Rechtsextreme Strukturen in der Region Ostfriesland
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.03.2009; Fragestunde
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Zum zweiten Mal im Laufe dieses Jahres ist auf die Kreisgeschäftsstelle der Grünen in Leer ein Anschlag mit offensichtlich rechtsextremem Hintergrund verübt worden. Während die Geschäftsstelle vor einigen Wochen mit Farbbeuteln attackiert wurde und rechtsextreme Aufkleber an den Fenstern hinterlassen wurden, ist im aktuellen Fall ein noch erheblich größerer Sachschaden verursacht worden. So wurde nun die Glastür der Grünen-Geschäftstelle eingetreten, Teile der Büroräume wurden verwüstet, und Plakate, die sich gegen Rechtsextremismus richteten, wurden gezielt zerstört.
Ich frage die Landesregierung:
- Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über rechtsextreme Strukturen von NPD und sogenannten "freien Kameradschaften" in der Region Ostfriesland?
- Welche Strategien verfolgt die Landesregierung, um den rechtsextremistischen Aktivitäten in der Region Ostfriesland entgegenzuwirken?
- Welche Maßnahmen werden zum Schutz demokratischer Parteien/Veranstaltungen und zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus unternommen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Zum Gegenstand der mündlichen Anfrage hat die Polizeidirektion Osnabrück Stellung genommen; danach stellt sich der Vorgang wie folgt dar:
Zwischen Freitag, 06.03.2009, 23:00 Uhr, und Samstag, 07.03.2009, 08:00 Uhr, sind vermutlich mehrere bislang unbekannte Täter durch die Eingangstür in die Geschäftsstelle der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" in Leer eingedrungen. Neben diversen weiteren Verwüstungen wurde ein dort aufgehängtes Plakat mit dem Schriftzug "Gegen Nazis" zerrissen. Der Gesamtschaden wird auf rund 500 Euro geschätzt.
Die Polizeiinspektion Leer/Emden hat nach bekannt werden der Tat unverzüglich alle erforderlichen polizeilichen Maßnahmen getroffen. Das für den Polizeilichen Staatsschutz zuständige Fachkommissariat führt die Ermittlungen in dem gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung eingeleiteten Strafverfahren.
Bereits in der Nacht zum 29.01.2009 begingen ein oder mehrere bislang unbekannte Täter eine mutmaßlich politisch motivierte Sachbeschädigung an der in Rede stehenden Parteigeschäftsstelle.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Nach Erkenntnissen der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde gehört die Region Ostfriesland organisatorisch zu dem NPD-Unterbezirk Wilhelmshaven. Dieser mitgliederschwache Unterbezirk ist derzeit nahezu inaktiv. Es ergeben sich Hinweise auf die Existenz von NPD-Stützpunkte in Aurich/Emden, Friesland, Wittmund und Leer. Diese Stützpunkte sind bisher jedoch nicht öffentlichkeitswirksam in Erscheinung getreten.
Dem Verfassungsschutz liegen keine Erkenntnisse über die Existenz rechtsextremistischer Kameradschaften in der Region Ostfriesland vor. In dieser Region agieren jedoch die den Autonomen Nationalisten zuzurechnenden Aktionsgruppen "AG Wiking Wilhelmshaven" und "Autonome Nationalisten Ostfriesland".
Zu 2.:
Die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde hat im Rahmen ihrer Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit ein integriertes Gesamtkonzept zur Bekämpfung des Rechtsextremismus erarbeitet und setzt damit bereits vielfältige Maßnahmen in der Region Ostfriesland wie landesweit um.
Einen wesentlichen Bestandteil dieses Gesamtkonzeptes stellt die Wanderausstellung "Unsere Demokratie schützen – Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus" dar. Diese Ausstellung soll das Problembewusstsein insbesondere in der Schülerschaft schärfen, indem sie grundlegende Informationen über rechtsextremistische Erscheinungsformen und Werbemethoden vermittelt. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Beispiele rechtsextremistischer Musik. Daneben sind ein Einführungsfilm, zahlreiche Informationstafeln und ein Medienturm, der die Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten aufzeigt, Bestandteil der Präsentation. Die Ausstellung wurde in den Jahren 2006 bis 2008 auch in den Orten Emden, Aurich, Papenburg und Westerstede gezeigt. In diesen vier Ausstellungsorten konnten insgesamt 2.300 Schülerinnen und Schüler durch die Ausstellung geführt werden, landesweit waren es mehr als 20.000.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die zentrale landesweite Lehrerfortbildung in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Kultusministerium, dem Niedersächsischen Landesamt für Lehrerbildung und Schulentwicklung und der Landesschulbehörde. Seit dem Jahr 2005 läuft eine gemeinsame Fortbildungsreihe mit Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen für Lehrkräfte. Bislang wurden drei Veranstaltungen für die Regionen Emsland, Oldenburg und Ostfriesland durchgeführt. Für das Jahr 2009 ist eine weitere Lehrerfortbildung für diese Regionen geplant.
Mit einem weiteren Konzept fördert die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde die politischen Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremismus in den Kommunen und berät sie bei Immobiliengeschäften mit rechtsextremistischem Hintergrund. Seit November 2007 bietet sie Informationsveranstaltungen an, in denen kommunale Mandatsträger über aktuelle rechtsex-tremistische Bestrebungen aufgeklärt werden. In einer Auftaktveranstaltung am 29.11.2007 in Oldenburg konnten 180 Mandatsträgerinnen und Mandatsträger aus den nordwestlichen Landesteilen erreicht werden.
Darüber hinaus geht die niedersächsische Polizei in der Region Ostfriesland wie im gesamten Land nachdrücklich und unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten gegen den Rechtsextremismus und insbesondere in diesem Zusammenhang begangene Straftaten vor. Mögliche polizeiliche Maßnahmen reichen dabei beispielsweise von Präventionsmaßnahmen, wie der Durchführung von örtlichen Informations- und Aufklärungsveranstaltungen an Schulen, die Beteiligung an kommunalen Präventionsräten, der Vertretung des Landeskriminalamtes Niedersachsen im Fachbeirat der Clearingstelle Rechtsextremismus des Niedersächsischen Landespräventionsrates, der landesweiten "Hotline gegen Rechts", bis zu strafprozessualen Maßnahmen, wie der beweiskräftigen Tatortaufnahme durch besonders geschulte Polizeibeamtinnen und -beamte und der Ermittlungsführung durch Experten des Polizeilichen Staatsschutzes.
Die Polizei macht dabei nicht nur von strafprozessualen Maßnahmen Gebrauch, sondern nimmt auch alle zulässigen Möglichkeiten der gefahrenabwehrrechtlichen Instrumentarien in Anspruch.
Zu 3.:
Die niedersächsische Polizei unternimmt im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten alle Anstrengungen, um rechtsmotivierten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern bzw. aufzuklären. In der Region Ostfriesland wie im übrigen Niedersachsen schützt sie auf der Grundlage ihres gesetzlichen Auftrages die Ausübung der Grundrechte, wie die freie Meinungsäußerung oder das Recht auf Versammlung.
Im Bereich der Polizeidirektion Osnabrück sind bislang keine Vorkommnisse bekannt geworden, bei denen Rechtsextremisten Veranstaltungen, die sich gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit richten, gestört haben. Im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl hat die Polizeidirektion Osnabrück mit den örtlichen Parteigeschäftsstellen bereits Kontakt aufgenommen und Ansprechpartner benannt, um gegebenenfalls erforderlich werdende polizeiliche Maßnahmen abzustimmen und vorzubereiten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.03.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010