Umschlag von radioaktiven Stoffen im Cuxhavener Hafen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28.08.2009; Fragestunde Nr. 1
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel und Hans-Jürgen Klein (GRÜNE); es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Durch Meldungen in den Cuxhavener Nachrichten vom 17. und 18. Juli 2009 wurde eine Polizei- und Feuerwehrübung im Cuxhavener Hafen bekannt, deren Szenario mögliche Transporte radioaktiver Stoffe über die Cuxhavener Umschlagsanlage zugrunde lagen. Die Übung fand unter Beteiligung niedersächsischer Behörden statt. Die Übung war nicht öffentlich angekündigt, sondern wurde zufällig bekannt. Auch die Stadt Cuxhaven soll nicht informiert gewesen sein.
Als realer Hintergrund der Übung verdichten sich Informationen über zeitnah bevorstehende Transporte von plutoniumhaltigen MOX-Brennelemen-ten aus Sellafield für das Atomkraftwerk Grohnde. Befürchtet wird außerdem, dass zu einem späteren Zeitpunkt auch für die Endlagerung in Deutschland vorgesehener Atommüll aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield über Cuxhaven umgeschlagen werden könnte. In beiden Fällen gehen von den Transporten erhebliche Gefahren aus, sowohl durch radioaktive Strahlung als auch durch die hohe Giftigkeit des Plutoniums. Auch deshalb wird die dauerhafte Nutzung von Atomenergie von der Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger abgelehnt.
Kritiker sehen deshalb solche Transporte als unvereinbar an mit den touristischen Interessen der Stadt und des Landkreises Cuxhaven, die erst kürzlich durch die Ausweisung des Wattenmeers als Weltnaturerbe gestärkt wurden. Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Region. Beklagt werden vor Ort außerdem die mangelnde Information und
Transparenz im Zusammenhang mit der durchgeführten Übung und den geplanten Atomtransporten.
Wir fragen die Landesregierung:
- Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über einen zukünftig vorgesehenen Umschlag von radioaktiven Stoffen über den Cuxhavener Hafen bezüglich Anzahl, Zeitpunkt, Start, Ziel, Streckenverlauf und Verkehrsmittel der Transporte sowie Umfang und Art des Materials?
- Wie und wann erfolgt die Information der von den Transporten berührten Kommunen und der jeweiligen Öffentlichkeit?
- Welche niedersächsischen Behörden und Stellen sind mit welchen Aufgaben im Zusammenhang mit der Planung, Genehmigung und Durchführung des Transports von radioaktiven Stoffen in und durch Niedersachsen beteiligt?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Deutschland hat sich verpflichtet, die bei der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Frankreich und Großbritannien anfallenden Abfälle und das Plutonium zurückzunehmen. Die deutschen Energieversorgungsunternehmen haben nach den Bestimmungen des Atomgesetzes den Wiedereinsatz des aus der Aufarbeitung gewonnenen Plutoniums in den Kernkraftwerken zu gewährleisten. Die Rücknahme des Plutoniums soll in Form von Mischoxid-Brennelementen erfolgen, die als Kernbrennstoff eine Mischung aus Uranoxid und Plutoniumoxid enthalten.
In diesem Zusammenhang liegt dem zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz derzeit gem. § 4 des Atomgesetzes ein Antrag auf Genehmigung der Beförderung von Mischoxid-Brennelementen aus Großbritannien in ein niedersächsisches Kernkraftwerk vor. Der Transport soll auf einem Spezialschiff und mit Straßenfahrzeugen erfolgen.
Um die technische Eignung der Hafeneinrichtung des Hafens von Cuxhaven und des für den Transport vorgesehenen Schiffes (z.B. Rampen) zweifelsfrei zu ermitteln, haben die englischen und deutschen Beförderer am 16. Juli eine sogenannte "Kalterprobung" durchgeführt.
Weder die Polizei noch die Feuerwehr waren in die Übung eingebunden.
Da Erkenntnisse vorlagen, dass es bei dieser "Kalterprobung" zu Störmaßnahmen von Atomkraftgegnern kommen könnte, waren zum Schutz der Übung Polizeikräfte eingesetzt.
Die Feuerwehr war nach Auskunft der Stadt Cuxhaven nicht vor Ort.
Dass die Beförderer den Transport mit einer "Kalterprobung" vorbereitet haben, illustriert den hohen Sicherheitsstandard, der für solche Transporte gilt. Der Transport der Mischoxid-Brennelemente erfolgt nach den Vorschriften des Atom- und Gefahrgutbeförderungsrechts, die ihrerseits Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Organisation umsetzen.
Die Sicherheit des Transports von radioaktiven Stoffen wird insbesondere durch das Konzept eines "sicheren Versandstücks" gewährleistet.
Der jetzt dem Bundesamt für Strahlenschutz zur Genehmigung vorliegende Transport soll mit Transportbehältern erfolgen, die so ausgelegt sind, dass auch nach schweren Transportunfällen nicht mit einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen und damit einer Verunreinigung des Wattenmeers gerechnet werden muss. Die Behälter verfügen über eine britische Zulassung mit deutscher Anerkennung. Bei dem Seeschiff handelt es sich um ein Doppelhüllenschiff mit einem Zertifikat der International Maritime Organisation.
Damit sind auch die Anforderungen erfüllt, die sich aus dem Status des Wattenmeers als UNESCO-Weltnaturerbe ergeben. Gefahrguttransporte durch das Welterbegebiet sind zulässig, wenn dem Welterbegebiet bei Unfällen kein irreparabler Schaden zugefügt wird.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Landesregierung erlangt Erkenntnisse über bevorstehende Transporte von radioaktivem Material, soweit dies für die atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsverfahren in Bezug auf niedersächsische Anlagen oder für die polizeiliche Sicherung bevorstehender Transporte erforderlich ist. Informationen über die Streckenführung unterliegen dabei der Geheimhaltung.
Zu 2.:
Die vertrauliche Behandlung der Anmeldungen von sicherungsrelevanten Transporten ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter. Das Bundesamt für Strahlenschutz als die für die Erteilung der Beförderungsgenehmigung zuständige Behörde nimmt eine Beteiligung der betroffenen Kommunen nicht vor, da eine solche gesetzlich nicht vorgesehen ist und vom Bundesamt für Strahlenschutz nach eigener Aussage angesichts der Vielzahl der tangierten Kommunen auch nicht für sachgerecht gehalten wird.
Zu 3.:
Für die Aufsicht nach dem Atomgesetz über die Beförderung von Kernbrennstoffen sind in Niedersachsen die im Ressortbereich des Umweltministeriums angesiedelten Gewerbeaufsichtsämter zuständig. Für die Überwachung der Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße nach dem Gefahrgutbeförderungsgesetz die Landkreise und die kreisfreien Städte und bei Seehäfen für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsrechts das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.
Für die Sicherung der Transporte zum Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter sind vorrangig die Beförderer zuständig; gegebenenfalls zusätzlich zu den Eigensicherungsmaßnahmen der Beförderer notwendige Sicherungsmaßnahmen werden durch die Polizei durchgeführt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
31.08.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
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