Auswirkungen der Konjunkturpakete I und II
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19.02.2009; TOP 16a
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE; Es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
In den Konjunkturpaketen I und II sind neben der Förderung öffentlicher Investitionen, vor allem der Städte, Gemeinden und Landkreise, gleichzeitig Maßnahmen für Steuersenkungen verankert. Rückwirkend zum 1. Januar 2009 soll der Grundfreibetrag in der Lohn- und Einkommensteuer um 170 Euro auf 7 834 Euro angehoben werden. Ab dem Jahr 2010 steigt er auf 8 004 Euro. Der Eingangssteuersatz sinkt ab Januar 2009 von 15 % auf 14 %. Um die sogenannte kalte Progression abzuflachen, werden die Tarifeckwerte ab dem Jahr 2009 um 400 Euro und im Jahr 2010 noch einmal um 330 Euro verschoben. Verbessert wird ab dem Jahr 2009 die steuerliche Abzugsfähigkeit von Handwerkerleistungen. Bereits wieder eingeführt ist die steuersenkende degressive Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Dazu kommen erhebliche Reduzierungen der Lohnsteuer aus der Wiedereinführung der Pendlerpauschale bis zum 20. Entfernungskilometer.
All diese steuersenkenden Vorhaben führen zu erheblichen Einnahmeausfällen bei den öffentlichen Haushalten, darunter in den Kommunalhaushalten. Ein bedeutender Teil bereits eingeplanter Einnahmen der öffentlichen Haushalte, darunter der Kommunen, wird nach Meinung vieler Experten wegbrechen. Eine Ende Januar 2009 veröffentlichte Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat dazu Folgendes ergeben:
Im Jahr 2009 dürften den Kommunen aus den Konjunkturpaketen bundesweit zusätzliche Investitionsmittel in Höhe von voraussichtlich 6,3 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Im Jahr 2010 könnten es noch einmal 5,8 Milliarden Euro sein. Doch gleichzeitig verursachen die genannten Steuersenkungen in den Konjunkturpaketen sowie die Wiedereinführung der Pendlerpauschale bis zum 20. Entfernungskilometer massive Steuerausfälle bei den Kommunen.
Angesichts der Tatsache, dass die Kommunen in den meisten Bundesländern über den kommunalen Finanzausgleich auch von den Steuereinnahmen des jeweiligen Landes abhängig sind, beziffert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung die kommunalen Mindereinnahmen in diesem Jahr bundesweit insgesamt auf 1,9 Milliarden Euro und im Jahr 2010 sogar auf 3,4 Milliarden Euro. Damit würden den Kommunen in diesem Jahr 30 % der zusätzlichen Investitionsmittel gleich wieder entzogen, im kommenden Jahr wären es, der Hans-Böckler-Stiftung zufolge, sogar annähernd 60 %. Würden - so die Untersuchung der Stiftung weiter - die von der Bundesregierung für das Jahr 2010 vorgesehene steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung dazu gerechnet, verlören die Kommunen bundesweit im Jahr 2010 sogar fast 80 % der zusätzlichen Investitionsmilliarden.
All das widerspräche den Zielen der Konjunkturpakete, die Investitionsimpulse möglichst ungeschmälert vor Ort ankommen zu lassen.
Zu den genannten Einnahmeausfällen kommunaler Verwaltungshaushalte infolge von Steuersenkungen des Bundes kommen die sich bereits abzeichnenden weiteren konjunkturell bedingten Verluste für die Städte und Gemeinden vor allem bei der Gewerbesteuer. So hat die Volkswagen AG der Stadt Hannover angekündigt, ihre Gewerbesteuer-Vorauszahlungen vorerst einzustellen. Dadurch fallen womöglich mehr als 25 Millionen Euro aus, und das nicht nur in diesem Jahr, sondern so lange, bis sich Banken, Versicherungen, Autozulieferer, Mittelständler von der Rezession wieder erholt haben (siehe Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 30.01.2009, S. 14). Auch die Continental AG hat der Stadt Hannover angekündigt, ihre Gewerbesteuer-Vorauszahlungen sofort einzustellen. Ähnliche Einschätzungen liegen auch aus anderen Städten und Regionen Niedersachsens vor.
Aus all dem geht hervor, dass sich abzeichnet, dass die den Kommunen bereitgestellten zusätzlichen Investitionsmittel in Höhe von etwa 12,1 Milliarden Euro - bundesweit - durch die in den Konjunkturpaketen I und II selbst verankerten Steuersenkungen, weitere steuersenkende Vorhaben der Bundesregierung sowie durch die konjunkturell bedingten Steuerausfälle von Städten und Gemeinden, insbesondere bei der Gewerbesteuer, in hohem Maße wieder verloren gehen.
Vor dem Hintergrund dieser Situation fragen wir die Landesregierung:
- Wie beziffert sie die Auswirkungen der in den Konjunkturpaketen I und II verankerten Steuer-senkungen auf die Verwaltungshaushalte niedersächsischer Kommunen in den Jahren 2009 und 2010 im Vergleich zu den Kommunen jeweils zusätzlich zur Verfügung stehenden Investitionsmittel beider Jahre?
- Welche Einschätzung trifft sie zu den zu erwartenden konjunkturell bedingen Einnahmeausfällen niedersächsischer Städte und Gemeinden in diesem Jahr, insbesondere hinsichtlich der Gewerbesteuer?
- Welche Schritte wird sie veranlassen, um die mit den Steuersenkungen der Konjunkturpakete I und II sowie den sich abzeichnenden konjunkturell bedingten Steuerausfällen einhergehenden massiven Belastungen für die Verwaltungshaushalte niedersächsischer Kommunen, bei gleichzeitiger Sicherung von deren Investitionsoffensive, im Zusammenwirken mit der Bundesregierung und Regierungen der anderen Bundesländer auszugleichen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
Mit der dringlichen Anfrage versuchen die Fragesteller den Eindruck zu erwecken, das Konjunkturpaket II sei nur eine Mogelpackung und die den Kommunen zufließenden Mittel würden in hohem Maße durch Steuerausfälle wieder verlorengehen.
Meine Damen und Herren, wer eine Behauptung aufstellt, wie sie in der Anfrage zum Ausdruck kommt, ist in der Realität noch nicht angekommen. Suchen Sie das Gespräch mit den Kommu-nen vor Ort oder auch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Sie werden sehen: Das Verhältnis der Landesregierung zu ihren Kommunen ist von Vertrauen und gegenseitigem Respekt getragen. Unsere Kommunen wissen, dass sie sich gerade in den vor uns liegenden schwierigen Zeiten auf diese Landesregierung verlassen können. Der Ende des letzten Jahres aus dem Amt geschiedene Oberbürgermeister von Celle und durchaus kritikfreudige langjährige Präsident und Vizepräsident des Niedersächsischen Städtetages, Martin Biermann, schreibt in der neuesten Ausgabe der Verbandszeitschrift des Niedersächsischen Städtetages wörtlich:
"Wenn heute die Mittel aus dem Konjunkturprogramm II in einer Größenordnung von 600 Mio. Euro pauschaliert zur Vergabe an die Kommunen ohne regulierende Landes- Bestimmungen weitergegeben werden, dann ist dies ein ungeheurer Durchbruch im Zusammenwirken beider Ebenen. So etwas kommt nicht von ungefähr, sondern setzt Vertrauen voraus, an dem wir gegenseitig gearbeitet haben."
Ich möchte dies gern unterstreichen und weise in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die Einführung der "strikten Konnexität", die Vereinbarung zum E-Government oder auf die gemeinsamen Entscheidungen zum Ausbau der Kinderbetreuung für die unter 3-Jährigen hin. Bei all diesen Beispielen ist sehr deutlich geworden, dass Landesregierung und die Kommunen in wichtigen Fragestellungen für unsere Bürgerinnen und Bürger konstruktiv und zukunftsgerichtet zusammenarbeiten. Trotz manchmal der Sache und den verschiedenen Interessenlagen notwendigerweise geschuldeten unterschiedlichen Auffassungen werden wir auch weiterhin auf dieser Vertrauensbasis aufbauen und den Dialog suchen. Die Kommunen sind nun einmal die ersten Ansprechpartner für die Bevölkerung; dort schlagen die Probleme als erstes auf und wir müssen unseren Kommunen die notwendigen Hilfestellungen geben, ohne sie aber in irgend-einer Weise zu bevormunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren aus der Fraktion "DIE LINKE": Statt fortdauernder Kritik sollten auch Sie die positiven Auswirkungen des Konjunkturpakets II für die Kommunen in Niedersachsen nicht ganz aus den Augen verlieren:
Wenn morgen der Bundesrat dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zugestimmt und anschließend dieses hohe Haus das Nachtragshaushalts-Gesetz 2009 mit dem darin enthaltenen Niedersächsischen Zukunftsinvestitionsgesetz verabschiedet hat, haben wir als erstes Land der Bundesrepublik Deutschland eine rechtliche Grundlage zur Auszahlung der Finanzhilfen an unsere Kommunen geschaffen. Darauf können wir stolz sein und ich darf mich bei Ihnen allen bedanken, dass wir die Beratungen so zügig durchführen konnten. Ich möchte mich aber auch bei den Kommunalen Spitzenverbänden für ihre sehr konstruktive und hilfreiche Mitarbeit und – auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden – bei den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatskanzlei und den betroffenen Ressorts für ihr außerordentliches Engagement bedanken.
Die Landesregierung wird von den insgesamt zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 1,227 Mrd. Euro im Rahmen der "Niedersachsen-Initiative" 964 Mio. Euro direkt den Kommunen zukommen lassen. Dies entspricht rd. 78% der Gesamtmittel. Hiermit bewegen wir uns bundesweit im Spitzenfeld, zumal auch der überwiegende Anteil der sog. Landesmaßnahmen wie z.B. der Hochschulbau direkt vor Ort, das heißt, in den Kommunen investiert wird.
Wir stellen 600 Mio. Euro pauschal allen Kommunen nach Einwohnerzahl auf Abruf zur Verfügung. Darin enthalten sind Eigenanteile der Kommunen in Höhe von 120 Mio. Euro, deren individuelle Höhe von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden und Landkreise abhängt. Diese 600 Mio. Euro stehen für schnell, unkompliziert und flexibel umzusetzende kommunale Maßnahmen bereit. Wenn sich die Fraktion DIE LINKE darüber beschwert, dass das Land den Eigenanteil der finanzschwachen Kommunen vollständig übernehmen müsste, zeigt sich eine erschreckende Unkenntnis kommunaler Realität. Das Land hat mit einer Übernahme von 5% der kommunalen Beteiligungsquote in Höhe von 30 Mio. Euro ganz bewusst dazu beigetragen, dass die finanzschwächsten Kommunen nur einen Eigenanteil von 5% aufbringen müssen. Entscheidend ist aber auch hier, dass die Kommunen ihre Maßnahmen selbst bestimmen und selbst umsetzen wollen. Deshalb entscheiden sie allein vor Ort, welche Handlungsoptionen in ihrer Gemeinde oder in ihrem Kreis sinnvoll, effektiv und notwendig sind. Zu einer Entscheidungsoption gehört notwendigerweise aber immer auch eine Verantwortungsoption. Deshalb ist ein kommunaler Mindest-Eigenanteil – und liegt er auch nur bei 5% – unverzichtbar.
Mit Hilfe des Niedersächsischen Zukunftsinvestitionsgesetzes werden wir das Pauschalpaket in den Kommunen unbürokratisch und flexibel umsetzen können. Landtag und Landesregierung schaffen mit dieser äußerst schnellen und praktisch zeitgleichen Reaktion auf die Entscheidungen auf Bundesebene die rechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Investitionen in Niedersachsen.
Zu dem Pauschalpaket kommen noch weitere 364 Mio. Euro hinzu, die den Kommunen für Schwerpunktförderungen bereit gestellt werden. Auf der Grundlage von Förderrichtlinien werden die Schulinfrastruktur, die Breitbandverkabelung, die kommunalen Sportstätten, die Krankenhäuser, der Hochwasserschutz im Binnenland und die Altlastensanierung in Kommunen eine erhebliche Verbesserung erfahren!
In alle diese Planungen wurden die kommunalen Spitzenverbände frühzeitig eingebunden. Die Verteilung eines erheblichen Teils der Mittel geht auf die Wünsche und einen gemeinsamen Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände zurück. Dies schließt die Aufteilung der Mittel zwischen der Kreis- und der Gemeindeebene, die Verteilung der Mittel nach Einwohnern bzw. Einwohnern und Fläche sowie die Festsetzung des Eigenanteils nach Steuereinnahmekraft ein.
Von Beginn an war erklärtes Ziel der Landesregierung, der kommunalen Ebene die Finanzmittel aus dem Konjunkturpaket II möglichst ohne bürokratische Hürden zur Verfügung zu stellen. Dem Gesetzentwurf können Sie entnehmen, dass uns dies ohne wenn und aber gelungen ist: Die Anforderungen, die uns der Bund abverlangt, wurden unverändert und ohne zusätzliche Vorgaben übernommen.
Schließlich, und das muss man auch sehr deutlich festhalten, reicht die Landesregierung erheblich mehr als die vom Bund geforderten 70% der Finanzhilfen an die kommunalen Gebietskörperschaften weiter. Wir glauben, dass man in den Kommunen am besten weiß, wo man investieren muss.
Alle diese Umstände – und diejenigen, die dabei waren, werden sich an die Anhörung im Aus-schuss für Haushalt und Finanzen erinnern – haben dazu geführt, dass die Arbeit der Landesregierung und insbesondere des Innenministeriums die besondere Anerkennung der kommunalen Spitzenverbände gefunden hat.
Die beiden Konjunkturpakete zur Sicherung der Beschäftigung und Stabilität in Deutschland enthalten sowohl steuerliche Entlastungen als auch ausgabeseitige Maßnahmen, insbesondere zur Stärkung der kommunalen Investitionsbasis, die sich in ihrer gesamtwirtschaftlichen Wirkung ergänzen.
Auf der Finanzierungsseite verteilen sich die Einnahmeminderungen der öffentlichen Haushalte durch steuerliche Maßnahmen dabei im Wesentlichen entsprechend den gesetzlichen Beteiligungsverhältnissen auf die staatlichen und kommunalen Ebenen.
Auf der Ausgabeseite werden im Rahmen der Initiative Niedersachsen Investitionszuweisungen für kommunale Aufgaben von Bund und Land geleistet, für die es in einer gesamtwirtschaftlichen Normallage keine derartigen Finanzierungsbeiträge geben würde. Der kommunale Eigenteil am Gesamtvolumen des auf die Kommunalebene in Niedersachsen entfallenden Investitionsvolumens beträgt dabei lediglich rd. 17 %. Die Maßnahmen im Rahmen der Konjunkturpakete dienen daher nicht nur gesamtwirtschaftlichen, sondern in hohem Maße auch kommunalen Zielen und Interessen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses vorausgeschickt, beantworte ich die dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Mit der Initiative Niedersachsen setzen wir das Konjunkturpaket II kurzfristig um. Wir wollen vor allem 2 Dinge erreichen, nämlich Arbeitsplätze und damit Beschäftigung sichern und den Standort Niedersachsen verbessern, damit wir aus der momentanen Krise gestärkt hervorgehen. Deshalb soll vor allen in den Kommunen zielgenau und nachhaltig investiert werden. Wir geben unseren Kommunen im Rahmen der Initiative Niedersachsen fast 1 Mrd. Euro für investive Zwecke. Mit diesen Investitionen wird vor Ort wirtschaftliche Leistung erzeugt, die dann ihrerseits zu höheren Steuereinnahmen führen wird.
Aus den Konjunkturpaketen ergeben sich nach derzeitigem Stand auf der Grundlage der Schätzung des Bundesministeriums der Finanzen für die kommunale Ebene in Niedersachsen folgende unmittelbaren finanziellen Auswirkungen: Das Konjunkturpaket I verursacht im Jahr 2009 Einnahmeverluste in Höhe von 56 Mio. Euro, im Jahr 2010 in Höhe von 131 Mio. Euro. Das Konjunkturpaket II führt im Jahr 2009 zu verringerten Einnahmen in Höhe von 58 Mio. Euro und in 2010 in Höhe von 65 Mio. Euro.
Demgegenüber betragen die Investitionszuweisungen für die Kommunen in Niedersachsen aus Bundes- und Landesmitteln im Rahmen der Initiative Niedersachsen in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt rd. 800 Mio. €.
Zu 2.:
Eine belastbare Einschätzung im Hinblick auf die Veränderung der Einnahmeerwartungen infolge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird nach der offiziellen Steuerschätzung vom 12. – 14. Mai 2009 erfolgen können.
Zu 3.:
Die Landesregierung wird die Entwicklung der Finanzsituation der Kommunen genau beobachten und im Rahmen des jährlich zu erstellenden Berichts zur "Entwicklung der Finanz- und Haushaltslage des Landes Niedersachsen und der niedersächsischen Kommunen" bewerten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.02.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010