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Beschäftigte mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26.03.2009; TOP 26


Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP; Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem von Bundeskanzlerin Merkel initiierten "Nationalen Integrationsplan", der von allen Bundesländern getragen wird, wurde festgehalten - ich zitiere:

"Integration kann nur dann gelingen, wenn sich auch die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen den Zugewanderten öffnen und der Zuwanderungsrealität Rechnung tragen. Die Länder streben deshalb die interkulturelle Öffnung ihrer Verwaltung an. Dazu gehören sowohl Qualifizierungsmaßnahmen für alle öffentlich Bediensteten als auch Bemühungen zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund."

(Zitatende)

Niedersachsen ist diese Aufgabe offensiv angegangen. Bereits am 27. Mai 2008 hat Niedersachsen die von der Integrationsbeauftragten des Bundes, Staatsministerin Frau Böhmer ins Leben gerufene "Charta der Vielfalt" unterschrieben. Durch die Unterzeichnung verpflichten sich Unternehmen und jetzt auch das Land Niedersachsen ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen und Ausgrenzung ist. Ziel der Initiative ist die Förderung von Toleranz, Pluralität und Vielfalt als Bestandteil der Unternehmenskultur – von der Einstellung der Beschäftigten über die Ausbildung bis hin zu Karrierechancen. Mit der Unterzeichnung der "Charta der Vielfalt" wird die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung intensiviert.

Die Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung ist ein Schwerpunkt der Integrationspolitik der Landesregierung. Beispielgebend sind hier die umfangreichen Aktivitäten der Polizei Niedersachsens zur Gewinnung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund für den Polizeivollzugsdienst. Im Rahmen der Nachwuchsgewinnung wurden allein für den Einstellungstermin 01.10.2008 insgesamt sieben Werbeveranstaltungen mit jeweils 80 bis 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Zwei Veranstaltungen wurden ausschließlich für junge Menschen mit Migrationshintergrund ausgerichtet. In den anderen fünf Veranstaltungen lag ihr Anteil bei rd. 50%.

Der Entwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für diese Entschließung ist in der Kommission zu Fragen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich positiv aufgenommen worden. Man hat allerdings den Wunsch geäußert, man möge eine gemeinsame Entschließung fassen, die von allen Fraktionen mitgetragen wird. Die Regierungsfraktionen haben sich gesprächsbereit gezeigt. Ich freue mich, dass die SPD-Fraktion diesem Wunsch ebenfalls Rechnung getragen hat und man sich auf einen abgestimmten Text verständigen konnte. Zu meinem Bedauern haben sich die Grünen zu diesem Schritt nicht entschließen können. Damit wurde die Chance vertan, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund in diesem Punkt ein klares Signal zu setzen.

Dies gilt umso mehr, da der Änderungsantrag sich in vielen Punkten inhaltlich, im Punkt der Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen sogar wörtlich, gleicht. Ich bitte aber um Verständnis: Eine Einstellungsquote kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommen. Die Einstellung in den öffentlichen Dienst muss nach wie vor ausschließlich nach Eignung und Befähigung erfolgen. Die besonderen Fähigkeiten der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, wie die Mehrsprachigkeit und die interkulturelle Kompetenz soll aber in Aus-wahlverfahren stärker Beachtung finden.

Uns ist bewusst, dass der Zugang zum öffentlichen Dienst für Menschen mit Migrationshintergrund zu einer Selbstverständlichkeit werden muss.

Eine bürgerorientierte, moderne Landesverwaltung hat in ihren Reihen Menschen mit Migrationshintergrund. Dies bringt Vorteile für alle Beschäftigten, insbesondere in Aufgabenbereichen mit vielen Bürgerkontakten. Es geht aber auch darum, das vorhandene Personal für den Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund zu schulen.

Das Ministerium für Inneres, Sport und Integration hat bereits im Rahmen der interkulturellen Öff-nung den Anfang gemacht. Im letzten Jahr hat das Ministerium zusammen mit den Polizeidirektionen gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund angeworben. Zum letzten Einstellungstermin für den Polizeidienst lagen bereits 500 Bewerbungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund vor. Bei der niedersächsischen Polizei gibt es schon über 300 Beschäftigte mit Migrationshintergrund. Sie sind ein großer Gewinn. Denn für eine erfolgreiche Polizeiarbeit brauchen wir Beamtinnen und Beamte, die die Kulturen, Denk- und Lebensweisen möglichst aller hier lebenden Menschen kennen. Sie sind – auch mit ihren Sprachkenntnissen - häufig "Brückenbauer" zwischen Bürger und Verwaltung und tragen zum gegenseitigen Verständnis bei.

Diese positiven Erfahrungen sollen bei Einstellungen auch in anderen Zweigen der Landesver-waltung genutzt werden. Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung kommt insbesondere in Schulen, Hochschulen, im Justizvollzug, in der Gerichtsbarkeit und in den Gesundheitseinrichtungen in Betracht.

Wir brauchen auch im Bildungswesen mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Gerade in den Schulen, aber auch in den Kindertagesstätten benötigen wir Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher mit eigener Zuwanderungsgeschichte. Es geht darum, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besser erreichen und fördern zu können. Dies kommt dem Lernklima in den Klassen der Schulen und damit allen Schülerinnen und Schülern zu Gute.

Wir wollen die interkulturelle Kompetenz auch beim vorhandenen Personal stärken.

Hierzu gibt es jetzt einen Beschluss der Landesregierung.

Den Ressorts wurden zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von 70.000 € für Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. An den interkulturellen Trainings nahmen rund 230 Beschäftigte teil. Bisher wurden beispielsweise Beschäftigte aus dem Bereich der Bewährungshilfe, der Hochschulen und der Oberfinanzdirektionen geschult. Dieses Programm wird in diesem Jahr in weiteren Landesbereichen fortgesetzt.

Das Land hat im Jahr 2008 als ersten Schritt die Kommunen unterstützt, die ihren Beschäftigten Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz anbieten wollten. Wir haben "Eckpunkte zur Förderung von Fortbildungsmaßnahmen – interkulturelle Kompetenz für Ausländerbehörden" festgelegt. Danach konnten auf Antrag zielgruppenorientiert konzipierte und am örtlichen Bedarf ausgerichtete Fortbildungen gefördert werden. Insbesondere die Beschäftigten der Ausländerbehörden haben dabei Berücksichtigung gefunden.

Wenn die Landesregierung die Charta der Vielfalt unterzeichnet hat, so geschah dies in der Erwartung, dass auch die Kommunen und die Wirtschaft es als Signal verstehen, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in der Arbeitswelt voranzubringen. Denn: Gelingt es unserer Gesellschaft nicht, Zugewanderte zu integrieren, so sind die gesellschaftlichen Kosten einer Nichtintegration um ein Vielfaches höher als das, was wir jetzt als Land, aber auch als Zivilgesellschaft investieren.

Deshalb haben wir auch zahlreiche Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung der Landesverwaltung in das von der Landesregierung verabschiedete Handlungsprogramm Integration aufgenommen.

Ich begrüße im Namen der Landesregierung ausdrücklich die Entschließung des Landtages. Sie unterstreicht den Willen, den Menschen mit Migrationshintergrund einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.03.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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