1264~~undefined
Niedersachsen klar Logo

Politische Konsequenzen aus dem Verfassungsschutzbericht 2008

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.05.2009; Fragestunde


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Im Verfassungsschutzbericht 2008 nimmt die Beschreibung und Analyse der Gefahren durch den Islamismus einen Schwerpunkt ein. Insbesondere der Salafismus wird als gefährliche Erscheinungsform eines gewaltbereiten Islamismus dargestellt. Junge deutsche Konvertiten, die sich dieser orthodoxen Richtung zugewandt haben, sollten sich zum Teil in militärischen Ausbildungscamps aufhalten und stellten somit eine Bedrohung für die innere Sicherheit da.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Gibt es neben der Beobachtung der salafistischen Szene auch politische Projekte und Programme zur Reduzierung oder gar Beendigung des Zulaufes zu dieser Bewegung?
  2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Attraktivität des Salafismus für junge deutsche Konvertiten?
  3. Gibt es Überlegungen zur "Gegenaufklärung" in Bezug auf den Salafismus durch aufgeklärte Imame?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Wie im Verfassungsschutzbericht 2008 dargestellt, besitzt die Bekämp-fung des Islamismus und des islamistischen Terrorismus für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Dieses Ziel wird durch einen ganz-heitlichen Ansatz der für Integrations- und Präventionsarbeit zuständigen Stellen sowie der Sicherheitsbehörden verfolgt.

Lange Zeit standen bei der Bekämpfung des Islamismus insbesondere die potenziell gewaltgeneigten "Al-Qaida" - nahen Netzwerkstrukturen, die legalistisch arbeitenden großen islamistischen Organisationen (z.B. IGMG) und die auf regionale Konflikte ihrer Heimatländer ausgerichteten Organisationen (z.B. Hizb Allah) im Mittelpunkt der Bearbeitung. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz muss weiterhin gewährleistet werden. Die Entwicklung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, dass das Augenmerk daneben noch stärker auf Objekte gerichtet sein muss, in denen salafitische Ideologien missionarisch vermittelt werden. Zu den Hintergründen des Salafismus sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Ausführungen im Verfassungsschutzbericht verwiesen.

Nur ein eng begrenzter Teilbereich des Salafismus, der sogenannte Jihad-Salafismus, ist dem gewaltbereiten Spektrum des Islamismus zuzurechnen. Dieser Jihad-Salafismus ist derzeit kein Bestandteil der von den einschlägig bekannten Predigern in Islamseminaren, Freitagspredigten und im Internet offen propagierten Ideologien. Diese beschränken sich in ihren Vorträgen und Veröffentlichungen auf das Herausstellen der aus ihrer Sicht vorhandenen Unzulänglichkeiten der westlichen Wertegemeinschaft und auf praktische Fragen der Religionsausübung. Wenn sie sich mit den von ihnen vertretenen Lehren häufig auch in einen unauflösbaren Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung setzen, so wird vordergründig Gewalt nicht als ein geeignetes Mittel auf dem Weg der Missionierung angesehen. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass durch die stetig anwachsenden Aktivitäten dieser Prediger und die Einbeziehung des Internets, sei es durch Online-Seminare oder Videoplattformen, ein enormer Empfängerkreis erreicht wird. Die Prediger richten ihre Aktivitäten häufig auf junge Menschen aus, darunter insbesondere auch Nichtmuslime, die auf diesem Wege zur Konversion angeregt werden. Konversionen werden oftmals in Internetvideos besonders herausgestellt.

Der angesprochene Personenkreis bildet ein anwachsendes Rekrutierungspotenzial, aus dem heraus eine weitergehende Radikalisierung sowohl von gebürtigen Muslimen als auch von Konvertiten wahrscheinlich ist. Aus der Szene erfolgt dann die Vermittlung von Kontakten zu bereits radikalisierten Islamisten und die Einbindung in weitere Aktivitäten. Diese Radikalisierungsprozesse können tatsächlich bis hin zu Aufenthalten in terroristischen Ausbildungslagern oder Teilnahme an terroristischen Handlungen führen. Für Konvertiten aus Niedersachsen liegen allerdings keine Hinweise auf derartige Aufenthalte in den einschlägigen Krisenregionen vor.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Niedersächsischen Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die weitaus überwiegende Mehrheit der in Niedersachsen lebenden muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und hat ein hohes Interesse daran, extremistischen Ansätzen auch in den Moscheen entgegenzuwirken. Die Landesregierung legt deshalb auch bei der Bekämpfung des Islamismus und des islamistischen Terrorismus besonderen Wert auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den muslimischen Verbänden und den Verantwortlichen in islamischen Einrichtungen.

So werden auf örtlicher Ebene auf der Basis eines umfassenden polizeilichen Maßnahmen-konzepts unter anderem Kooperationsgespräche mit Einflusspersonen aus den islamischen Einrichtungen geführt. Hierdurch soll eine Vertrauensbasis geschaffen und ausgebaut werden, um Verständnis für die kulturellen Besonderheiten einerseits und die polizeilichen Aufgaben und Maßnahmen andererseits zu entwickeln. Insoweit dienen diese Gespräche auch dazu, Hassprediger und salafitisches Gedankengut aus den Moscheen fernzuhalten.

Ein weiterer Bestandteil dieses Maßnahmenkonzepts der niedersächsischen Polizei zur Bekämpfung des Islamismus und des islamistischen Terrorismus ist die Durchführung von Kontrollen im öffentlichen Verkehrsraum zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität gem. § 12 Abs. 6 Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG).

Die vorgenannten Maßnahmen leisten durch ihre generalpräventive Wirkung einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung des Aufbaus islamistisch – extremistischer Gruppen in Niedersachsen.

Eine erfolgreiche Integration muslimischer Mitbürgerinnen und Mitbürger verringert die Empfäng-lichkeit für extremistisches Gedankengut. Auch die im Jahr 2007 komplett überarbeitete Wanderausstellung "Muslime in Niedersachsen – Probleme und Perspektiven der Integration" des niedersächsischen Verfassungsschutzes dient diesem Zweck. Auf insgesamt 31 Tafeln wird das Thema Integration aus Sicht der Integrationsbeauftragten, des Sports, aber auch der Polizei und des Verfassungsschutzes beleuchtet. Auch der Landespräventionsrat war an der Vorbereitung der Ausstellung beteiligt und ist selbst mit zwei Tafeln vertreten. Die Ausstellung gibt einen Überblick über integrationshemmende und integrationsfördernde Aspekte und wirbt dafür, die entsprechenden gesellschaftspolitischen Anstrengungen in diesem Bereich zu intensivieren.

Zu 2.:

Wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt, sind die Aktivitäten salafistischer Prediger teilweise speziell darauf ausgerichtet, Nichtmuslime zur Konversion zu bewegen. Es wird das Gefühl eines starken Zusammenhalts in einer religiösen Gemeinschaft und eine positive Abgrenzung gegenüber den ungläubigen, nichtmuslimischen Bevölkerungsteilen vermittelt. Grundlage ist ein Gesellschaftsmodell, in dem leicht zwischen "gut und böse", in diesem Fall "islamisch und unislamisch" unterschieden werden kann. Die steigende Anzahl deutschsprachiger Islam-seminare und die breite Streuung entsprechender Publikationen im Internet erleichtert den Einstieg in die salafitische Szene zunehmend.

Zu 3.:

Imame können einen entscheidenden Einfluss auf die hier lebenden Musliminnen und Muslime haben. Neben ihrer Funktion als Vorbeter stehen sie ihren Gemeindemitgliedern nicht selten auch als Ratgeber in schulischen, familiären oder anderen sozialen Fragen zur Seite.

Wenn sie jedoch selbst die deutsche Sprache nicht beherrschen und kein Wissen über die Abläufe und die Institutionen in der deutschen Gesellschaft haben, ist die Gefahr der Isolation gegeben. Schlimmstenfalls kann dieses Unwissen bis hin zu Hasspredigten führen.

Mit dem Angebot einer Aus- und Weiterbildung für Imame in Niedersachsen soll diesen Tenden-zen entgegengewirkt werden. Die Landesregierung unterstützt und stärkt damit Imame in ihrer Funktion als Brückenbauer zwischen Religion und Gesellschaft.

Seit dem Jahr 2007 führt das Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Integration an unterschiedlichen Orten Begegnungsveranstaltungen für Imame mit zentralen Einrichtungen wie Behörden, Ämtern, aber auch Ausbildungsbetrieben und Schulen durch. Ziel dieser Veranstaltungen ist es einerseits, das Wissen der Imame in unterschiedlichen Lebensbereichen zu erweitern. Andererseits sollen sie auch von der Mehrheitsgesellschaft als wichtige Ansprechpartner wahrgenommen werden.

Die geplante Imamausbildung in Niedersachsen ist ein weiterer wichtiger Beitrag zum Dialog mit der muslimischen Gemeinde und für einen aufgeklärten Islam. Wir erwarten von Personen in einer solchen Schlüsselfunktion, dass sie über Kommunikationsfähigkeiten verfügen, dass sie sich mit dem Rechtsstaats- und Gesellschaftssystem in Deutschland auskennen und den säkularen Staat bejahen. Ausgestattet mit diesen Kompetenzen sollen sie ihre Brückenfunktion optimal wahrnehmen und damit auch extremistischen Strömungen in ihren Moscheegemeinden entgegenwirken.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.05.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln