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Bleiberechtsregelung in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008; TOP 30


Rede von Innenminister Uwe Schünemann zur Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Großen Anfrage versucht die Fraktion "Bündnis 90/Die Grünen" erneut, der Landesregierung vorzuwerfen, dass sie bei der Umsetzung der Bleiberechtsregelung und bei der Anwendung der gesetzlichen Altfallregelung humanitäre Interessen nicht großzügig genug berücksichtigt. Wenn ich die Einzelfragen insgesamt betrachte, komme ich zu dem Ergebnis, dass die Fraktion Bündnis90/Die Grünen auch all diejenigen begünstigt sehen will, die sich jahrelang geweigert haben, ihrer Ausreise-pflicht nachzukommen, die ihre Pflicht zur Identitätsaufklärung und Passbeschaffung nicht erfüllt haben und die ihren Lebensunterhalt auch weiterhin aus öffentlichen Mitteln bestreiten. Genau das lehnt die Landesregierung ab.

Das will die Landesregierung nicht und sie befindet sich mit ihrer Haltung auch im Konsens mit dem Bund und Ländern. Denn es kann nicht ange-hen, allen ausreisepflichtigen Ausländern ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, wenn sie sich nur lange genug ihrer Verpflichtung zu Ausreise widersetzen. Eine Ausnahme von der Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung kann nur bei denjenigen gemacht werden, die besondere Anstrengungen unternommen haben, sich sozial und wirtschaftlich in Deutschland zu integrieren. Das ist auch aus Gründen der Gerechtigkeit geboten.

Ich will es noch einmal deutlich sagen. Die Entscheidung darüber, wer nach Deutschland einreisen darf und ein Aufenthaltsrecht bekommen kann, trifft nach der Zuständigkeitsabgrenzung des Grundgesetzes der Bundesgesetzgeber. So sind im Aufenthaltsgesetz die jeweiligen Zwecke festgelegt worden, nach denen ausländischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erteilt werden kann.

Ebenso deutlich ist aber auch bundesgesetzlich geregelt worden, dass diejenigen Ausländer, die keinen gesetzlichen Aufenthaltszweck erfüllen oder die nach erfolglos durchlaufenem Asylverfahren ausreisepflichtig sind, unser Land wieder zu verlassen haben.

Ihnen wird zunächst die Gelegenheit gegeben, freiwillig – mit finanzieller Unterstützung, die ihnen den Neuanfang erleichtert – in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Wenn ausreisepflichtige Ausländer diese Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise nicht nutzen, sind die Ausländerbehörden gesetzlich verpflichtet den Aufenthalt der Betreffenden durch Abschiebung zu beenden.

In Deutschland hält sich jedoch eine große Zahl ausreisepflichtiger Ausländer auf, die ihrer gesetzlichen Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, deren Aufenthalt aber auch aus Gründen nicht beendet werden kann, die von ihnen selbst nicht zu vertreten sind. Für diese Personen hat es in der Vergangenheit einige Bleiberechtsregelungen gegeben. Damit haben die zuständigen Innenminister und – senatoren der Länder eine gesetzliche Ermächtigung im Aufenthaltsgesetz genutzt, nach der sie aus humanitären Gründen im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern für bestimmte Gruppen von ausreispflichtigen Ausländern Ausnahmen machen dürfen. Eines hatten diese Regelungen, jedenfalls seit 1994 aber gemein: Die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts war stets eine elementare Erteilungsvoraussetzung. Ein Aufenthaltsrecht wurde immer nur dann gewährt, wenn das nicht zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme ging. Das können ihnen auch meine Vorgänger im Amt des Nds. Innenministers bestätigen.

Auf Grund dieses Konsenses ist auch im November 2006 in der Innenministerkonferenz über die letzte Bleiberechtsregelung entschieden worden. Erstmals wurde den potentiell Betroffenen allerdings die Möglichkeit gegeben, die Voraussetzungen für eine Begünstigung durch diese Bleiberechtsregelung erst noch zu schaffen. Ihnen ist die Gelegenheit gegeben worden, bis zum 30. September 2007 die Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu erfüllen. Es bestand jedoch auch hier Einvernehmen, dass durch diese Regelung über die Zeit nach dem 30.09.2007 hinaus die öffentlichen Kassen nicht belastet werden durften.

So lag dann auch der zentrale Punkt dieser Regelung darin, dass die Antragsteller den Lebensunterhalt für sich und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen aus einem eigenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sicherstellen mussten, um begünstigt werden zu können.

Parallel zu der noch laufenden Umsetzung der Bleiberechtsregelung 2006 trat im August 2007 mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz die gesetzliche Altfallregelung der §§ 104a und 104b des Aufenthaltsgesetzes in Kraft. Diese Altfallregelung geht nun noch einen entscheidenden Schritt weiter als die Bleiberechtsregelung: Denn erstmals kann eine sogenannte "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" erteilt werden und zwar auch für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt noch nicht selber sicherstellen können, bei denen das in der Zukunft aber noch erwartet werden kann. Diese Neuerung stellt ein weiteres Entgegenkommen für die Antragsteller dar, die die Erschwernisse beim Arbeitsmarktzugang beseitigt, die geduldete Personen bislang hatten und die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Integration im Wege stehen konnten.

Damit ist klar:

Die Bleiberechtsregelung 2006 stellt ebenso wie die gesetzliche Altfallregelung 2007 eine äußerst großzügige Regelung dar, die wirtschaftlich und sozial gut integrierten Ausländern ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht ermöglicht. Dennoch muss nach meiner Auffassung eines unstrittig bleiben: Es gilt – insbesondere auch bei der Umsetzung der gesetzlichen Altfallregelung - der Intention des Gesetzgebers Folge zu leisten, nämlich eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden und wirklich nur diejenigen zu begünstigen, die eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Integration erwarten lassen.

Die von der Altfallregelung grundsätzlich Begünstigten erhalten die Möglichkeit, frei von den bisherigen Erschwernissen einen Arbeitsmarktzugang zu finden, um ein eigenes Erwerbseinkommen zu erzielen und so ihren Lebensunterhalt ohne Bezug öffentlicher Leistungen sicherzustellen. Es versteht sich von allein, dass dabei die unterhaltsberechtigten Angehörigen einbezogen werden müssen, es also nicht ausreicht, wenn nur der Stammberechtigte für sich allein den Lebensunterhalt sichert.

Es gibt aber auch noch eine andere Gruppe ausreisepflichtiger Ausländer, die ebenfalls ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen. Sie unterscheiden sich von den durch die Altfallregelung zu begünstigenden Personen jedoch darin, dass deren Aufenthalt aus von ihnen zu vertretenen Gründen nicht beendet werden kann. Also Personen, die durch ihr Verhalten ihren weiteren Aufenthalt erzwingen, in dem sie ihre Identität verschleiern oder sich weigern, ihrer Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nachzukommen. Die für eine erfolgreiche Integration erforderliche Achtung unseres Rechtssystems ist bei diesen Personen oftmals nicht ansatzweise erkennbar. Deshalb kann eine Einbeziehung in eine humanitäre Bleiberegelung für diesen Personenkreis nicht in Betracht kommen.

Denn, wer kann es der Bevölkerung oder auch einem Ausländer, der sich rechtskonform verhält, die Behörden nicht getäuscht und seiner Mitwirkungspflicht nachkommt, erläutern, dass er auch ohne diese Integrationsleistungen begünstigt worden wäre. Ganz abgesehen von der Ungerechtigkeit, die denjenigen Ausländern gegenüber entstünde, die ihrer Ausreiseverpflichtung nachgekommen sind oder nach entsprechender Passbeschaffung abgeschoben wurden.

Ich will die Gelegenheit der Großen Anfrage aber auch nutzen, deutlich zu machen, dass auch in Niedersachsen durch diese Bleiberechts- und Altfallregelungen viele ausreisepflichtige Ausländer begünstigt wurden, die sozial und wirtschaftlich gut integriert sind oder bei denen eine entsprechende Integration in nächster Zeit erwartet werden kann.

So haben durch die Bleiberechtsregelung 2006 in Niedersachsen 2362 Personen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, bundesweit liegt die Zahl der begünstigten Personen bei knapp 20.000. Damit liegt Niedersachsen im Ländervergleich auf einem mittleren Platz.

Seit Inkrafttreten der Altfallregelung im August 2007 bis zum 30.06.2008 wurden bereits rd. 1860 Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 104 a und 104b des Aufenthaltsgesetzes erteilt. Bei einer Gesamtzahl von bundesweit rd. 19.500 Personen liegt der Anteil Niedersachsens somit bei ca. 10 %, was auch der Länderquote bei der Verteilung von Asylbewerbern entspricht. In Niedersachsen befinden sich überdies noch ca. 2600 Anträge nach der Altfallregelung in Bearbeitung.

Auch wenn die im Bundesvergleich erhobenen Zahlen nur bedingt verwertbar sind, weil diese in den Bundesländern nach verschiedenen Kriterien erhoben worden sind, muss sich Niedersachsen nicht verstecken. Jedenfalls kann die Behauptung, dass die Altfallregelung in Niedersachsen besonders restriktiv angewendet wird, mit einem Vergleich der Länder untereinander nicht belegt werden.

Vielen Dank.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
09.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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