Rückführungsabkommen mit Syrien
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.11.2008; Fragestunde
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat (Grüne); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Am 14. Juli 2008 unterzeichneten die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Syrien ein Abkommen über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen. Nach Aussage des Bundesinnenministers wird es auf der Grundlage dieses Abkommens zukünftig möglich sein, nicht nur ausreisepflichtige syrische Staatsangehörige, sondern auch Drittstaatsangehörige und Staatenlose, wenn diese über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum der syrischen Seite verfügen oder unmittelbar aus dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei rechtswidrig eingereist sind, dorthin zurückzuführen. Von dem Abkommen sind überwiegend die beiden Gruppen der syrischen Kurden und der Palästinenser betroffen. Kurden stellen die Mehrheit der ausreisepflichtigen Syrer dar.
Die politische Situation in Syrien hat sich seit 2006 ("Damaszener Frühling") weiter verhärtet, und die Hoffungen der syrischen Bürger auf Reformen wurden enttäuscht. Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Geheimdienste stehen auf der Tagesordnung. Zu den systematisch verfolgten und unterdrückten Gruppen zählen unter anderem demokratisch orientierte Oppositionelle, Menschenrechtsaktivisten und politisch aktive Kurden. Allein 2 500 bis 3 000 politische Gefangene sind in Syrien unter sehr schlechten Bedingungen inhaftiert. Zwischen 1,5 und 2 Millionen Kurden (10 % der syrischen Bevölkerung) leben in Syrien. Allein 300 000 syrischen Kurden wird die Staatsbürgerschaft verweigert. Zwei Drittel der als staatenlos geltenden Kurden haben einen Ausweis als Ausländer und ein Drittel besitzt überhaupt keinen Pass. Sie haben damit keinen Anspruch auf bürgerliche Rechte. Für Frauen gelten noch viele diskriminierende Gesetze, die zum Teil auf die Scharia aufbauen und Frauen massiv benachteiligen. Auch die in der Verfassung verankerte Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird nicht respektiert bzw. durch das Notstandsgesetz ausgehebelt.
Die Flüchtlingssituation in Syrien ist ebenfalls prekär. Syrien hat weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch das Zusatzprotokoll ratifiziert. Schätzungsweise leben ca. 400 000 palästinensische Flüchtlinge und 1,5 Millionen irakische Flüchtlinge in Syrien. Allein von den irakischen Flüchtlingen sind nur ca. 151 000 vom UNHCR registriert, und 45 % der Flüchtlinge leben in Armut bzw. extremer Armut. Im Mai 2006 schloss die syrische Regierung die Grenze für iraki-sche Palästinenser.
Ich frage die Landesregierung:
- Wie viele Personen aus Niedersachsen mit jeweils welchem Vorlauf hinsichtlich abgelehnter Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechts- oder Altfallregelung fallen unter das Abkommen?
- Für wie viele dieser Personen mit jeweils welchem Aufenthaltsstatus bestehen konkrete Rückführungspläne vor welchem zeitlichen Horizont?
- Ab wann ist das Abkommen anwendbar?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Syrien über die Rückführung von illegal aufhältigen Personen ist mit den Rückübernahmeabkommen, die von der Bundesregierung in der Vergangenheit mit zahlreichen europäischen und außereuropäischen Staaten geschlossen wurden, inhaltsgleich. In dem Abkommen verpflichten sich beide Vertragsparteien eigene Staatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragspartners aufhalten, ohne dort einen rechtmäßigen Aufenthalt zu haben, zurückzunehmen. Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die vor ihrer Ausreise in einem der beiden Vertragsstaaten einen rechtmäßigen Aufenthalt hatten und nach der Einreise in den anderen Vertragsstaat dort kein Aufenthaltsrecht erhalten oder deren Aufenthaltsrecht erloschen ist, werden ebenfalls von dem Rückübernahmeabkommen erfasst. Das Abkommen entspricht hinsichtlich des darin geregelten Verfahrens zur Rücküberstellung und der Definition des Perso-nenkreises, den der ersuchte Vertragsstaat zurückzunehmen hat, internationalen Standards so wie sie auch von der Europäischen Union bei gleichartigen Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten angewandt werden.
Anders als es in der Fragestellung zum Ausdruck kommt, sind Flüchtlinge im Sinne des Aufent-haltsgesetzes, also Personen denen in Deutschland nach einem Asylverfahren der Flüchtlings-status nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt wurde oder die hier subsidiären Schutz erhalten, von jeglichen Rückübernahmeabkommen ausgenommen. Das gilt auch für das deutsch–syrische Rückübernahmeabkommen.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Laut Ausländerzentralregister hielten sich zum Stichtag 30.06.2008 in Niedersachsen 1.716 ausreisepflichtige Personen auf, die erklärt haben syrische Staatsangehörige zu sein oder deren syrische Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist. In wie vielen Fällen davon ein vorausgegangener Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung vom 06. Dezember 2006 oder der gesetzlichen Altfallregelung gem. § 104a AufenthG abgelehnt wurde, lässt sich nicht verifizieren, da in den statistischen Zählungen zur Bleiberechts- und Altfallregelung nicht nach Nationalität oder Herkunftsstaat differenziert wird.
Zu 2.:
Die Anwendung des Rückübernahmeabkommens beschränkt sich ausschließlich auf ausreisepflichtige Personen. Die Rückführung soll möglichst zeitnah nach Bestands- oder Rechtskraft der Ausreisepflicht und nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise eingeleitet werden.
Zu 3.:
Das Abkommen ist erst anwendbar, wenn es von beiden Vertragsparteien ratifiziert worden ist. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird vom Bundesministerium des Innern bekanntgegeben.
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.11.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010