Skinhead-Konzert in Harbke
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.11.2008; Fragestunde
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann (LINKE); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Am 1. November 2008 fand im sachsen-anhaltischen Harbke ein Neonazikonzert statt, an dem 400 Neonazis aus Nord- und Ostdeutschland und Bands aus Deutschland, Italien und Belgien teilnahmen. Ursprünglich sollte dieses Konzert in der Nähe von Stadthagen stattfinden. Nach Angaben der sachsen-anhaltischen Polizei wurde diese erst am 1. November 2008 um 18:20 Uhr von den niedersächsischen Behörden auf das Treffen aufmerksam gemacht.
Ich frage die Landesregierung:
- Seit wann hatten niedersächsische Behörden Kenntnis von den oben benannten Aktivitäten, und welche Maßnahmen wurden ergriffen, um diese zu verhindern?
- Bestätigt die Landesregierung, dass die sachsen-anhaltische Polizei erst um 18:20 Uhr am 1. November 2008 auf das Treffen aufmerksam gemacht wurde, und weshalb wurden sie erst zu diesem Zeitpunkt informiert?
- Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um künftig eine schnelle und reibungslose länderübergreifende Zusammenarbeit in ähnlichen Situationen zu gewährleisten?
nnenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Zu 1., 2. und 3.:
Nach Bericht der Polizeidirektion Göttingen informierte am 29.10.2008 die Pächterin einer Gaststätte in Lüdersfeld die Polizeiinspektion (PI) Nienburg darüber, dass sie am 19.10.2008 einen Mietvertrag für eine Musikveranstaltung am 01.11.2008 abgeschlossen habe. Aufgrund eigener Internetrecherchen sei ihr bekannt geworden, dass es sich offensichtlich um eine Musikveranstaltung der rechten Szene handele. Der Veranstalter erwarte zu der "privaten" Musikveranstaltung bis zu 300 geladene Gäste sowie fünf Bands aus Deutschland, Italien und Belgien. Nach anwaltlicher Beratung sei der Mietvertrag mit Datum vom 29.10.2008 durch sie fristlos aufgekündigt worden.
Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass der Anmelder dieser Musikveranstaltung aus Nienhagen (Kreis Halberstadt, Sachsen-Anhalt) als Konzertveranstalter der rechten Szene bereits mehrfach in Erscheinung getreten war. Nach Bewertung des örtlichen Staatsschutzes konnten kurzfristige Nachanmieteversuche und ggf. bereits erfolgte Parallelanmietungen in Niedersachsen bzw. den angrenzenden Bundesländern nicht ausgeschlossen werden. Das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen hat aus diesem Grund noch am 29.10.2008 bundesweit die Staatsschutzabtei-lungen der Landeskriminalämter darüber informiert.
Am 31.10.2008 wurde demselben Empfängerkreis die Bewertung des LKA Niedersachsen übermittelt, dass das Konzert mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit am 01.11.2008 stattfinden wird. Für das Stattfinden würden auch die weiten Anfahrtswege der Bands in den norddeutschen Raum sprechen. Ein konkreter Ausweichort könne nicht benannt werden.
Die Polizei des Landes Niedersachsen hat sich auf ein mögliches Konzert der rechten Szene vorbereitet und im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen (PI Nienburg) und der Polizeidirektion Braunschweig (PI Goslar) entsprechende Führungsbereitschaften sichergestellt und eine Einsatzhundertschaft der Landesbereitschaftspolizei für entsprechende Maßnahmen bereitgehalten.
Am 01.11.2008 wurde gegen 17:50 Uhr bekannt, dass sich mehrere Personen der rechten Szene mit Fahrzeugen auf einem Parkplatz entlang der BAB 2 (Parkplatz "Waldkater") treffen wollen. Diese Information wurde fernmündlich von dem Polizeikommissariat BAB Börde (Sachsen-Anhalt) dem Polizeikommissariat BAB Braunschweig übermittelt. Etwa zeitgleich hat das hiesige Lagezentrum eine inhaltsgleiche Meldung vom Lagezentrum Mecklenburg-Vorpommern entgegen genommen und unmittelbar die für den Treffpunkt örtlich zuständige Polizeidirektion Braunschweig unterrichtet. Gegen 18:50 Uhr wurden durch Observationskräfte des Polizeikommissariats Braunschweig auf diesem Parkplatz acht Fahrzeuge mit Personen der rechten Szene festgestellt. Da der in Rede stehende Parkplatz in Fahrtrichtung Osten liegt und vor der Landes-grenze keine Abfahrts- und somit Wendemöglichkeit für Fahrzeuge besteht, war ein Ausweichort in Sachsen-Anhalt nicht auszuschließen. Die Polizeidirektion Braunschweig hat deshalb unver-züglich die Polizeidirektion Magdeburg von diesen Feststellungen informiert. Das hiesige Lagezentrum hat das Lagezentrum Sachsen-Anhalt gegen 18:55 Uhr entsprechend unterrichtet. Durch Aufklärungsmaßnahmen wurde im weiteren Verlauf bekannt, dass im Bereich Harbke OT Autobahn in einer ehemaligen NVA-Kaserne ein Konzert der rechten Szene stattfindet.
Auch dem niedersächsischen Verfassungsschutz lagen für den besagten Zeitraum Erkenntnisse vor, dass die rechtsextremistische Szene die Durchführung eines so genannten Skinhead-Konzertes plant. Anhand der vorliegenden Erkenntnisse wurde als "Veranstaltungsort" zunächst das Land Niedersachsen benannt. Der tatsächliche Veranstaltungsort wurde der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde erst kurz vor dem Veranstaltungsbeginn bekannt und unverzüglich auf dem dafür vorgesehenen Meldeweg an den Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt weitergegeben.
Niedersachsen hat den Polizeieinsatz in Sachsen-Anhalt mit der Unterstellung einer Einsatzhundertschaft unterstützt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.11.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010