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BKA-Gesetz

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.12.2008; Fragestunde


Der Abgeordnete hatte gefragt:

Das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BKA-Gesetz) wurde zwar vom Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen von CDU und SPD verabschiedet. Im Bundesrat hat das Gesetz aber keine Mehrheit bekommen. Der Vermittlungsausschuss soll nun die Zustimmung absichern, und der Bundesinnenminister regte sogar eine Änderung des Grundgesetzes bezüglich der Abstimmungsregeln des Bundesrates an, um Hindernisse seiner Politik künftig zu vermeiden. Neben der umstrittenen Onlinedurchsuchung sollen die neuen §§ 20 a bis 20 x des Gesetzentwurfes die Raster- und Schleierfahndung, den Einsatz von verdeckten Ermittlern, den Lauschangriff (auch innerhalb der Wohnung dritter Personen), die Videoüberwachung und das heimliche Betreten von Wohnungen regeln. Strittig sind gegenwärtig u. a. die Eilkompetenz zur Onlinedurchsuchung, das Zeugnisverweigerungsrecht bei Berufsgeheimnisträgern wie Strafverteidigern und Geistlichen und die verschiedenen unterschiedlichen Anforderungskompetenzen und Voraussetzungen bei präventiven Überwachungsmaßnahmen im Kernbereich privater Lebensgestaltung.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Position vertritt die Landesregierung im Vermittlungsverfahren bei der umstrittenen Befugnis der BKA-Eilkompetenz zur Onlinedurchsuchung ohne richterlichen Beschluss?
  2. Warum gibt es unterschiedliche Zeugnisverweigerungsrechte in dem Gesetzentwurf?
  3. Warum braucht Niedersachsen nach wie vor die Kompetenz zur akustischen Wohnraumüberwachung durch den Landesverfassungsschutz, wenn sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch das Bundeskriminalamt diese Kompetenz zukünftig haben werden und zudem die niedersächsische Befugnis in den letzten Jahren nicht zur Anwendung gekommen ist?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus gehört seit Jahren zu den entscheidenden Aufgaben der deutschen Sicherheitsbehörden. Sie kann nur erfolgreich bewältigt werden, wenn die Behörden von Bund und Ländern eng zusammen arbeiten, sich austauschen und ihre Ressourcen optimal einsetzen. Dies haben nicht zuletzt die Ermittlungskomplexe in Zusammenhang mit der sog. "Sauerlandgruppe" eindringlich vor Augen geführt.

Bereits im Zuge der Föderalismusreform I im Jahre 2006 wurden durch Änderung des Grundgesetzes die Voraussetzungen für eine Einbindung des bis dahin auf die Verfolgung von terroristischen Straftaten beschränkten Bundeskriminalamts (BKA) in die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus geschaffen. Dabei bleibt die Zuständigkeit des BKA im präventiven Bereich auch nach der Grundgesetzänderung begrenzt auf die Fälle, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit eines Landes nicht erkennbar ist oder ein Land um Übernahme gebeten hat. Die Zuständigkeit der Länder bleibt – auch bei einer ggfs. vorliegenden Doppelzuständigkeit – unberührt.

Das "Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt" wird das BKA mit den für die Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlichen Befugnissen ausstatten und das Zusammenwirken von BKA und Polizeien der Länder regeln. Dabei gehören die Befugnisse zur Online-Durchsuchung von Computern und zur Überwachung der Telekommunikation im Zeitalter der modernen Informationstechnologie zu den wichtigsten Voraussetzungen, um terroristische Strukturen aufzuklären und Anschlagspläne rechtzeitig zu entdecken. Der Gesetzentwurf sieht für diese Befugnisse umfangreiche und ausgewogene Regelungen vor, die dem Grundrechtsschutz einen hohen Stellenwert beimessen und ihn durch klare Begrenzungen der Eingriffsbefugnisse sowie durch besondere Verfahrensvorkehrungen zur Geltung bringen.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Nach dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf muss die Online-Durchsuchung von Computern durch das Gericht angeordnet werden. Nur bei Gefahr im Verzug, wenn also das Gericht nicht rechtzeitig erreicht werden kann, soll auch der Präsident des BKA oder sein Vertreter zur Anordnung befugt sein; für eine solche Eilanordnung ist im Nachhinein die Bestätigung des Gerichts einzuholen.

Der Vertreter Niedersachsens wird seine Haltung hinsichtlich eines Verzichts auf die Eilkompetenz des Präsidenten des BKA vom Diskussionsverlauf im Vermittlungsverfahren abhängig machen.

Zu 2.:

Nach dem Entwurf sind Maßnahmen, durch die in die geschützten Vertrauensverhältnisse von Geistlichen, Verteidigern und Abgeordneten eingegriffen wird, grundsätzlich unzulässig. Ein solcher absoluter Schutz, der auch Sachverhalte erfasst, die nicht dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Maßgeblich für die Entwurfsfassung dürfte jedoch der besondere Bezug der seelsorgerischen Tätigkeit und der Tätigkeit des Strafverteidigers zur Menschenwürde sowie die Eigenschaft der Abgeordneten als Mitglieder eines Verfassungsorgans sein.

Für andere Berufsgruppen sieht der Entwurf bei Eingriffen in das Vertrauensverhältnis eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, bei der im jeweiligen Einzelfall die Interessen des Berufsgeheimnisträgerschutzes und der Gefahrenabwehr gegeneinander abzuwägen sind. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das einen abstrakten Vorrang von grundrechtlich geschützten Positionen wie z.B. der Pressefreiheit abgelehnt hat. Für alle Berufsgruppen gelten im Übrigen unabhängig von den Vorschriften über den Berufsgeheimnisträgerschutz die besonderen Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

Zu 3.:

Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes und des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (Drs. 16/395), der zur Zeit in den Ausschüssen des Landtags beraten wird, sollen die Vorschriften zur Wohnraumüberwachung im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz novelliert und an diese Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden. Bis dahin wird von der bestehenden Regelung zur Wohnraumüberwachung kein Gebrauch gemacht.

Das bedeutet aber nicht, dass für eine solche Befugnis der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde keine Notwendigkeit besteht. Die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus besteht unvermindert fort. Insofern sind Szenarien denkbar, in denen auch die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde die Befugnis zur Wohnraumüberwachung einsetzen muss. Allerdings wird dieses einschneidende Mittel, nicht zuletzt angesichts der vorgesehenen hohen Eingriffsschwellen, nur in wenigen herausgehobenen Fällen zur Anwendung kommen.

Soweit andere Sicherheitsbehörden ebenfalls über die Befugnis zur Wohnraumüberwachung verfügen, hat dies keine ausschließende Wirkung auf die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde. Nur wenn alle Sicherheitsbehörden mit den erforderlichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet sind, ist eine Aufgabenbewältigung in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen, die auch überschneidend sein können, möglich. Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sind darüber hinaus grundgesetzlich verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Eine solche sinnvolle Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden ist aber nur möglich, wenn auch gleichgeartete Eingriffsbefugnisse bestehen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.12.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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