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Stabilisierungsfonds für kommunale Haushalte

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 29.10.2009; TOP 18


Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion der SPD; Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Vorschlag, einen Stabilisierungsfonds im kommunalen Finanzaus-gleich einzuführen, ist ein alter Hut. Bereits im Dezember 2004 wurde ein entsprechender Entschließungsantrag durch die SPD-Fraktion gestellt. Aus guten Gründen haben wir den Antrag damals mit Mehrheit abgelehnt.

Umso erstaunlicher, dass uns heute diese überholte Idee als angeblich neu präsentiert wird.

Die Gründe, die heute wie damals gegen den Antrag sprechen, sind u. a. folgende:

Nach unserem Finanzausgleichssystem sind die Kommunen und das Land gleichgewichtig entsprechend ihrer Aufgaben an den insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmitteln zu beteiligen.

Dies gilt entsprechend dem vom Staatsgerichtshof entwickelten Grundsatz der Verteilungssymmetrie für die guten aber auch für die schlechten Zeiten. Unser System lässt es also gar nicht zu, einen festen Betrag unabhängig von der tatsächlichen Finanzentwicklung den Kommunen zu garantieren.

2007 bis 2009 haben die Kommunen neben dem Land von den hohen Steuermehreinnahmen beim Bund und beim Land ganz beträchtlich profitiert. Dreimal nacheinander hatten unsere Kommunen mit jeweils rund 3 Mrd. Euro Finanzausgleichsleistungen ein Mehr von rund 30 % gegenüber 2006 zur Verfügung. Sogar noch in diesem Jahr betrug die Zuweisungsmasse im KFA mehr als 3 Mrd. €, und das bei bereits erheblich schrumpfenden Steuereinnahmen des Landes. Die hohen Zuweisungen des Landes der letzten Zeit haben zu höheren Investitionen in den Kommunen und zum Schuldenabbau beigetragen. In finanziellen Notzeiten kommt es hingegen zu einer gerechten und gleichmäßige Verteilung des Defizits auf beiden Ebenen. Die im nächsten Jahr bei den Kommunen zu erwarteten Mindereinnahmen entsprechen damit der gesetzlichen Systematik und spiegeln letztlich zeitversetzt den Anteil der Kommunalen Ebene an den gesamtstaatlichen Einnahmerückgängen wieder.

Jedes Jahr überprüft die Landesregierung auf der Grundlage des "Berichts zur Entwicklung der Finanz- und Haushaltslage des Landes Niedersachsen und der niedersächsischen Kommunen" sehr genau, ob die Verteilungssymmetrie noch gegeben ist. So wurde aufgrund der erheblich rückläufigen Einnahmen des Landes die Verbundquote im Jahre 2005 zunächst abgesenkt. Und dies, wie Sie alle wissen, mit ausdrücklicher Billigung des Staatsgerichtshofs. Wegen deutlicher Einnahmesteigerungen auf Seiten des Landes wurde sie jedoch bereits 2007 wieder angehoben.

Nun zu dem von Ihnen gefordertem Stabilisierungsfond – wie passt der in diesen Mechanismus? Lassen Sie es mich schon einmal vorweg nehmen: Eigentlich gar nicht.

Eine garantierte Finanzausgleichsmasse in der von der SPD-Fraktion vorgeschlagenen Höhe würde insbesondere im Jahr 2010 zunächst einmal den Landeshaushalt extrem belasten. Ein wesentlicher Mangel des Instruments "Stabilisierungsfonds" ist nämlich seine unseriöse Finanzierung:

Für die Ermittlung der Garantiesumme soll auf die Jahre 2006 - 2008 zurückgegriffen werden. Damit wird wohl auf ein eher überdurchschnittlich hohes Niveau der Zuweisungsmasse abgestellt, da wir in zwei dieser Jahren mit jeweils um die 3 Mrd. Euro im Finanzausgleich weit über den bisherigen Werten lagen.

In der Konsequenz heißt das, die Zuführungen an den von Ihnen geforderten "Stabilisierungsfonds" müssten zunächst durch Kreditaufnahmen des Landes finanziert werden. Eine ganz entscheidende Frage lässt die SPD-Fraktion dabei unbeantwortet: Woher soll eigentlich zunächst das Geld kommen das zur Stabilisierung in den Fond fließen muss – nach unseren Berechnungen allein für 2010 knapp 300 Mio. €? Hier schweigt der Antrag ganz offenkundig. Ein Vorschlag zur Gegenfinanzierung, wie er selbstverständlicher Bestandteil seriöser Haushaltsplanung ist – und nicht zu letzt deshalb auch in der Geschäftsordnung des Landtages bei Entschließungsanträgen eingefordert wird - fehlt. Die Antwort der SPD-Fraktion muss also "Finanzierung durch höhere Verschuldung" lauten. Schon allein das halte ich für äußerst bedenklich.

Das Perfide an dem von Ihnen so gepriesenen Modell ist kommt jedoch noch. Anschließend sind die Kredite von den Kommunen selbst zu bedienen. In Rheinland-Pfalz stellen die Mittel des Stabilisierungsfonds lediglich ein vom Land an die Kommunen gewährtes Darlehen dar, das den Kommunen auch nur bis 2007 zinslos gewährt wurde, aber ab 2008 zu marktüblichen Zinsen von den Landkreisen, Städten, und Gemeinden verzinst werden muss. Im Ergebnis würde es sich damit bei einem derartigen Stabilisierungsfonds also um eine dritte Säule der kommunalen Verschuldung handeln.

In Rheinland-Pfalz beträgt die Verbindlichkeit der Kommunen übrigens mittlerweile 631 Mio. Euro; das entspricht über 40% der garantierten Finanzausgleichsmasse des Landes Rheinland-Pfalz! Eine Tilgung dieser gewaltigen Summe steht in den Sternen.

Ich fasse also zusammen: Die SPD-Fraktion verspricht den Kommunen höhere und verstetigte Leistungen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Diese Leistungen will sie mit Schulden finanzieren, die wiederum von den Kommunen abzutragen wären. Mit der Übertragung des rheinland-pfälzischen Modells eines kreditfinanzierten Fonds auf Niedersachsen würden Sie einen Schattenhaushalt des Landes und der Kommunen schaffen. Wollen Sie das wirklich?

Wer auf der einen Seite das Land wegen seiner Haushaltsplanungen kritisiert, aber selbst in höchstem Maße unseriöses Haushaltsgebaren an den Tag legt, der handelt unglaubwürdig und widersprüchlich. Das passt so nicht zusammen und das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen.

Sie verschweigen wesentliche Nachteile, die für die Kommunen durch den von Ihnen geforderten "Stabilisierungsfonds" entstehen.

Fragen Sie doch mal Ihre Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister in Rheinland-Pfalz. Die werden Ihnen gerne über ihre Erfahrungen berichten:

Auch mit Einrichtung eines Stabilisierungsfonds erhalten die Kommunen nicht einen Euro mehr. Sie erhalten lediglich einen garantierten Festbetrag, den sie im schlechtesten Fall auch noch selbst zu finanzieren haben.

Wird die Garantiesumme zu niedrig angesetzt, fehlen den kommunalen Körperschaften dringend für Investitionen und den Schuldenabbau benötigte Mittel. Am Beispiel Ihres Entschließungsantrages von 2005 hätte dies in Niedersachsen dazu geführt, dass die Kommunen in den Jahren 2007 bis 2009 nicht im tatsächlichen Umfang von der Erhöhung der Zuweisungsmasse profitiert hätten. Auf der Grundlage Ihres Vorschlags wären rund 1,9 Mrd. Euro statt in notwendige Investitionen in den Stabilisierungsfonds geflossen!

Wird die Garantiesumme zu hoch angesetzt, entwickelt sich das Verstätigungsdarlehen zu einer weiteren Säule der kommunalen Verschuldung.

Das Verfahren ist wenig praktikabel, wenn der Finanzausgleich von fortwährenden Änderungen mit finanziellen Auswirkungen auf die Masse betroffen ist.

Entscheidend aber ist: Der Stabilisierungsfonds ist ein bürokratischer Alptraum, der die Entscheidungsfreiheit der Kommunen einengt. Statt ein mehr an kommunaler Freiheit und Spielräumen wäre ein mehr an Bürokratie und Bevormundung die Folge. Alle Kommunen verlieren langfristig ihren Handlungsspielraum bei der Verwendung zukünftiger zusätzlicher Mittel aus Erhöhungen der Zuweisungsmasse im kommunalen Finanzausgleich.

Übrigens: Nach den Planungen der Landesregierung, die Sie in der aktuellen Mittelfristigen Finanzplanung des Landes für die Jahre 2009 bis 2013 nachlesen können und die bereits die Mai-Steuerschätzung 2009 berücksichtigen, werden die Kommunen im Kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2011 voraussichtlich wieder knapp 2,8 Mrd. € bekommen und damit genauso viel, wie sich nach dem Antrag der SPD-Fraktion als Garantiesumme ergeben würde. Da frage ich mich – wofür brauchen wir den ganzen Aufwand mit einem Stabilisierungsfonds?

Für die Landesregierung stehen stattdessen die Hilfen für Kommunen mit besonderen strukturellen Problemen und mit hohen Kassenkrediten im Vordergrund. Es ist beabsichtigt, mit den kommunalen Spitzenverbänden noch in diesem Jahr einen Zukunftsvertrag für starke Kommunen abzuschließen.

Ein Vertragsentwurf wird in Kürze im Kabinett beraten. Danach sollen bis zum 01.11.2011 insbesondere diejenigen Kommunen unterstützt werden, die zum Zweck der Haushaltskonsolidierung freiwillige Gemeinde- und Kreiszusammenschlüsse oder die Umwandlung von einer Samt- in eine Einheitsgemeinde anstreben. Der aktuelle Vertragsentwurf lässt zudem die Förderung von Kommunen zu, die mit einer Landesunterstützung in die Lage versetzt werden, ihre dauernde Leistungsfähigkeit trotz einer extremen Kassenkreditverschuldung ohne Fusion wieder herzustellen. Hierfür sollen ab 2012 vom Land und der kommunalen Seite jährlich jeweils bis zu 35 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden, um im Einzelfall bis zu 75 % für Zins und Tilgung aufgelaufener Kassenkredite zur übernehmen. Dies ist Zukunftspolitik und nicht ihr Aufguss von vorgestern.

Meine Damen und Herren von der Opposition:

Ihr Antrag ist unpraktikabel, unseriös und unsolide. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.10.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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