Bekämpfung des Rechtsextremismus in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26.08.2009; Aktuelle Stunde
Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion DIE LINKE; es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Fraktion DIE LINKE behauptet permanent, diese Landesregierung müsse bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in unserem Land endlich aufwachen und handeln.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Von einer Partei, die selbst ein heftiges Demokratiedefizit hat, braucht diese Landesregierung keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie und Extremismusbekämpfung! Wir stehen für eine wehrhafte Demokratie. Wir kennen die Gefahren, die aus rechtsextremistischem Gedankengut erwachsen. Wir bekämpfen sie mit allem Nachdruck – und das seit Jahren. Dabei steht diese Landesregierung in der Tradition aller Demokraten in diesem Hause. Und das wird auch so bleiben.
Niedersachsen gilt unter den Bundesländern mit seinen Maßnahmen ge-gen Rechtsextremismus als vorbildlich. Das ist ein Erfolg nicht nur der jetzigen, sondern auch aller vorherigen Landesregierungen. Und darauf können die Demokraten in diesem Hause gemeinsam stolz sein.
Unsere Sicherheitsbehörden – polizeilicher Staatsschutz und Verfassungsschutz – sind wachsam und in der Extremismusbekämpfung gut aufgestellt. Wir sollten den Sicherheitsbehörden in ihrer Arbeit den Rücken stärken und Ihnen nicht, wie DIE LINKE es ständig tut, in den Rücken fallen.
Polizei und Verfassungsschutz passen ihre Arbeit den sich wandelnden Entwicklungen im Rechtsextremismus beständig an:
Die Kameradschaftsszene, die Autonomen Nationalisten werden ebenso wie die NPD und die DVU mit nachrichtendienstlichen Mitteln aufgeklärt. Und bei strafrechtlich relevanten Ereignissen greifen unsere Behörden konsequent ein. So ist die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten bei uns – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – nur geringfügig angestiegen. Zielgerichtete Maßnahmen, zum Beispiel die Durchsuchungsaktionen zur Verhinderung des illegalen Waffenbesitzes bei Rechtextremisten in Südniedersachsen, zeigen deutlich: Die niedersächsische Polizei geht konsequent und nachhaltig gegen Neonazis vor.
Es ist ein herausragender Erfolg von Polizei und Verfassungsschutz, dass in Niedersachsen zum Beispiel kaum noch rechtsextremistische Konzerte durchgeführt werden konnten. Zu diesen Erfolgen beigetragen hat auch der intensive Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz über das Gemeinsame Informations- und Analysezentrum – GIAZ -, das wir eingerichtet haben.
Lassen Sie mich auch an dieser Stelle sagen: "Blinde Flecken" bei der Beobachtung des Rechtsextremismus dürfen wir nicht riskieren. Diejenigen, die ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD fordern, müssen wissen: Dies würde bedeuten, zuverlässige Informationsquellen voraussichtlich für Jahre "abzuschalten". Das hielte ich nicht zuletzt aufgrund der Verflechtung von NPD und neonazistischer, insbesondere der gewaltbereiten Szene für fatal. Wir sollten auch nicht außer Acht lassen: Jede Verbotsdebatte bewirkt ungewollt Solidarisierungseffekte im rechtsextremen Lager. Davon würde die durch interne Streitigkeiten und Finanzskandale schwer gebeutelte NPD nur profitieren. Eine solche Steilvorlage sollten wir den Verfassungsfeinden von rechts gerade im Vorfeld der Bundestagswahlen nicht liefern.
Die Landesregierung hat eine differenzierte Bekämpfungsstrategie, die repressive und präventive Instrumente zum Einsatz bringt:
Dazu gehört ein permanenter Beobachtungsdruck auf die Szene. Dazu gehört eine konsequente Verfolgung von Straftaten. Dazu gehört die Nutzung aller rechtsstaatlichen Mittel zur Verhinderung von Aufmärschen und Demonstrationen. Das ist bisher – wie etwa in Hannover zum 1. Mai - eindrucksvoll gelungen. Dazu gehört die Verhütung von Straftaten durch Gefahren abwehrende Maßnahmen und Präventionsprojekte.
Wir sind auch mit dem Ziel aktiv geworden, der NPD den Boden für die staatliche Parteienfinanzierung zu entziehen. Denn es ist unerträglich, dass wir viel Mühe und auch Mittel aufwenden, um diese Partei und den Rechtsextremismus zu bekämpfen, auf der anderen Seite aber staatliche Gelder zur Finanzierung dieser Partei zahlen. Ich halte unseren vorgeschlagenen Weg nach wie vor für Erfolg versprechender als den Weg eines Parteienverbotes.
Exekutive Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus müssen durch eine strukturierte Präventionsarbeit ergänzt werden. Nur dann wirken Strategien gegen den Rechtsextremismus nachhaltig. Es ist einfach abwegig, wenn DIE LINKE hier behauptet, die Landesregierung vernachlässige die Präventionsarbeit. Gerade bei der Entwicklung und Umsetzung von Präventionsstrategien sind der Niedersächsische Verfassungsschutz und die Polizei sehr gut aufgestellt: Das reicht von Wanderausstellungen, Jugendkongressen, Multiplikatorenberatung an Schulen über Publikationen und Symposien bis hin zu speziellen Internetseiten und einer umfangreichen Vortragstätigkeit von Verfassungsschutz und Polizei.
Wir haben auch Informations- und Aufklärungskampagnen ("Wölfe im Schafspelz") durchgeführt und tausende von Medienpaketen an die Schulen ausgegeben. Nicht zuletzt haben wir eine Hotline gegen Rechts im LKA eingerichtet. Und natürlich unterstützen wir die Aussteigerhilfe des Justizministeriums.
Soweit es sich um Aktivitäten des Verfassungsschutzes handelt, haben wir sie in der neuen Niedersächsischen Extremismus-Informationsstelle – NEIS – zusammengefasst. Wir bekämpfen den Rechtsextremismus mit gezielten Maßnahmen vor Ort. Zu NEIS gehört daher auch unsere Beratung der Kommunen. Ob Hannover, Osnabrück, Friedland, Faßberg oder Bad Nenndorf – wir haben an verschiedenen Orten in Niedersachsen in diesem Jahr gesehen, dass Rechtsextremisten uns mit ihren Aktionen herausfordern wollen.
NEIS bietet eine Beratung darüber an, wie man sich vor Ort dagegen wehren kann. In Strategiegesprächen werden Möglichkeiten der Prävention und des Umgangs mit Rechtsextremisten beraten. Wir arbeiten bei der Beratung der Kommunen eng mit dem Landespräventionsrat und der Arbeitsstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt – ARUG – zusammen.
Hervorheben möchte ich den von uns eingesetzten Beauftragten für Immobiliengeschäfte mit rechtsextremistischem Hintergrund. Auch er ist bei NEIS angesiedelt.
Ob im Heisenhof in Dörverden, ob beim Hotel Gerhus in Faßberg oder beim "Museum" in Wolfsburg - dieser Beauftragte leistet ganz hervorragende Arbeit bei der Beratung betroffener Kommunen. Es ist uns überall gelungen, die Pläne der Nazis zu durchkreuzen. Faßberg ist zur Zeit sicherlich die größte Herausforderung, vor der wir uns gestellt sehen.
Zum Schluss noch eine Anmerkung zu den Begrifflichkeiten, die hier verwendet werden.
Die Fraktion DIE LINKE hat diese Aktuelle Stunde zum Thema "Neofaschismus in Niedersachsen" beantragt. Es ist bezeichnend und entlarvend zugleich, dass sie den zutreffenden Fachbegriff Neonazismus bzw. Neo-Nationalsozialismus meidet. Denn der Begriff Neofaschismus ist ein gern genutzter ideologischer Kampfbegriff aus den Zeiten des Kalten Krieges. Mit ihm wurde die Bundesrepublik Deutschland von der DDR und westdeutschen Kommunisten in die Tradition der Nazi-Diktatur gerückt.
Wenn die Fraktion DIE LINKE diesen belasteten Begriff verwendet, macht sie unmissverständlich deutlich, in welcher unseligen Tradition sie sich sieht. Dann macht sie unmissverständlich deutlich, dass sie ein gebrochenes Verhältnis zu unserer freiheitlichen Demokratie hat.
Eine solche Partei sollte aufhören, Ratschläge zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zu erteilen. Sie sollte erst einmal die demokratische Selbstreinigung antreten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
26.08.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
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