Atomtransporte in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26.11.2009; Fragestunde Nr. 8
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ina Korter und Elke Twesten (GRÜNE); es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Inzwischen verdichten sich Hinweise, dass der in Kürze anstehende Transport plutoniumhaltiger MOX-Brennelemente aus der Wideraufbereitungsanlage Sellafield zum niedersächsischen Atomkraftwerk Grohnde über den Hafen der Firma Rhenus Midgard in Nordenham abgewickelt werden soll. Von diesen Transporten gehen hohe Gefahren aus.
In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage "Umschlag von radioaktiven Stoffen im Cuxhavener Hafen" des Abgeordneten Hans-Jürgen Klein am 28. August 2009 hat Innenminister Schünemann jegliche Zuständigkeit des Landes verneint. "Das heißt, die Niedersächsische Landesregierung hat überhaupt keinen Einfluss auf die Durchführung dieses Transports. Wir werden als Innenbehörde lediglich in dem Sinne beteiligt, dass abgefragt wird, ob der Termin aus Sicherheitsgründen in irgendeiner Weise problematisch ist. Das ist unsere Beteiligung….", so Innenminister Schünemann gemäß Plenarprotokoll (Seite 5 500).
Dieser Darstellung widerspricht das vom Innenminister für zuständig erklärte Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): Nach einem Bericht des Weser-Kurier vom 8. September 2009 erklärt das BfS, Route und Zeitpunkt des Transports würden zwischen dem vom Energieversorger beauftragten Transporteur und der Landespolizei abgestimmt. Festlegungen zur Transportabwicklung würden dem BfS von der Polizei vorgegeben.
Inzwischen haben sowohl das Land Bremen als auch die private Cuxhavener Hafengesellschaft Cuxport den Transport der MOX-Brennelemente über ihre Häfen abgelehnt. Auch dieses lässt Planungen des Transports über den Hafen in Nordenham wahrscheinlicher erscheinen.
Wir fragen die Landesregierung:
- Welche Kenntnisse hat sie über einen Transport von MOX-Brennelementen aus Sellafield über den Hafen in Nordenham, bzw. liegt für einen solchen Transport bereits ein Antrag/eine Anfrage vor?
- Nach welchen Kriterien werden die Eignung bzw. Nichteignung eines Hafens für die Anlandung und anschließende Verladung von MOX-Brennelementen und die Eignung einer potenziellen Transportstrecke zwischen dem Anlandungshafen und dem Kernkraftwerk Grohnde festgestellt?
- Zu welchem Zeitpunkt (Zeitraum vor dem Transport) werden die Kommunen informiert, auf deren Gebiet die MOX-Brennelemente angelandet und über deren Gebiet sie zum Kernkraftwerk Grohnde transportiert werden?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Deutschland hat sich verpflichtet, die bei der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Frankreich und dem Vereinigten Königreich anfallenden Abfälle und das Plutonium zurückzunehmen. Die deutschen Energieversorgungsunternehmen haben nach den Bestimmungen des Atomgesetzes den Wiedereinsatz des aus der Aufarbeitung gewonnenen Plutoniums in den Kernkraftwerken zu gewährleisten. Die Rücknahme des Plutoniums soll in Form von Mischoxid-Brennelementen erfolgen, die als Kernbrennstoff eine Mischung aus Uranoxid und Plutoniumoxid enthalten.
In diesem Zusammenhang liegt dem zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz derzeit gem. § 4 des Atomgesetzes (AtG) ein Antrag auf Genehmigung der Beförderung von Mischoxid-Brennelementen aus Großbritannien in ein niedersächsisches Kernkraftwerk vor. Der Transport soll auf einem Spezialschiff und mit Straßenfahrzeugen erfolgen. Der Antrag erstreckt sich auf höchstens zwei Seetransporte mit insgesamt vier Straßentransporten. Die Durchführung des Transportes war ursprünglich im Herbst dieses Jahres vorgesehen, ist dann aber auf einen der Landesregierung noch nicht bekannten Termin verschoben worden. Der gestellte Antrag auf Durchführung einer Beförderungsgenehmigung ist durch die Terminverschiebung nicht gegenstandslos geworden, sondern weiter anhängig und beim Bundesamt für Strahlenschutz in Bearbeitung.
Die Verantwortung für die Beförderung von Kernbrennstoffen liegt beim Bundesamt für Strahlenschutz als der für die Erteilung der Beförderungsgenehmigung gem. § 4 AtG zuständigen Behörde, und zwar auch, soweit es um Fragen der Streckenführung geht. Weder die Innenministerien der Länder noch die Polizeibehörden haben die Befugnis, dem Bundesamt für Strahlenschutz insoweit verbindliche Vorgaben zu machen oder direkt gegenüber dem Beförderer Anordnungen zu treffen. Eine Verpflichtung für das Bundesamt für Strahlenschutz, vor Erteilung der Genehmigung das Einvernehmen oder zumindest das Benehmen mit anderen Behörden herzustellen, besteht nach dem Atomgesetz nicht.
Zu den durch das Bundesamt für Strahlenschutz zu prüfenden und zu verantwortenden Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung gehören u. a. auch der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG) und die Vereinbarkeit von Art, Zeit und Weg des Transports mit öffentlichen Interessen (§ 4 Abs. 2 Nr. 6 AtG). Um das Vorliegen dieser Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen, beteiligt das Bundesamt für Strahlenschutz die Innenministerien der Länder, die aus polizeilicher Sicht zu Fragen der Sicherung der Transporte vor Sabotage, Angriffen oder sonstigen Störungen Stellung nehmen. Dabei spielen regelmäßig auch die Streckenführung und der vorgesehene Transporttermin eine Rolle. Die Transportrouten und –termine werden allerdings nicht von der Polizei ausgearbeitet, sondern vom Antragsteller bereits mit dem Antrag oder im Laufe des Verfahrens gegenüber dem Bundes-amt für Strahlenschutz vorgeschlagen. Es ist letztlich Sache des Bundesamtes für Strahlenschutz zu entscheiden, ob und welche Auflagen zur Streckenführung und zur Terminierung in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen sind und dabei neben den Bedürfnissen der Sicherung des Transports vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter z.B. auch die Belange des Gefahrgutrechts (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG) zu berücksichtigen und kollidierende Interessen gegebenenfalls zum Ausgleich zu bringen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Informationen über die Streckenführung einschließlich des vorgesehenen Hafens unterliegen der Geheimhaltung.
Zu 2.:
Die Eignung einer Transportstrecke einschließlich eines Hafens hat das Bundesamt für Strahlenschutz im Rahmen der Erteilung der Beförderungsgenehmigung zu prüfen. Dabei muss insbesondere nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG gewährleistet sein, dass die Kernbrennstoffe unter Beachtung der für den jeweiligen Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter befördert werden.
Zu 3.:
Eine allgemeine Information der von den Transporten berührten Kommunen erfolgt aus Gründen des Geheimschutzes nicht. Die vertrauliche Behandlung der Anmeldungen von sicherungsrelevanten Transporten ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter. Das Bundesamt für Strahlenschutz als die für die Erteilung der Beförderungsgenehmigung zuständige Behörde nimmt eine Beteiligung der betroffenen Kommunen nicht vor, da eine solche gesetzlich nicht vorgesehen ist und vom Bundesamt für Strahlenschutz nach eigener Aussage angesichts der Vielzahl der tan-gierten Kommunen auch nicht für sachgerecht gehalten wird."
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.11.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
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