Artikel-Informationen
erstellt am:
19.02.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns und Hans-Christian Biallas (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sieht keine Möglichkeit, eine an jugendliche Wähler gerichtete Musik-CD der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD) zu verbieten. Das Verfahren zur Überprüfung war vom Landeskriminalamt Niedersachsen initiiert worden.
Die Platte ist als "Schulhof-CD" ein wichtiger Bestandteil der Jugendarbeit der NPD. Unter dem Titel "BRD vs. Deutschland" sind auf der CD mehrere Interviews mit NPD-Mitgliedern und rechten Sängern veröffentlicht. Die Textbeiträge werden von zwölf Liedern unterbrochen, z. B. von rechtsgerichteten Bands wie "Division Germania" oder "Noie Werte". Weil die kostenlose CD nicht verboten wurde, darf sie nun weiterhin legal an Kinder und Jugendliche verteilt werden. So kann die NPD auch zukünftig ihre Strategie verfolgen, mit jugendkompatibler Musik Erstwähler für ihr radikales Gedankengut zu gewinnen.
Seit 2004 veröffentlicht die Partei in regelmäßigen Abständen Alben mit einfacher Musik und noch einfacheren Thesen: "Wer Wahrheit spricht, verliert", zum Beispiel oder auch: "Es ist Zeit zu rebellieren." Geändert hat sich allerdings die interne Strategie in der rechtsextremen Jugendarbeit. Waren die Inhalte der früheren Platten noch so radikal, dass sie regelmäßig Gerichte beschäftigten, haben sich die Verantwortlichen mittlerweile dafür entschieden, die radikalsten Spitzen ihrer politischen Botschaft zwischen den Zeilen zu verstecken, um dadurch Verboten und Urteilen zu entgehen und eine größere Verbreitung ihrer CDs zu ermöglichen. Außerdem bieten die Rechtsextremen ihre Lieder auch im Internet zum kostenlosen Download an.
Die Leiterin der Prüfstelle, Elke Monssen-Engberding, sagte, man habe bei der Abwägung zwischen Jugendschutz und Meinungsäußerung nicht genügend Argumente für ein Verbot gefunden. Die Songs und Interviews auf der CD bewegten sich stets im Rahmen der zulässigen Meinungsäußerung. Die Prüfstelle dürfe Medien auch nicht ausschließlich aufgrund politischer Inhalte verbieten.
Die Rechtsextremen feiern derweil im Internet. Auf der NPD-Parteiseite meldete sich Frank Schwerdt, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, zu Wort. Schwerdt arbeitet seit Jahren im Bereich der rechtsextremen Jugendpolitik. Der NPD-Funktionär ist im Rahmen dieser Aufgabe bereits vorbestraft, u. a. wegen Volksverhetzung, Herstellung und Verbreitung von NS Propagandamaterial sowie wegen Verwendung von Kennzeichen verbotener Organisationen.
Wir fragen die Landesregierung:
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Die NPD ist eine neonazistische Partei. Sie verfolgt das Ziel einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft. Zur Verwirklichung dieses Ziels hat sie die von ihr so bezeichnete Drei-Säulen-Strategie entwickelt, die sich auf drei Handlungsebenen erstreckt: Die NPD führt nach eigenem Bekunden einen Kampf um die Straße, einen Kampf um die Köpfe und einen Kampf um die Parlamente. Im Rahmen dieser Strategie ist die Produktion und Verteilung von so genannten Schulhof-CDs für zwei Handlungsebenen von Bedeutung. In kurzfristiger Perspektive soll die Verbreitung von Schulhof-CDs Wähler aus dem jugendlichen Bereich mobilisieren, in mittelfristiger Perspektive das Denken junger Menschen im Sinne der neonazistischen Zielsetzungen der NPD beeinflussen. NPD-Strategen verbinden hiermit die Vorstellung von der Erringung der kulturellen Hegemonie.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Aufgabe der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ist u.a. die Indizierung jugendgefährdender Medien auf Antrag von Jugendbehörden und der Kommission für Jugendmedienschutz bzw. auf Anregung von anderen Behörden oder anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe. Die BPjM entscheidet über die Jugendgefährdung von Medien (Träger- und Telemedien) und trägt diese in die Liste der jugendgefährdenden Medien ein (Indizierung).
Eine Bewertung der Schulhof-CD "BRD vs. Deutschland" der NPD in Hinsicht auf ihren jugendge-fährdenden Charakter ergibt sich aus Sicht der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde aus der Analyse der "Gesamtkomposition" und der Intentionen der Initiatoren. Bei der CD handelt es sich um kein plakatives Machwerk, sondern um eine subtile Form der Propagandavermittlung. Die Herausgeber der CD haben aus einer Vielzahl von möglichen Titeln eine bewusste Auswahl getroffen, um auf suggestive Art und Weise die politischen Aussagen zu unterstreichen. Die beabsichtigte Wirkung entfaltet nicht der einzelne Musiktitel, sondern der propagandistische Sog, in den der Konsument gezogen werden soll. In dem Begleitheft setzt die NPD dem aus ihrer Sicht dekadenten System ihre Vorstellung von einer Volksgemeinschaft entgegen.
Nach einer umfangreichen inhaltlichen Überprüfung der CD durch das Landeskriminalamt Niedersachsen bestand der Verdacht, dass gemäß § 18 Abs. 1 Jugendschutzgesetz (JuSchG) die Inhalte geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Nach Bewertung des Landeskriminalamtes gibt es Anhaltspunkte, dass die CD insgesamt ein zu Gewalttätigkeit, Ausländerfeindlichkeit und zum Widerstand gegen das bestehende demokratische System subtil anreizendes Medium darstellt.
Zuvor hatte auch das Niedersächsische Justizministerium (MJ) eine rechtliche Bewertung der Inhalte der CD vorgenommen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass Straftatbestände des Strafgesetzbuches nicht betroffen sind. Gleichwohl wurde vor dem Hintergrund des Verdachts der Jugendgefährdung durch MJ empfohlen, eine entsprechende Entscheidung der BPjM herbeizu-führen. Aus diesen Gründen erfolgte unter Darstellung einer dezidierten Begründung eine Anre-gung auf Indizierung und Aufnahme der CD in die Liste der jugendgefährdenden Medien durch das Landeskriminalamt Niedersachsen.
Durch die BPjM wurde dem Landeskriminalamt zunächst mitgeteilt, dass in der Sitzung des sog. 12er-Gremiums entschieden wurde, die Schulhof-CD der NPD "BRD vs. Deutschland" nicht zu indizieren. Seit gestern liegt die ausführliche schriftliche Begründung der Entscheidung vor; diese wird zurzeit bewertet.
Die niedersächsische Landesregierung bedauert die Entscheidung der BPjM; inwieweit Schritte gegen die Entscheidung unternommen werden können, wird zurzeit noch geprüft.
Zu 2.:
Die NPD und ihre Jugendorganisation JN sehen in Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein erhebliches Rekrutierungs- und Mobilisierungspotential, das sie mit jugendspezifischen Publikationen wie Comics und Schulhof-CDs zu umwerben versuchen. Ansonsten siehe Vorbemerkungen.
Zu 3.:
Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages klärt der Niedersächsische Verfassungsschutz seit Jahren die Öffentlichkeit, insbesondere junge Menschen, über verfassungsfeindliche Bestrebungen auf. Die einzelnen Maßnahmen sind eingebettet in ein umfassendes Gesamtkonzept, das die Maßnahmen aufeinander abstimmt und mit den vielfältigen in Niedersachsen im Bereich der Prävention tätigen Institutionen vernetzt.
Alle bisherigen und zukünftigen Aktivitäten des Verfassungsschutzes in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Prävention und Beratung werden mit der im Jahr 2009 in der Verfassungsschutzabteilung eingerichteten "Niedersächsischen Extremismus-Informations-Stelle" (NEIS) noch stärker gebündelt. Ein wesentlicher Bestandteil des durch das NEIS koordinierten Gesamtkonzeptes sind u.a. die vom Niedersächsischen Verfassungsschutz konzipierte und seit 2005 kontinuierlich gebuchte Wanderausstellung "Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus – Unsere Demokratie schützen". Seit Beginn des Jahres 2010 ist diese Ausstellung um den Themenbereich Linksextremismus erweitert worden und nun unter dem Titel "Verfassungsschutz gegen Extremismus – Demokratie schützen vor Rechts- und Linksextremismus" zu sehen. Die Ausstellung gibt unter anderem einen Überblick über die aktuellen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und richtet sich vorrangig an Schüler und Jugendliche. In Führungen durch geschulte Mitarbeiter der Verfassungsschutzabteilung bekommen die Besucher einen Einblick in die rechtsextremistische Jugendszene mit ihrer Symbolik, der emotionalen Wirkung rechtsextremistischer Musik und den medialen Angeboten der rechten Szene. In den bisherigen 42 Ausstellungsorten konnten bislang über 25.000 Besucher durch die Ausstellung geführt werden. Bis Ende 2010 sind feste Termine mit acht weiteren Ausstellungsstandorten vereinbart. Anfragen für das Jahr 2011 liegen bereits vor.
Um insbesondere Schüler und Jugendliche über die Gefahren des Extremismus aufzuklären, intensiviert der Niedersächsische Verfassungsschutz im Rahmen der Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit bereits seit Anfang 2004 an niedersächsischen Schulen und Bildungseinrichtungen Vortrags- und Informationsveranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus. Die fortlaufenden Vortragsveranstaltungen über aktuelle Entwicklungen und Erscheinungsformen der rechtsextremistischen Szene dienen der Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern, aber auch Multiplikatoren wie Pädagogen, Eltern und Jugendgruppenleitern. Im Mittelpunkt solcher Vortragsveranstaltungen steht - neben der wichtigen Auseinandersetzung mit der volksverhetzenden, fremdenfeindlichen, rassistischen und zu Gewalttaten aufrufenden Skinhead-Musik – seit einiger Zeit auch die Information und Aufklärung über die neuen Aktionsformen der Neonaziszene wie z.B. die "Autonomen Nationalisten". Die teilweise in Kooperation mit den örtlichen Polizeidienststellen, Präventionsräten und sonstigen Initiativen durchgeführten Veranstaltungen finden seit Jahren positive Resonanz. Seit Beginn dieser Maßnahme ist eine kontinuierlich steigende Nachfrage an zielgruppenorientierten Vorträgen in Schulen zu verzeichnen.
Zudem läuft seit Juni 2005 in enger Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Kultusministerium, dem Niedersächsischen Landesamt für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS) und der Landesschulbehörde eine gemeinsame Fortbildungsreihe für Lehrkräfte mit Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen in verschiedenen Regionen des Landes. Die zentralen Lehrerfortbildun-gen werden fortan mit den Präsentationsorten der Wanderausstellung verknüpft, um den Wirkungsgrad der Wanderausstellung zu erweitern. Die Lehrkräfte erhalten so bereits im Vorfeld einen umfangreichen Einblick in die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und haben damit die Möglichkeit den Besuch der Ausstellung mit den jeweiligen Schülern fundiert vorzube-reiten. Im Mittelpunkt der Lehrerfortbildung steht auch hier die Information über die Gefahren des Rechtsextremismus und die aktuelle Entwicklung, die von Referenten der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde vorgetragen werden. Gleichzeitig sollen die Veranstaltungen dazu beitragen, dass in den Schulen geeignete Aktivitäten und Projekte gegen den Rechtsextremismus initiiert und nachhaltig verankert werden. Mit weiteren Multiplikatorenschulungen greift der Niedersächsische Verfassungsschutz eine wichtige Zielgruppe auf, denn eine nachhaltige Wertevermittlung und Aufklärung setzt die stetige Information über den Rechtsextremismus bei Multiplikatoren, wie Lehrern, Jugendgruppenleitern und Mitarbeitern von politischen Bildungs-einrichtungen voraus.
Der Niedersächsische Verfassungsschutz beteiligt sich darüber hinaus in Kooperation mit der Integrationsabteilung im Innenministerium an der Durchführung von Jugendkongressen in Niedersachsen. Mitarbeiter der Verfassungsschutzabteilung bieten bei diesen ganztägigen Veranstaltungen für Schulen eigene Workshops zu allen Extremismusbereichen, so auch zu konkreten Themenschwerpunkten des Rechtsextremismus wie rechtsextremistische Musik und Rechtsextremismus im Internet am Beispiel der Neonazi-Szene, an. Nach der Auftaktveranstaltung 2008 in Braunschweig haben im Jahr 2009 zwei Jugendkongresse in Aurich und Celle stattgefunden. Auch für 2010 sind weitere Veranstaltungen bereits in Planung.
Die vom Niedersächsischen Verfassungsschutz herausgegebene Broschüre "Rechtsextremis-tische Skinheads, neonazistische Kameradschaften und Rechtsextremistische Musik" wird in komplett überarbeiteter Version bereits in zweiter Auflage angeboten. Die Broschüre dient bislang vielen Lehrern als Unterrichtsmaterial und wird ausstellungs- und vortragsbegleitend verteilt. Eine Aktualisierung, die insbesondere auch den Bereich der "Autonomen Nationalisten" hervorhebt, ist derzeit in Planung.
Zudem wird an der Erstellung jugendgerechter Publikationen gearbeitet. In Kooperation mit dem Land Nordrhein-Westfalen soll der dort bereits erfolgreich für die Arbeit mit Jugendlichen angebotene "Andi-Comic" übernommen und auf niedersächsische Besonderheiten angepasst werden.
Als weiteres Unterrichtsmaterial soll eine Grundrechtefibel erarbeitet werden, die sich insbesondere an jüngere Schülerinnen und Schüler richtet. Sie kann als Unterstützung und Anleitung zur Wertevermittlung und -erziehung bei Kindern im Grundschulalter dienen.
Mit einer verstärkten Bekämpfung des Rechtsextremismus durch eine gemeinsame Kampagne von Politik, Organisationen, Verbänden und Vereinen unter dem Motto "Niedersachsen ist stark – gemeinsam gegen Rechtsextremismus" soll über das NEIS einem Einfluss durch Rechtsextremisten entgegenwirkt und gesellschaftliches Engagement und Aufklärungsarbeit gefördert werden.
Mit den geschilderten Aktivitäten richtet sich der Niedersächsische Verfassungsschutz im Rah-men seines präventiven Gesamtkonzeptes gezielt an junge Menschen und leistet damit einen wichtigen Beitrag bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.
Die niedersächsischen Polizeibehörden wurden durch das Landeskriminalamt in Bezug auf die Inhalte der Schulhof-CD sowie die Entscheidung der BPjM lageangepasst informiert und sensibilisiert.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Verbreitung von rechtsextremistischem Propagandamaterial an Schulen arbeiten die Polizeidienststellen und Fachkommissariate des Polizeilichen Staatsschutzes eng mit den örtlichen Schulen zusammen und stehen dabei in einem ständigen Informationsaustausch. Darüber hinaus bietet die Polizei im Bedarfsfall z.B. Unterstützung bei der Durchsetzung des Hausrechtes sowie hinsichtlich der inhaltlichen Überprüfung von verteilten Tonträgern. In der Vergangenheit kam es vor, dass Exemplare einer Schulhof-CD der NPD verbreitet wurden, die trotz identischem Cover unterschiedliche Inhalte aufwiesen.
Auch unabhängig von der o.g. Verteilung der Schulhof-CD steht die niedersächsische Polizei Kindern und Jugendlichen als ein wichtiger und kompetenter Ansprechpartner zum Thema Rechtsextremismus auf örtlicher Ebene zur Verfügung. Im Rahmen einer Informations- und Aufklärungskampagne informiert die Polizei Schülerinnen und Schüler über Erscheinungsformen des Rechtsextremismus aus polizeilicher Sicht. Vordringliches Ziel ist es dabei, das Problembewusstsein der Kinder und Jugendlichen zu schärfen. Sie lernen die Vorgehensweise und Gefahren des Rechtsextremismus frühzeitig zu erkennen und handlungssicher und couragiert auch auf rechte Gewalt zu reagieren.
Auch in Niedersachsen wird die bundesweite Informations- und Aufklärungskampagne "Wölfe im Schafspelz" vom Programm Polizeiliche Kriminalprävention flächendeckend umgesetzt. In diesem Zusammenhang wurde von der Polizei ein Medienpaket für Schüler ab ca. 13 Jahren, welches aus dem Spielfilm "Platzangst", einem Filmbegleitheft und der Dokumentation "Rechtsextremismus heute – zwischen Agitation und Gewalt" besteht, an die weiterführenden Schulen in Niedersachsen ausgegeben. Der Film soll Schülern ab der 7. Klasse als Informations- und Diskussionsgrundlage dienen. Das Filmbegleitheft gibt Literaturhinweise und methodisch-didaktische Hinweise für Lehrkräfte. In der Dokumentation werden weitere Informationen zum Thema für Schüler ab der 9. Klasse und für Lehrer dargestellt.
In Niedersachsen wurden mehr als 3.000 Medienpakete verteilt. Zu dieser Kampagne gehörte auch ein Kreativwettbewerb für Schulklassen und Jugendgruppen, der das Drehen eines "TV-Spots gegen Rechts" beinhaltet. In Niedersachsen haben 24 Teams an dem Wettbewerb teilgenommen. Auch nach Abschluss des Kreativwettbewerbs im April 2007 wird das Medienpaket in Schulen eingesetzt.
Die im Landeskriminalamt Niedersachsen eingerichtete Hotline gegen Rechts (0511/26262-6060) steht den Bürgern und damit auch den Kindern und Jugendlichen rund um die Uhr zur Verfügung. Anrufer können neben der Möglichkeit Informationen zum Thema Rechtsextremismus und entsprechenden präventivpolizeilichen Maßnahmen oder Initiativen zu erhalten, auch Hinweise auf rechtsextremistische Vorfälle und Straftaten an die Polizei geben.
Durch das Landeskriminalamt Niedersachsen wurde zur Unterstützung und Information aller Polizeibeamtinnen und -beamten in Niedersachsen ein umfangreicher "Ratgeber gegen Rechtsextremismus" erstellt, welchem Hintergrundinformationen zum Thema sowie Präventionstipps entnommen werden können. Dieser Ratgeber soll den Polizeibeamtinnen und -beamten, die nicht täglich mit dem Thema Rechtsextremismus befasst sind, als Orientierungshilfe im Umgang mit diesem vielschichtigen Problembereich dienen und ihnen dazu Informationen, Handlungsmöglichkeiten und Handlungssicherheit vermitteln. Die Ordner wurden vor kurzem an die Polizeidienststellen ausgeliefert.
Neben den niedersächsischen Sicherheitsbehörden ist das Kultusministerium in der Aufklärung von Kindern und Jugendlichen über Rechtsextremismus aktiv. Die Vermittlung von Werten wie Demokratie und Weltoffenheit an Schulen ergibt sich aus der Niedersächsischen Verfassung und aus dem Bildungsauftrag des Niedersächsischen Schulgesetzes. Sie ist Teil des schulischen Zusammenlebens und des gemeinsamen Arbeitens sowie des fachbezogenen Unterrichts. Insbesondere im geschichtlich-sozialen Fachbereich enthalten die Lehrpläne Beschreibungen verbindlich erwarteter Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern. Seit dem 1.8.2008 sind für die Schulformen des Sekundarbereichs I z.B. neue Kerncurricula für die Fächer Geschichte, Erdkunde und Politik in Kraft getreten, die sich derzeit in der Umsetzung befinden und die genannten Werte einfordern.
Durch die Vergabe des jährlich durch das Kultusministerium ausgelobten Schülerfriedenspreises werden zudem Projekte gewürdigt, die die erfolgreiche Vermittlung dieser Werte dokumentieren.
Das Netzwerk "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" (SOR–SMC) richtet sich gegen jede Form der Diskriminierung und der Ausgrenzung an Schulen. In Niedersachsen sind 102 Schulen fast aller Schulformen an dem Projekt beteiligt. Bundesweit tragen ca. 650 Schulen die Auszeichnung. Zur Verleihung des Titels ist es notwendig, dass 70 % der Schulangehörigen (Schüler, Lehrer, Hausmeister usw.) die Grundsätze von SOR-SMC unterstützen und ein Projekt gegen Rassismus und Diskriminierung durchführen. Die Schule muss außerdem jährlich ein weiteres Projekt zur Thematik nachweisen.
Die Landeskoordination von SOR-SMC ist seit Oktober 2007 beim Koordinator für Jugend und politische Bildung im Kultusministerium angesiedelt. Zu den Aufgaben gehört die Begleitung und Auszeichnung der Schulen. Pro Jahr kommen zehn bis zwölf Schulen zum Netzwerk hinzu. Die Werbung erfolgt überwiegend durch Informationsweitergabe von Schule zu Schule. Außerdem informiert der Verfassungsschutz bei seinen Veranstaltungen über SOR-SMC.
Die Bundeskoordination bietet vielfältige Formen der Unterstützung durch Materialien und Tagungen an (www.schule-ohne-rassimus.org). Im April 2010 wird in Verden ein Vernetzungstreffen von Vertretern der SOR-SMC-Schulen in Niedersachsen mit ca. 200 Teilnehmenden stattfinden.
Darüber hinaus soll das Beratungsnetzwerk für SOR-SMC in Niedersachsen wieder aktiviert werden, um die Schulen vor Ort zu unterstützen. Zukünftig sollen noch mehr Hauptschulen und Berufsbildende Schulen in das SOR-SMC-Projekt eingebunden werden.
Des weiteren sind das Kultusministerium sowie die niedersächsischen Sicherheitsbehörden in das neue Beratungsnetzwerk "Kompetent für Demokratie – Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus" eingebunden. Das Beratungsnetzwerk ist beim Landespräventionsrat angesiedelt. Mit Rat und direkter Hilfestellung bieten die Expertinnen und Experten vor Ort Unterstützung gegen Rechtsextremismus an. Sie unterstützen Menschen in Problemsituationen mit rechtsextremistischem, fremdenfeindlichem oder antisemitischem Hintergrund. Gemeinsam mit den Betroffenen erarbeiten sie Strategien und Konzepte zur Entschärfung und künftigen Vermeidung solcher Konflikte. So helfen sie, schwierige Situationen aufzufangen und eine dauerhafte Lösung zu finden. Das Kultusministerium bietet vor allem sein Netzwerk der SOR-SMC-Schulen an.
Mit der schulischen Gewaltprävention wurde das Projekt "Respekt" konzipiert. Es handelt sich dabei um Musikworkshops, die von Profi-Musikern und Musikpädagogen mit Erfahrungen in der offenen Jugendarbeit sowie der Arbeit mit Jugendlichen ohne musikalische Vorerfahrung durchgeführt wurden.
Ziel ist die Entwicklung eigener Songs, die sich mit den Themen Toleranz und Verständigung beschäftigen. Bei der Entwicklung von Texten wird die Rezeptionserfahrung der Jugendlichen mit deutschen Texten und Reimen aus der Hip Hop-, Break Dance- und Rap-Szene, aber auch aus dem Umfeld von deutschen Songwritern und Liedermachern berücksichtigt und bewusst mit einbezogen. Die Projektidee resultiert aus einem gemeinsam mit dem Landeskriminalamt entwickelten Konzept mit dem Titel "PräGeRex" zur Prävention gegen rechtsextremistische Gewalt. Das Teilprojekt "Farbe bekennen! - Songs für Toleranz und Verständigung" wurde in der Modell-Region Wiesmoor erstmals im Juni 2002 begonnen. Dabei stand die inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Einstellungen und Verhaltensweisen im Vordergrund. In der gemeinsamen Arbeit in multikulturellen Musikgruppen unter der Anleitung eines deutsch-türkischen Dozententeams wurden Toleranz und Verständigung als positive Werte hervorgehoben. Die konzeptionelle Betreuung übernahm dabei der Landesmusikrat durch die Bereitstellung erfahrener Dozenten sowie der Instrumente des Musikmobils.
Darüber hinaus sind Gedenkstätten zur Erinnerung an die NS-Verbrechen unverzichtbare außerschulische Lernorte einer historisch fundierten Demokratieerziehung in Niedersachsen. Sie leisten einen grundlegenden Beitrag zur wertbildenden Sensibilisierung aller Bevölkerungsschichten, insbesondere von Jugendlichen, in der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und ihren Folgen.
Das Land Niedersachsen hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten wesentliche Voraussetzungen für eine aktive Gedenkstättenarbeit geschaffen. Entstanden ist eine im Bundesvergleich singuläre historisch-politische Forschungs-, Ausstellungs- und Bildungstätigkeit an zahlreichen historischen Orten der NS-Verbrechen.
Durch die Gründung der "Stiftung niedersächsische Gedenkstätten" im November 2004 per einstimmig im Landtag verabschiedetem Gesetz hat das Land Niedersachsen die besondere Bedeutung der NS-Erinnerungsarbeit für die Bildungs-, Forschungs- und politische Kultur des Landes unterstrichen. Die Stiftung ist verantwortlich für die Gedenkstätten Bergen-Belsen und Wolfenbüttel, sie fördert regionale Gedenkstätten in privater Trägerschaft und sie ist zuständig für die Dokumentation und Erforschung des Nationalsozialismus sowie seiner Nachwirkungen.
Neben der Gedenkstätte Bergen-Belsen sind derzeit an zwölf weiteren Standorten in Nieder-sachsen Gedenkstätten mit festen Ausstellungen und zumindest temporärem Bildungsangebot aktiv. Alle Orte verstehen sich als aktive Lern- und Bildungsorte, an denen die Erarbeitung des historischen Geschehens durch gegenwartsorientierte Fragestellungen kontextualisiert wird. Aspekte wie Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit oder die Zerstörung demokratischer Strukturen sind dabei von grundlegender Bedeutung.
Bereits seit Anfang 2008 wird in Bergen-Belsen im Rahmen des aus Mitteln des Europäischen Sozial Fonds (ESF) finanzierten Projekts "Entrechtung als Lebenserfahrung" untersucht und erprobt, wie Fragen der Menschenrechtserziehung in Verbindung mit den NS-Verbrechen vermittelt werden können. Dieses Pilotprojekt richtet sich ausdrücklich an Jugendliche aus bildungsschwachen Schichten, mit Migrationshintergrund und mit defizitären Demokratieerfahrungen.
Die Gedenkstättenarbeit befindet sich mehr als 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an einer Epochenwende. Mit dem Ende der Zeitzeugenschaft wächst die Bedeutung der authentischen Orte und damit der Gedenkstätten. Nur vertiefende Forschung und zukunftsorientierte Bildungskonzepte können angemessene Antworten auf die wachsende zeitliche Distanz zum Zivilisationsbruch der NS-Verbrechen darstellen. Zu den Aufgaben der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten gehört dabei unabdingbar die gegenwartsbezogene Reflexion der historischen Aufklärung an den ehemaligen Verbrechensorten.
Die Landesregierung wird ihrer Verantwortung für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe weiterhin gerecht werden und mit einer jährlichen Finanzhilfe an die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, ergänzt durch die ab 2009 avisierte institutionelle Förderung des Bundes für die Gedenkstätte Bergen-Belsen, den finanziellen Grundstock für die Fortsetzung und den weiteren Ausbau der Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen bereitstellen.
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erstellt am:
19.02.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010