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NPD-Verbotsverfahren

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.09.2009; TOP 27


Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion der SPD; Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist erst 6 Monate her, da habe ich auch an dieser Stelle gestanden und zum Thema NPD-Verbotsverfahren gesprochen. Damals waren es die Fraktionen von Grünen und Linken, die über Entschließungsanträge die Landesregierung aufgefordert haben, alle V-Leute in der NPD abzuschalten und ein neuerliches Verbotsverfahren voranzutreiben. Ich hatte Ihnen den Standpunkt der Landesregierung zu diesen Entschließungsanträgen dargelegt und ausführlich erläutert.

Nun liegt, wenige Tage vor der Bundestagswahl, ein neuerlicher Entschließungsantrag, diesmal von der Fraktion der SPD vor.

Lassen Sie mich an dieser Stelle nur kurz anmerken, dass die Frage, ob ein Verbotsverfahren erfolgreich gegen die NPD geführt werden kann, für Wahlkampfzwecke völlig ungeeignet ist.

Es geht bei dieser Entscheidung um eine rechtlich und fachlich einwandfreie Auslegung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, um eine gut abzuwägende Prognoseentscheidung, die erhebliche Konsequenzen für unsere wehrhafte Demokratie nach sich ziehen könnte und letztlich auch um den Informationsstand der Verfassungsschutzbehörden und damit auch den Informationsstand der Politik, der politischen Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit.

Ein solches Thema muss daher in aller Ruhe, mit dem nötigen Ernst und der gebotenen Sachlichkeit diskutiert werden. Sonst erreichen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD nur, dass die NPD – und das auch noch unmittelbar vor der Wahl - im öffentlichen Interesse steht.

Aber nun zurück zu den fachlichen Fragen. Ich habe es ja eben schon anklingen lassen, dass die Haltung der Landesregierung zur Einleitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens unverändert geblieben ist. Dabei muss ich wohl nicht noch mal betonen, dass auch ich ein Verbot dieser Partei begrüßen würde, auch wenn die Probleme, die der Rechtsextremismus bereitet, damit keinesfalls gelöst wären.

Ein neuerliches Verbotsverfahren darf aber auf gar keinen Fall vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern.

Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die Hürden für ein solches Verfahren so hoch gelegt, dass das Risiko zu scheitern nicht gering ist und ein Verbot nur zu erreichen ist, wenn alle V-Leute in der NPD abgeschaltet werden. Eine solche Abschaltung von Informationen aus dem innersten Kreis der NPD halte ich nicht zuletzt im Hinblick auf die Verflechtung der NPD mit der neonazistischen, insbesondere der gewaltbereiten Szene, für äußerst risikoreich.

Ein Verzicht auf wichtige und zuverlässige Informationen ist mit mir nicht zu machen.

An dieser Haltung hat auch der Vorstoß des bayerischen Innenministers nichts verändert. Auch ich habe mit Interesse gelesen, dass der Kollege Herrmann meint, einen Weg gefunden zu haben, wie ohne Abschaltung der V-Leute, die er genauso wie ich für unerlässlich hält, ein NPD-Verbotsverfahren erfolgreich durchgeführt werden kann. Ich erwarte, dass der bayerische Kollege seine Überlegungen mit den Innenministern aus Bund und Ländern besprechen wird.

Um keine vorschnellen Reaktionen und falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen, will ich an dieser Stelle nochmals nachdrücklich darauf hinweisen:

Mit den Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht selbst aufgestellt hat, ist es nach hiesiger Interpretation nicht vereinbar, in einem neuerlichen Verfahren auf bereits vorliegende offene Materialien als Beleg der Verfassungswidrigkeit der NPD zurückzugreifen.

Um dem Verfassungsgericht gerichtsverwertbares Material vorlegen zu können, bedarf es zunächst einer Abschaltung aller V-Leute. Danach kann eine neue Sammlung und Auswertung von ausschließlich offenen Erkenntnissen beginnen, Dauer ca. 2 Jahre.

Der Erfolg einer solchen Vorgehensweise ist mehr als zweifelhaft, da sich die NPD taktisch darauf einstellen wird. In der Gewissheit, dass alle internen Vorgänge, Äußerungen und Abläufe in der Partei nunmehr auch intern bleiben, ist es doch schlicht nicht zu glauben, die NPD liefere selbst genügend offenes Material, um ihre eigene Verfassungswidrigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht belegen zu können.

Unabhängig von einem Verbotsverfahren, habe ich bereits vor geraumer Zeit Vorschläge gemacht, wie quasi als weniger einschneidender Eingriff, die staatliche Parteienfinanzierung, die immerhin 40 Prozent der Finanzierung der NPD ausmacht, gestoppt werden kann.

Diese Vorschläge habe ich mit meinen Kollegen bei der letzten Innenministerkonferenz erneut erörtert und wir sind übereingekommen, darüber nach der Bundestagswahl in aller Ruhe zu sprechen.

Ich stimme mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD darin überein, dass die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gedankengut der extremen Rechten von allen demokratischen Parteien gemeinsam geführt werden muss und der Staat dabei eine besondere Verpflichtung hat. Die Niedersächsische Landesregierung ist sich dieser Verantwortung stets bewusst gewesen und hat bis heute bei dieser Auseinandersetzung eine führende Rolle eingenommen.

Dabei wird nicht nur, wenn es das Gesetz fordert, durch repressive Maßnahmen eingeschritten, denn Gewalt, Ausländerfeindlichkeit und Volksverhetzung werden von den niedersächsischen Sicherheitsbehörden nicht hingenommen, es wird vielmehr konsequent und mit der erforderlichen Härte des Gesetzes eingeschritten.

Auch bei der politisch gesellschaftlichen Auseinandersetzung nimmt die Landesregierung eine führende Position ein. Insbesondere der Niedersächsische Verfassungsschutz ist bei der aufklärenden Präventionsarbeit sehr gut aufgestellt.

Unsere Arbeit in diesem Bereich gilt seit Jahren als beispielhaft.

Hervorheben will ich an dieser Stelle, stellvertretend für alle anderen Maßnahmen der Prävention, die Beratungen für Kommunen, die in ganz Niedersachsen von zahlreichen Städten und Gemeinden angenommen werden und die hervorragende Arbeit des Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund, der durch seine Beratung wirksam dazu beiträgt, die Pläne von Rechtsextremisten zur Einrichtung von Schulungszentren oder anderen zentralen Einrichtungen zu erschweren oder zu vereiteln.

Um die erfolgreiche Präventionsarbeit der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde auch nach außen noch besser zu dokumentieren, haben wir vor kurzem die Niedersächsische Extremismus-Informationsstelle – NEIS ins Leben gerufen. NEIS soll unsere Aktivitäten in der Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit bündeln und verstärken. Es soll eine Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger, für Institutionen, Initiativen, Verbände und Kommunen zu allen Fragen des Extremismus sein.

NEIS hat seine Arbeit bereits aufgenommen und als eine ihrer ersten Aktionen ein Symposium zum Thema Rechtsextremismus durchgeführt, bei dem anerkannte Fachleute aus ganz Deutschland referiert und anschließend intensiv mit den Teilnehmern diskutiert haben. Ich war selbst bei diesem Symposium zugegen und habe mich von der hohen Qualität dieser Veranstaltung überzeugen können. Mit ist auch bekannt, dass sie parteiübergreifend große Zustimmung gefunden hat.

Neben vielen anderen Aktionen und Maßnahmen, ist es auch eine Veranstaltung wie dieses Symposium, mit der die Landesregierung einen sehr erfolgreichen Beitrag zur Aufklärung über und den Umgang mit dem Rechtsextremismus leistet.

Ich denke, die Nazis zu bekämpfen und aktive Prävention zu leisten ist allemal besser, als die NPD immer wieder durch fruchtlose Verbotsdiskussionen aufzuwerten.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
25.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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