Härtefallkommission
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19.02.09, TOP 16b
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion der SPD; es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
"Wulff greift bei Härtefall ein - Nach Kritik aus Kirchen und Verbänden befasst sich Ministerpräsident mit Flüchtlingsschicksalen", berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30. Januar 2009. "Der interne Frust war so groß, dass die Kirchen schon mit dem Braunschweiger Friedrich Weber einen Bischof in die Staatskanzlei schickten und, kurz vor Weihnachten, schließlich auch Ministerpräsident Wulff hellhörig wurde", heißt es dort. Der Ministerpräsident lässt sich mit folgenden Worten zitieren: "Ich bin der Kritik selbst nachgegangen, habe mit Bischof Weber gesprochen und meine, wir sind jetzt auf dem Weg in die richtige Richtung." Die Kritiker der gegenwärtigen Härtefallpraxis in Niedersachsen erwarten jedoch, dass die achtköpfige zu einer neunköpfigen Kommission erweitert wird, um schneller zu Zweidrittelmehrheiten zu kommen. Auch eine Beteiligung der Betroffenen über die Einbeziehung des niedersächsischen Flüchtlingsrates in das Härtefallgremium wird gefordert.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Warum war ein Eingreifen des Ministerpräsidenten erforderlich, welche Kritik ist von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden vorgebracht worden, und was ist nach dem Machtwort des Ministerpräsidenten im Ministerium für Inneres, Sport und Integration konkret veranlasst worden?
- Beabsichtigt die Landesregierung vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen, das interne Vorprüfungsverfahren in Härtefallangelegenheiten künftig transparenter zu gestalten oder auf dieses Verfahren künftig gänzlich zu verzichten?
- Welche konkreten Veränderungen der Verordnung über die Härtefallkommission beabsichtigt die Landesregierung zum Bespiel mit Blick auf die geforderte Erweiterung der Härtefallkommission auf neun Mitglieder und die Vertretung des niedersächsischen Flüchtlingsrates?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Gesetzgeber hat bei der Regelung des § 23a des Aufenthaltsgesetzes außergewöhnliche Einzelfälle im Blick gehabt, die vom gesetzlichen Regelfall so erheblich abweichen, dass eine Ausnahme gerechtfertigt sein kann. Hier wurde der Überlegung Rechnung getragen, dass eine abstrakte gesetzliche Regelung gerade in diesem Rechtsbereich nicht jeden Lebenssachverhalt berücksichtigen kann. Allein die Tatsache, dass die Anforderungen der gesetzlichen Bestimmungen nicht erfüllt werden, kann somit nicht der Maßstab für die Annahme als Härtefall sein. Das Gleiche gilt, wenn sich eine besondere Situation für Ausländer aus bestimmten Herkunftsstaaten oder andere Ausländergruppen ergeben hat, weil für derartige gruppenbezogene Situationen der Gesetzgeber das Instrument der Bleiberechtsregelungen nach § 23 geschaffen hat.
Nach § 23a des Aufenthaltsgesetzes können Härtefallkommissionen durch ihr Ersuchen die oberste Landesbehörde ermächtigen, abweichend von den im Aufenthaltsgesetz enthaltenen Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen anzuordnen, dass einem ausreispflichtigen ausländischen Staatangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Härtefallkommission hat somit kein Letztentscheidungsrecht, sondern ihre Ersuchen haben lediglich Empfehlungscharakter. Die endgültige Entscheidung hat das Fachministerium zu treffen; diese Entscheidungen habe ich mir als verantwortlicher Ressortminister persönlich vorbehalten. Diese Entscheidungen sind mir nicht immer leicht gefallen, aber ich kann und will mich der mir nach der Verfassung obliegenden Verantwortung auch nicht dadurch entziehen, dass ich derartige Entscheidungen auf eine von mir eingerichtete Kommission abwälze.
Die Zahl der von der Härtefallkommission beratenen Fälle wurde wesentlich durch die am 17.11.2006 von der IMK beschlossene Bleiberechtsregelung für langjährig hier lebende geduldete Ausländerinnen und Ausländer sowie durch die sich anschließende gesetzliche Altfallregelung beeinflusst. Das hat dazu geführt, dass eine große Zahl der Ausländerinnen und Ausländern bereits Aufenthaltserlaubnisse nach der Bleiberechts- bzw. Altfallregelung erhalten hat, die grundsätzlich auch für Härtefallentscheidungen in Betracht gekommen wären. Somit haben sich viele Eingaben an die Härtefallkommission von vornherein erübrigt.
Bei der Härtefallkommission sind insgesamt 159 Eingaben eingegangen. Zur Beratung angenommen wurden 127 Fälle, wovon sich 40 durch zwischenzeitlich nach der Altfallregelung erteilte Aufenthaltserlaubnisse und 13 anderweitig positiv erledigt haben. In 12 Fällen ist die Beratung zurückgestellt, weil über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung noch nicht abschließend entschieden wurde. Der Härtefallkommission liegen derzeit 14 Fälle vor, die entscheidungsreif sind und in 17 Fällen ist vom Ministerium eine Stellungnahme erbeten worden.
Die Härtefallkommission hat bis heute über 31 Fälle entschieden; davon wurde in 18 Fällen ein Härtefallersuchen gestellt und in 13 Fällen nicht. Von den 18 Härtefallersuchen habe ich in 14 Fällen angeordnet, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und in 4 Fällen nicht, weil mir die Gründe für eine Ausnahmeentscheidung nicht ausreichend waren bzw. Gründe in der Person vorlagen, die eine positive Entscheidung nicht rechtfertigen konnten.
Auf Grund der Koalitionsvereinbarung ist die Härtefallkommissionsverordnung im vergangenen Jahr nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände und Beteiligung der Kirchen überarbeitet worden. Die Änderungsverordnung enthielt drei wesentliche Änderungen und ist am 17.09.2008 in Kraft getreten.
Der Vorschlag, das für ein Härtefallersuchen erforderliche Abstimmungsquorum abzusenken, ist nicht berücksichtigt worden. Für die Entscheidung, ob im Einzelfall einem nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen wegen besonderer Härte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, ist bewusst eine qualifizierte Mehrheit von 2/3 der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder festgelegt worden. Damit soll der Bedeutung und den Auswirkungen, die sich aus dem Härtefallersuchen ergeben, Rechnung getragen werden. Eine einfache Mehrheit kann der Bedeutung eines positiven Votums nicht hinreichend genügen. Ein entsprechendes Abstimmungsquorum wird deshalb auch in 13 Ländern praktiziert. Mit der Änderung der Regelung in der Verordnung von bisher 6 Stimmen auf 2/3 der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder ist die Handlungsfähigkeit der Kommission verbessert worden, weil jetzt auch mit weniger als 6 Stimmen ein Ersuchen gestellt werden kann, weil sich das Quorum nicht mehr auf die Zahl der Mitglieder, sondern auf die anwesenden Mitglieder bezieht.
Meine Antwort wäre allerdings unvollständig, wenn ich heute nicht auf die vielfach öffentlich von Vertretern der Kirchen, der Wohlfahrts- und Flüchtlingsverbände und gestern auch noch vom früheren Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Mahrenholz erhobenen Vorwürfen eingehen würde, dass in Niedersachsen eine rigide Flüchtlingspolitik betrieben würde. Ich gehe davon aus, dass die Aussagen in der Zeitung richtig wiedergegeben wurden; jedenfalls habe ich keine Korrekturwünsche von Herrn Prof. Mahrenholz vernommen. Vielmehr wird – wie der heutigen Presse zu entnehmen ist - die Kritik von Prof. Mahrenholz von der Landtagsopposition begrüßt (Mdl Bachmann, MdL Polat).
Herr Prof. Mahrenholz kritisiert zunächst allgemein die Zielsetzung des Gesetzgebers, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern und verweist darauf, dass nach § 1 das Aufenthaltsgesetz auch der Erfüllung humanitärer Verpflichtungen der Bundesrepublik diene und bei staatlichem Handeln der grundrechtliche Schutz der Menschenwürde zu beachten sei. Der Bundesgesetzgeber hat neben die von Prof. Mahrenholz genannte Zielsetzung im § 1 des Aufenthaltsgesetzes jedoch auch bestimmt, dass das Gesetz der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs dient und die Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik gestaltet wird. Der Gesetzgeber hat somit die unterschiedlichen Zielsetzungen gleichermaßen im Blick gehabt. So sind die humanitären Aspekte im Kapitel 2, Abschnitt 5 in den §§ 22 – 26 ausdrücklich geregelt. Darüber hinaus besteht für die Flüchtlingsanerkennung mit dem Asylverfahrensgesetz ein eigenes Gesetz, so dass die durch die Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt werden. Dass dieses bundesgesetzliche Regelwerk in seinen Zielsetzungen den verfassungsrechtlichen Ansprüchen des Grundgesetzes genügt, wird auch von Mahrenholz nicht bezweifelt, so dass unklar bleibt, wen diese Kritik treffen soll.
Entschieden widersprechen muss ich Prof. Mahrenholz, wenn er die Regelung in der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung kritisiert, wonach einem ausreisepflichtigen Ausländern grundsätzlich auch im Wege einer Ausnahmeentscheidung kein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden soll, wenn er selbst seinen Verpflichtungen zu Identitätsaufklärung und Passbeschaffung nicht nachgekommen ist und er damit seine Aufenthaltsbeendigung verhindert hat. Ein derartiges Verhalten muss bei Härtefallentscheidungen unbedingt gewürdigt werden und darf nur dann unbeachtlich sein, wenn auf der anderen Seite erhebliche Integrationsleistungen vorgewiesen werden können, die in der Gesamtbetrachtung das Fehlverhalten ausgleichen oder sogar überwiegen können. Genau das wird den Mitgliedern der Härtefallkommission bei ihrer Entscheidungsfindung durch die Verordnung aufgegeben. Das ist auch völlig richtig, weil es bei dem Grundsatz bleiben muss, dass bei dauerhaft ordnungs- und rechtswidrigem Verhalten kein Aufenthaltsrecht erzwungen werden darf.
Als Beispiel für eine besonders rigide niedersächsische Regelung nennt Prof. Mahrenholz die Bestimmung, dass zum Härtefallverfahren nicht zugelassen wird, wer in den letzten 3 Jahren wegen einer Straftat zu einer Geldstrafe von insgesamt mindestens 90 Tagen verurteilt worden ist. Er verweist darauf, dass der Bundesgesetzgeber sogar noch bei 180 Tagessätzen die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zulassen würde. Hier allerdings irrt Prof. Mahrenholz, da die von ihm angesprochenen 180 Tagessätze nur im alten Ausländergesetz enthalten sind. Im Aufenthaltsgesetz ist seit dem 19.08.2007 eine entsprechende Grenze nicht mehr enthalten; vielmehr ist im Entwurf der derzeit zwischen Bund und Ländern erörterten Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz die Bestimmung enthalten, dass ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, (die jetzt Niederlassungserlaubnis bzw. Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG heißt), grundsätzlich nicht erteilt werden darf, wenn jemand wegen einer Straftat zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist. Der Hinweis von Prof. Mahrenholz auf geltendes Recht geht somit fehl.
Prof. Mahrenholz erwähnt auch leider nicht, dass die Verordnungen der Länder insoweit nur eine Bestimmung präzisieren, die bereits in der gesetzlichen Ermächtigungsnorm für den Erlass von Härtefallkommissionsverordnungen enthalten ist. Nämlich § 23a Abs. 1 Satz 3 lautet: "Die Annahme eines Härtefalls ist in der Regel ausgeschlossen, wenn der Ausländer Straftaten von erheblichem Gewicht begangen hat."
Nun kann man sicher geteilter Meinung sein, was eine Straftat von erheblichem Gewicht ist. Jedenfalls habe ich bei der Betrachtung unserer Regelung schon gelegentlich das Gefühl, dass wir mit der Festlegung, dass Straftaten die mit Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen geahndet wurden, sehr weit gehen. Denn darunter fallen nämlich auch Straftaten, die nicht als Bagatelle angesehen werden können, sondern schon einiges Gewicht haben. Ich habe mir einmal aus ausländerrechtlichen Vorgängen heraussuchen lassen, welche Geldstrafen für bestimmte Straftaten verhängt wurden.
So wurden beispielsweise an Geldstrafen verhängt
- für Diebstahl:
- Tat : Einstellung wg. Geringfügigkeit
- Tat: Einstellung gegen Auflagen
- Tat: 10 – 30 Tagessätze
- Tat: 50 – 60 Tagessätze
- Tat: Freiheitsstrafe
- für einen Verstoß gegen das Fleischhygienegesetz: 20 Tagessätze in einem Wiederholungsfall.
- für unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln: 15 Tagessätze bei der ersten Verurteilung und 50 Tagessätze bei der 7. Verurteilung,
- für unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln: 30 Tagessätze,
- für Fahren unter Alkoholeinfluss: 30 Tagessätze,
- für Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: 25 Tagessätze und 40 Tagessätze im Wiederholungsfall,
- für vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis: 30 Tagessätze bei der1. Verurteilung und 80 Tagessätze bei der 4. Verurteilung,
- für unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen: 90 Tagessätze und
- für Urkundenfälschung in Tateinheit mit falschen Angaben zur Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung: 40 – 90 Tagessätze.
Wenn ausreispflichtigen Ausländern auch nach derartigen Straftaten nach der Härtefallkommissionsverordnung in Niedersachsen noch die Möglichkeit haben, im Wege einer Härtefallentscheidung ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erreichen, fehlt mir jedes Verständnis dafür, wenn Prof. Mahrenholz gerade diese Regelung als Beispiel besonders rigider Flüchtlingspolitik tituliert.
Des Weiteren kritisiert Prof. Mahrenholz, dass Kinder von lediglich geduldeten Flüchtlingen und von Asylbewerbern in Niedersachsen - anders als in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg - nicht schulpflichtig seien und wirft dem Landtag vor, insoweit ein verfassungswidriges Schulgesetz erlassen zu haben. Auch dieser Vorwurf ist falsch. In Niedersachsen sind alle Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt schulpflichtig, wobei es auf den ausländerrechtlichen Status gar nicht ankommt. Diese Bestimmung im Niedersächsischen Schulgesetz gilt bereits seit Jahren, somit schon zu der Zeit als Prof. Mahrenholz selbst Niedersächsischer Kultusminister war. Das zeigt ein Vergleich der jeweiligen Schulgesetze:
§ 46 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes in der Fassung vom 18.8.1975 lautet:
"Wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zum Schulbesuch verpflichtet."
§ 63 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes in der Fassung vom 3.3.1998 lautet:
"Wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs- oder Arbeitsstätte hat, ist nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zum Schulbesuch verpflichtet."
Die Formulierung ist somit nahezu wortgleich, die Schulpflicht ist lediglich auf Schüler erweitert worden, die ihre Ausbildung in Niedersachsen absolvieren. Der Vorwurf des heutigen Prof. Mahrenholz, in Niedersachsen sei ein verfassungswidriges Schulgesetz geschaffen worden, ist somit falsch. Der Vorwurf ist damit auch zu Unrecht gegenüber dem damaligen Kultusminister Mahrenholz und die damaligen Abgeordneten der Fraktionen von SPD und FDP erhoben worden.
Schließlich kritisiert Prof. Mahrenholz noch, dass in Niedersachsen Flüchtlinge nicht geduldet würden, wenn sie im Alter nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Das ist falsch. Anerkannte Flüchtlinge erhalten von Anfang an ein Aufenthaltsrecht und zwar unabhän-gig davon, ob sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen oder nicht. Daran ändert sich auch im Alter nichts, weil sich dieses Recht aus der Genfer Flüchtlingskonvention ableitet.
Deshalb kann Prof. Mahrenholz nur die geduldeten ausländischen Staatsangehörigen gemeint haben, denen kein Schutz in Deutschland gewährt wurde, weil ihnen nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und der Verwaltungsgerichte - in einigen Fällen wurde sogar das Bundesverfassungsgericht bemüht - keine Verfolgung oder Gefahr im Herkunftsland droht. Wenn diese Ausländer aus Gründen, die sie überwiegend selbst geschaffen oder zu vertreten haben, jahrelang nicht abgeschoben werden können, kommt nur die weitere Verlängerung der Duldung oder die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach einer Bleiberechts- oder Altfallregelung in Betracht. Die Kritik von Prof. Mahrenholz richtet sich damit offensichtlich gegen die gesetzliche Altfallregelung des § 104a des Aufenthaltsgesetzes, wonach grundsätzlich denjenigen ausreisepflichtigen Ausländern ein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht eingeräumt wird, wenn sie sozial und wirtschaftlich integriert sind, d.h. wenn sie ihren Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen bestreiten können. Nach dieser Regelung kann somit nicht begünstigt werden, wer keiner Erwerbstätigkeit oder nur für eine kurze Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Das ist aus Gründen der Gerechtigkeit und der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der hiesigen Bevölkerung auch geboten.
Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Es kommt illegal ein 45-jähriger Ausländer nach Deutschland. Sein Asylantrag wird abgelehnt; die Ablehnung gerichtlich bestätigt. Er kommt seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nach. Da er aber auch nicht bei der Klärung seiner Identität und der Passbeschaffung mitwirkt, kann er nicht abgeschoben werden. Er muss geduldet werden. Dieser Zustand hält jahrelang an. Einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geht der Ausländer nicht nach, sondern er arbeitet nur gelegentlich geringfügig und bezieht von Anfang an öffentliche Leistungen.
Dazu stelle ich jetzt folgende Frage: Aus welchem Grund soll diesem jahrelang geduldeten Ausländer mit Erreichen der Altersgrenze nun eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, obwohl er keinerlei Integrationsleistungen erbracht und weder Steuern noch Sozialleistungen entrichtet hat?
Es liegt doch auf der Hand, dass in solchen Fällen generelle Bleiberechts- und Altfallregelungen nicht anwendbar sein können. Somit kann in solchen Fällen nur nach einer individuellen Prüfung, ob Besonderheiten im Einzelfall vorliegen, ein Aufenthaltsrecht in Frage kommen. Mit derartigen Fällen könnte sich auch die Härtefallkommission befassen, wobei sie eine Abwägung der berechtigten öffentlichen Interessen und der schutzwürdigen Belange der betroffenen Ausländer vorzunehmen hätte.
Beiläufig erwähnt Prof. Mahrenholz noch, dass den jungen geduldeten Ausländern eine eigene Perspektive geboten werden sollte. Das ist der einzige Punkt, in dem ich ihm in vollem Umfang beipflichten möchte. Inzwischen ist auch das Aufenthaltsgesetz um einen neuen § 18a ergänzt worden, der es ausländischen Jugendlichen ermöglicht, nach einem erfolgreichen Schulbesuch eine Berufsausbildung zu beginnen und bei weiterem Erfolg eigenständig ein Aufenthaltsrecht unabhängig vom Status der Eltern zu erwerben. Ich hoffe sehr, dass diese Regelung künftig vielen geduldeten Jugendlichen eine Perspektive eröffnet.
Nach diesen Vorbemerkungen beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:
Zu 1.:
Die von den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden geäußerte Kritik bezog sich auf Vorschläge zur Änderung der Härtefallkommissionsverordnung. Darüber hinaus wurde geltend gemacht, dass die Fallzahlen in der Härtefallkommission zu gering seien und die Umsetzung von Härtefallersuchen zu restriktiv erfolge. Die Tätigkeit der Härtefallkommission war deshalb auch Gegenstand von Gesprächen, die der Ministerpräsident mit Vertretern der Kirchen geführt hat.
Die Landesregierung ist nach der Verständigung der Regierungsparteien auf eine Überprüfung des Härtefallverfahrens im letzten Jahr einigen Wünschen durch die Änderung der Härtefallkommissionsverordnung nachgekommen. So führt jetzt die Sperrwirkung aufgrund früherer Aufenthaltsbeendigungen und die qualifizierte Ablehnung von Asylanträgen nicht mehr zum Ausschluss vom Härtefallverfahren. Auch sind jetzt nicht mehr alle übrigen Familienmitglieder vom Härtefallverfahren ausgeschlossen, wenn einzelne Familienangehörige Straftaten begangen haben.
Trotz der durch die Änderung der Verordnung eingetretenen Verfahrenserleichterungen ist es in Einzelfällen zu unterschiedlichen Auffassungen in der Härtefallkommission gekommen. Ein in diesem Zusammenhang an den Ministerpräsidenten herangetragener Einzelfall – der von der Härtefallkommission abgelehnt wurde - ist dem Fachministerium zu einer erneuten Prüfung der Sach- und Rechtslage übermittelt worden. Ohne die persönlichen Daten in diesem Fall zu nennen, kann ich soviel sagen: Es handelt sich um eine Familie, die die zeitlichen Voraussetzungen der Altfallregelung nicht erfüllt, aber wegen der Situation im Herkunftsland bis auf weiteres auch nicht abgeschoben werden kann. Da sie sich gut integriert hat, kann mit einer positiven Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt gerechnet werden, wenn für alle Familien aus diesem Herkunftsland eine entsprechende Regelung getroffen wird.
Zu 2.:
Nach § 5 Abs. 1 der Härtefallkommissionsverordnung entscheidet die Härtefallkommission durch ihr vorsitzendes Mitglied, ob die Voraussetzungen für ihr Tätigwerden vorliegen. In Satz 2 dieser Bestimmung sind die Gründe, aus denen eine Eingabe nicht zur Beratung angenommen werden kann, abschließend aufgeführt. Einzelne Nichtannahmegründe sind auf Vorschlag der Kirchen und Verbände mit der letzten Änderung der Härtefallkommissionsverordnung bereits entfallen. Ein vollständiger Verzicht auf die Feststellung der Nichtannahmegründe durch das vorsitzende Mitglied würde die Kommission mit offensichtlich aussichtslosen Fällen belasten und ist daher weder wünschenswert noch beabsichtigt.
Die in Frage 1 genannte Kritik bezog sich im Übrigen nicht auf diese Regelung, so dass auch aus diesem Grunde kein Änderungsbedarf gesehen wird.
Bei der Prüfung dieser Nichtannahmegründe hat das vorsitzende Mitglied auch keinen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum, sondern es hat lediglich festzustellen, ob eine der dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt ist. Die Kommissionsmitglieder werden durch das vorsitzende Mitglied in jedem Einzelfall über das Vorliegen eines Nichtannahmegrundes informiert. Somit handelt es sich für alle Beteiligten um ein vollständig transparentes Verfahren. Deshalb wird auch kein Änderungsbedarf gesehen.
Zu 3.:
Eine erneute Änderung der Härtefallkommissionsverordnung ist derzeit nicht beabsichtigt, zumal die Verordnung aufgrund der seinerzeit befristeten bundesgesetzlichen Ermächtigung mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft tritt. Nachdem inzwischen die gesetzliche Befristung des § 23a des Aufenthaltsgesetzes aufgehoben wurde, wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein, ob und mit welchen Inhalten eine neue Härtefallkommissionsverordnung erlassen werden soll. Sollte sich zwischenzeitlich ein Änderungsbedarf abzeichnen, kann dies bei der Neufassung berücksichtigt werden.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.02.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010