Gesundheitsprüfung bei Asylbewerbern
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.09.2009; Fragestunde Nr. 35
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus-Peter Bachmann und Detlef Tanke (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Im Fall der Asylsuchenden Bajramsha Ajdezi aus Gifhorn wurde eine Zuckererkrankung nicht als Abschiebungshindernis anerkannt. Die amtsärztliche Beurteilung sowie die daraus folgende Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde wurden noch einmal auf Anweisung des Innenministeriums überprüft. Der beauftragte Spezialist stellte dann fest, dass ein Abschiebungshindernis nicht vorliege, und Frau Ajdezi nach Montenegro abgeschoben werden könne.
In einem weiteren Fall des Asylsuchenden Yakob Soume aus Wolfenbüttel wurde vonseiten der Amtsärztin festgestellt, dass dieser unter einer psychischen Erkrankung und schweren Knieverletzung leide, die es ihm nicht ermögliche, eine weite Reise durchzustehen. Herr Soume sollte nach Syrien abgeschoben werden. Aufgrund des Befundes der Amtsärztin wurde vom Landkreis Wolfenbüttel von einer Abschiebung abgesehen und aufgrund der festgestellten Reiseunfähigkeit eine befristete Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz erteilt. Diese Entscheidung wurde wiederum vom Landesinnenministerium beanstandet. Dieses schlug über das zuständige Ausländeramt vor, Herrn Soume zur Wiederherstellung der Reisefähigkeit zu einem Spezialisten zweimal wöchentlich nach Bonn zu überweisen, um dort therapiert zu werden, und zudem das Attest der Amtsärztin nochmals zu überprüfen.
Wir fragen die Landesregierung:
- In wie vielen Fällen (in absoluten Zahlen und Prozentzahlen) in Niedersachsen wurden durch Anordnung des Innenministeriums nochmals die amtsärztlichen Gutachten der kommunalen Ausländerbehörden, bei denen ein durch eine Krankheit bedingtes Abschiebungshindernis festgestellt wurde, überprüft, und in wie vielen Fällen kamen die vom Ausländeramt auf Weisung des Innenministerium beauftragten Spezialisten zu einem anderen Ergebnis, sodass ein Abschiebungshindernis nicht mehr gegeben war?
- Gibt es Fälle, in denen durch Beauftragung des Ausländeramtes auf Weisung des Innenministeriums ein ärztliches Gutachten erstellt wurde, durch das sich ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis herausstellte, welches die kommunalen Ausländerbehörden vorab nicht festgestellt haben, und wie viele Zweitbegutachter wurden in diesen Fällen beauftragt?
- Beruht die Praxis, festgestellte krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse noch einmal zu überprüfen, auf konkreten Erfahrungswerten, oder sind diese Überprüfungen eher politisch-ideologisch motiviert?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
In den Vorbemerkungen zu der Anfrage wird erklärt, dass in dem Fall der Frau Bajramsha Ajdezi aus Gifhorn die amtsärztliche Beurteilung sowie die daraus folgende Entscheidung der Ausländerbehörde "noch einmal auf Anweisung des Innenministeriums überprüft" wurde und in einem weiteren Fall des Yakob Soume aus Wolfenbüttel eine aufenthaltsrechtliche "Entscheidung wiederum vom Landesinnenministerium beanstandet wurde". Hierzu ist festzustellen, dass in keinem der beiden genannten Fälle das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration bisher eingeschaltet war. Es gab in den genannten Fällen keine Notwendigkeit, fachaufsichtsbehördlich tätig zu werden und es hat in diesen Fällen zu keinem Zeitpunkt Beanstandungen oder Anweisungen seitens des Ministeriums als Fachaufsichtsbehörde gegeben.
Die Fragesteller gehen somit hinsichtlich ihrer Kritik am Verhalten der Fachaufsichtsbehörde von unzutreffenden Sachverhalten aus.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1. und 3.:
Die Entscheidung, ob krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse vorliegen und deshalb der weitere Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen ist, wird in dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren von dem dafür zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge getroffen. Der Landesregierung ist nicht bekannt, nach welchen Motiven und auf Grund welcher Erfahrungswerte das Bundesamt vorgelegte ärztliche Gutachten überprüfen lässt. Sie kann deshalb auch nicht beantworten, in wie vielen Fällen das Bundesamt weitere ärztliche Gutachten eingeholt hat.
Wenn mit der Fragestellung auf Entscheidungen der kommunalen Ausländerbehörden in Niedersachsen abgestellt wird, muss deshalb zunächst darauf hingewiesen werden, dass es dabei nicht um die Feststellung von krankheitsbedingten Abschiebungshindernissen geht, sondern um Maßnahmen im Rahmen des Abschiebungsvollzugs. Dabei muss bei Anlass festgestellt werden, ob aktuell auf Grund einer Erkrankung Bedenken gegen eine Beförderung mit dem Flugzeug in das jeweilige Herkunftsland bestehen, also ob die "Flugreisefähigkeit" vorliegt. Zur Erfüllung der ihnen gesetzlich obliegenden Verpflichtung zur Abschiebung vollziehbarer ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer (§ 58 AufenthG) sind den Ausländerbehörden mit der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz ausführliche Hinweise und Erläuterungen gegeben worden. Darunter auch Hinweise zum Verfahren hinsichtlich der Prüfung und Feststellung der Reisefähigkeit der zur Ausreise verpflichteten Personen. Zur Bewertung von ärztlichen Gutachten und zu den Mindestkriterien, die an solche Gutachten zu stellen sind, orientieren sich die Ausländerbehörden an den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Statistische Aufzeichnungen zum fachaufsichtsbehördlichen Tätigwerden liegen nicht vor.
Artikel-Informationen
erstellt am:
25.09.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010