Kommunale Finanzen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26.11.2009; Fragestunde Nr. 35
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hans-Jürgen Klein und Miriam Staudte (GRÜNE); es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Das Landeskabinett hat beschlossen, ab 2012 mit jährlich 70 Millionen Euro Fusionskommunen bei der Entschuldung von 75 % ihrer Kassenkredite zu helfen. Der Betrag soll je zur Hälfte vom Land und von den Kommunen selbst zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund widersprüchlicher Aussagen ist unklar, wie die Übernahme der Kassenkredite durch das Land finanztechnisch und haushaltsrechtlich gestaltet werden soll, zumal nach eigenen Aussagen des Innenministers Verpflichtungen übernommen werden müssen, die sich "wahrscheinlich über 20 Jahre erstrecken".
In der Fragestunde der Landtagssitzung vom 30. Oktober 2009 erklärt Minister Schünemann, dass bereits im Haushalt 2010 (?) für sich abzeichnende Verträge "entsprechende Verpflichtungsermächtigungen eingestellt werden". Sein Pressesprecher erklärt dagegen unter Verweis auf einen aktuellen Entwurf des Zukunftsvertrages zwischen Land und Kommunen, dass die Mittel "in einem Sonderfonds zur Rückführung von Liquiditätskrediten für Kommunen" zur Verfügung gestellt werden. In einem Brief des Innenministers an Bleckedes Bürgermeister heißt es, dass die Landesregierung die betroffenen Kommunen "dauerhaft entlasten" will. In der schon angesprochenen Fragestunde führt er aus: "Es ist klar, dass wir die Kassenkredite nicht in einer Summe übernehmen. (…) Wir müssen stattdessen sehr genau schauen, wie diese Kommunen in der Zukunft reagieren. Das heißt, wir werden diese Schulden nicht als originäre Landesschulden übernehmen." Diese Formulierung legt nahe, dass die Übernahme des Schuldendienstes auch widerrufen werden kann, wenn z. B. die neue Kommune in ihrem Sparwillen erlahmt. Der Pressesprecher Engemann hingegen erklärt in der Landeszeitung vom 16. November 2009: "Das Land übernimmt die Kassenkredite auf einen Schlag.
Das war von Anfang so geplant, und das wird auch so bleiben." Die Aussage der Grünen Abgeordneten Miriam Staudte, dass das Land lediglich 75 % der Zins- und Tilgungsleistungen zahlt, erklärt er bei dieser Gelegenheit für "blanken Unsinn". In der Fragestunde führte der Innenminister auch aus, dass mit der geplanten Hilfe künftig auch "nach relativ kurzer Zeit - ich sage einmal: vielleicht in fünf, sechs Jahren" keine Bedarfszuweisungen mehr zur Verfügung gestellt werden müssen. Dabei blieb offen, ob das für alle Kommunen gelten soll, oder sich nur auf die entlasteten Gebietskörperschaften bezog.
Wir fragen die Landesregierung:
- Wie wird die geplante Schuldenhilfe inhaltlich und zeitlich, finanztechnisch und haushaltsrechtlich bereitgestellt, veranschlagt, im Landesetat abgesichert, ausgezahlt und abgerechnet?
- Bleiben die zu entlastenden Kommunen bei der Übernahme des Schuldendienstes durch das Land weiterhin Vertragspartner des Kreditgebers und damit haftbar für alle Ansprüche aus diesem Kreditgeschäft, einschließlich des Risikos, dass das Land seine Zusage zur Übernahme des Schuldendienstes zurückzieht?
- Wie wird sich das Konzept der konkreten Schuldenhilfe auf die Höhe und inhaltliche Gestaltung der bisherigen Bedarfszuweisungen auswirken, sowohl in Bezug auf den Gesamttopf als auch in Bezug auf die entlasteten "neuen" Kommunen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Auf der Grundlage eines Kabinettsbeschlusses vom 03.03.2009 hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration mit den kommunalen Spitzenverbänden eine gemeinsamen Erklärung zur Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Kommunen (Zukunftsvertrag) verhandelt. Diesem Zukunftsvertrag hat die Landesregierung mit Beschluss vom 24.11.2009 zugestimmt. Nach der grundsätzlichen Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände im September/Oktober 2009 wird die endgültige Zustimmung auf der Basis des Kabinettsbeschlusses vom 24.11.09 demnächst erwartet. Die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände verabreden mit diesem Vertrag den Ausbau eines Instrumentariums zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften und damit auch einen Beitrag zur Entspannung der strukturellen Finanzprobleme einzelner Kommunen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Prinzip der bürgernahen Durchführung öffentlicher Aufgaben, die Möglichkeit einer kommunalen Entschuldung als zentraler Baustein für eine zukunftsfähige Ausrichtung zahlreicher strukturschwacher Gemeinden und Landkreise sowie eine ressortübergreifende Strukturpolitik mit den Kommunen des Landes.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Zur Finanzierung eines Fusionsförderungs- und Entschuldungsprogramms, mit dem der prekären Finanzlage zahlreicher Kommunen wirkungsvoll begegnet werden kann, sollen ab dem Jahr 2012 jährlich bis zu 70 Mio. Euro in einem Sondervermögen (Entschuldungsfonds) bereitgestellt werden. Die Entschuldungshilfen müssen von den kommunalen Gebietskörperschaften spätestens bis zum 31.10.2011 beantragt werden. Die Hälfte des Betrages erbringt die kommunale Ebene durch Inanspruchnahme des kommunalen Finanzausgleichs als Ausdruck der gelebten Solidarität zwischen dem Land und seinen Kommunen. Die Einzelheiten des Modells werden mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart. Die konkrete Ausschöpfung der Beträge ist abhängig vom Umfang der Angebotsinanspruchnahme und der im jeweiligen Einzelfall unabweisbar erforderlichen Entschuldungshöhe. Die Entschuldungshilfe wird individuell mit den einzelnen Kommunen vereinbart.
Die erforderlichen haushaltsrechtlichen Genehmigungen sind rechtzeitig herbeizuführen.
Zu 2.:
Die Ausgestaltung der Haftung bedarf noch der Erarbeitung einer Regelung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Eine einseitige Rücknahme der Verpflichtung zur Entschuldungshilfe von seitens des Landes ist auf Wunsch der kommunalen Spitzenverbände für die individuellen Verträge mit den Kommunen nicht vorgesehen.
Zu 3.:
Das Konzept der Schuldenhilfe wird sich auf die Bedarfszuweisungen weder inhaltlich noch der Höhe nach direkt auswirken. Der Bedarfszuweisungsfonds ist abhängig von den im Kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung stehenden Mitteln. 1,6 v.H. der jährlichen Zuweisungsmasse wird für Bedarfszuweisungen bereitgestellt. Es ist nicht beabsichtigt, diesen gesetzlich verankerten Anteil zu verändern. Im Übrigen ist auch Ziel der Entschuldungshilfe, dass Kommunen danach keine Bedarfszuweisungen mehr benötigen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
02.12.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
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