach einen politisch motivierten Hintergrund. Indiz dafür sei ein in der Nähe des Tatortes gefundenes Schreiben, in dem die Abschiebung von Flüchtlingen thematisiert und ein "Bleiberecht für alle" gefordert würden. Fünf Tage nach dem Vorfall sollen Spürhunde eine Spur von dem Gebäude der Kreisverwaltung bis vor ein Haus gefunden haben. In der am selben Tag durchsuchten Wohnung sollen laut Polizei in den Zimmern von drei Bewohnern die Hunde angeschlagen haben, nicht aber bei den Personen selbst. Die Bewohner durften der Begehung mit den Hunden nicht als Zeugen beiwohnen. Die Polizei hat nach Angaben des Rechtsanwaltes der Bewohner drei Computer, eine Tube Klebstoff und einen Filzstift beschlagnahmt. Aufgrund dieser Indizien habe die Polizei gegen vier Bewohner ein Ermittlungsverfahren wegen "Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" eingeleitet. Die Spur führe "in die linksextremistische Szene", wie Göttingens Vizepolizeipräsident Roger Fladung sagte. Zudem sei dieser ein weiterer Beleg für die steigende Gewaltbereitschaft der Linksextremisten. Die Polizei erklärte des Weiteren, dass es sich bei der benutzten "unkonventionellen Brand- und Sprengvorrichtung" um "einen szenetypischen Brandsatz" gehandelt habe. Zugleich räumte sie aber ein, dass sie in alle Richtungen ermittle und es noch keine Beweise gebe.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie stellt sich aus Sicht der Landesregierung der oben beschriebene Vorgang dar, und teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es sich um einen politisch motivierten Brandanschlag handelt und, wenn ja, mit welcher Begründung?
  2. Welche genaue Zusammensetzung hatte der benutzte Spreng- oder Brandsatz, und wie leitet die Landesregierung daraus ab, dass es sich um einen "szenetypischen Brandsatz" handelt?
  3. Welcher Spurenträger mit dem Geruch des Täters wurde den Spürhunden der Polizei vorgehalten, und in welchem Zusammenhang steht dieser mit der Tat?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Am Morgen des 22.01.2010 bemerkte ein Mitarbeiter des Landkreises Göttingen ein Feuer in der Teeküche des zweiten Obergeschosses des Landkreisgebäudes, Bereich Ausländeramt. Als die-ser den Brand mit einem Feuerlöscher bekämpfen will, kommt es beim Betreten des Raumes zu einer Verpuffung und zum Brandausbruch im gesamten Raum der Teeküche. Der Geschädigte wird durch eine Druckwelle aus der Teeküche hinausgeschleudert und dabei leicht verletzt.

In der Nähe des Brandortes wird in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang ein Schriftstück aufgefunden, das inhaltlich Bezug zur Abschiebepolitik nimmt.

Nach ersten Ermittlungsergebnissen dürfte eine im Bereich der Küche abgelegte Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung (USBV) ursächlich für die Brandentstehung und Verpuffung gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und gefährlicher Körperverletzung gegen Unbekannt ein.

Zur Aufklärung dieser Straftaten richtete die Polizeiinspektion Göttingen eine Ermittlungsgruppe ein. Im Rahmen ihrer Ermittlungen, die alle Richtungen möglicher Motivationen und Täterkreise umfassten und nach wie vor umfassen, setzte die Polizei am 27.01.2010 – in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Göttingen – Spezialhunde ein. Die aufgenommene spurenbezogene Fährte führte vom Landkreisgebäude direkt vor ein Haus in Göttingen, das auf Beschluss des Amtsgerichtes Göttingen durchsucht wurde. Zielrichtung der Durchsuchung war das Auffinden von Beweismitteln.

Mit der Durchsuchung ergab sich ein Tatverdacht gegen vier Personen, von denen die Polizei die Personalien feststellte. Es wurden verschiedene Beweismittel aufgefunden und beschlagnahmt.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Mündliche Anfrage auf Grundlage der Berichterstattung der Polizeidirektion Göttingen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Polizeiinspektion Göttingen führt ihre Ermittlungen in alle Richtungen und geht Ermittlungsansätzen konsequent nach.

Straftaten werden nach einem bundesweit gültigen Definitionssystem der Politisch motivierten Kriminalität zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder die Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie insbesondere den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten.

In einer Gesamtschau der derzeit vorliegenden Erkenntnisse zur Tat bzw. zur Tatbegehung und unter Berücksichtigung, der am Tatort hinterlassenen Botschaft, kommt die Polizeidirektion Göttingen zu der Einschätzung, dass derzeit in diesem Fall der Verdacht besteht, dass der Brandanschlag der Politisch motivierten Kriminalität -links- zuzuordnen ist.

Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.

Zu 2.:

Die am 22. Januar beim Brandanschlag im Landkreisgebäude in Göttingen zur Anwendung gekommene sogenannte USBV entspricht in ihrer grundsätzlichen Bauart – Verwendung eines Brandbeschleunigers und vergleichsweise einfacher Aufbau – im allgemeinen der bundesweit und auch in Göttingen bei linksmotivierten Brandanschlägen verwendeten USBV, die damit als "szenetypisch" eingestuft werden kann. Teilweise sind zu den Taten unter Verwendung derartiger USBV Selbstbezichtigungen ergangen, die eine Täterschaft der linksextremistischen Szene belegen. Darüber hinaus werden in einschlägigen Publikationen der linksextremistischen Szene ähnliche Brandsätze zum Nachbau beschrieben.

Aus Rücksicht auf eine Gefährdung des Ermittlungserfolges können derzeit keine weiteren Angaben im Sinne der Fragestellung gemacht werden.

Zu 3.:

Der den Spezialhunden als Geruchsprobe dienende Spurenträger steht nach kriminalistischer Bewertung im unmittelbaren Zusammenhang zur Tat.

Aus Rücksicht auf eine Gefährdung des Ermittlungserfolges können derzeit keine weiteren Angaben im Sinne der Fragestellung gemacht werden.

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.02.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln