Täuschung bei Einbürgerung muss strafbar sein
Plenarsitzung des Bundesrates am 19.09.2008; TOP 34
Rede des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann; Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
"eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, darf nicht Prämien auf die Missachtung ihrer selbst setzen. Sie schafft sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiert rechtstreues Verhalten und untergräbt damit die Voraussetzung ihrer eigenen Wirksamkeit."
Das sind klare Worte des Bundesverfassungsgerichts. Klare Worte gegen die gezielte Herbeiführung rechtswidriger Einbürgerungen. Und sie drücken die Erwartung aus, dass der Gesetzgeber einen festen Rahmen schafft, der unsere Einbürgerungsbehörden vor Täuschung, Bedrohung und Bestechung schützt. Und der die Verwaltung sowie die Gerichte überhaupt erst in die Lage versetzt, aufgedeckte Täuschungen wirksam zu ahnden. Insofern begrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Thematik "Rücknahme einer Einbürgerung" aufgreift. Endlich wird in diesem wichtigen Punkt Rechtsklarheit im Staatsangehörigkeitsrecht geschaffen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat aus meiner Sicht jedoch Mängel, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren hoffentlich beseitigt werden. Ich möchte zwei Beispiele nennen:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht nur eine Frist von fünf Jahren vor, innerhalb derer die Rücknahme einer Einbürgerung zulässig sein soll. Dies ist aus meiner Sicht völlig unzureichend und praxisfern.
Die kurze Frist würde im Vollzug praktisch kaum Rücknahmeentscheidungen ermöglichen. Abgesehen davon, dass Täuschungshandlungen oft erst später als nach fünf Jahren bekannt werden, schließen sich – etwa bei Doppelehen – dann erst zeitaufwändige Ermittlungen im In- und Ausland an. Hier muss der Staat von vornherein unmissverständlich klar machen, dass er Vertrauensbruch nicht leichtfertig mit schnellem Vertrauensschutz belohnt. Alles andere läuft letztlich auf eine kalkulierbare Selbstaufgabe des Rechts hinaus. Die Frist ist daher deutlich zu erhöhen. Die Ausschussempfehlungen schlagen hier 10 Jahre vor. Ich werbe ausdrücklich dafür, diese Erhöhung zu beschließen.
Darüber hinaus hat Niedersachsen mit einer Bundesratsinitiative im April dieses Jahres für die Schaffung einer Strafvorschrift im Einbürgerungsrecht geworben. Damit soll das bisher straffreie Täuschen der Einbürgerungsbehörden sanktioniert werden. Denn die gegenwärtige Rechtslage weist einen eklatanten Wertungswiderspruch auf: Im Aufenthaltsgesetz und selbst im Asylverfahrensgesetz sind entsprechende Verhaltensweisen unter Strafe gestellt, bei dem endgültigen Schritt in die deutsche Staatsbürgerschaft jedoch nicht.
Mit großer Mehrheit hat daher der Innenausschuss dem niedersächsischen Vorschlag der Strafbarkeit von Täuschungen insbesondere bei Einbürgerungen zugestimmt. Denn es geht hier nicht um wenige Einzelfälle. Mir haben im vergangenen Jahr einige Einbürgerungsbehörden mitgeteilt, dass allein sie 43 Täuschungshandlungen zur Anzeige gebracht haben.
Ergebnis: ein Freispruch, aber 31 Einstellungen und keine einzige Verurteilung – und dies trotz nachweislich gefälschter Unterlagen! Und bei 216 Echtheitsprüfungen von irakischen Identitätspapieren hat das Landeskriminalamt 93 Fälschungen nachgewiesen. Das ist eine Fälschungsquote von 43 Prozent!
Mit der Einbürgerung werden staatsbürgerliche Rechte und Pflichten verliehen. Sie ist der letzte, hoheitliche Akt der Integration in unsere Gesellschaft. Das Interesse des Staates, einen unredlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu verhindern, muss deshalb in Zukunft strafrechtlich geschützt werden. Im Übrigen müssen wir konsequente Vorkehrungen gegen Täuschungshandlungen bei der Einbürgerung auch treffen, weil sich hier Anknüpfungspunkte für ausländische Extremisten bieten können, den deutschen Pass für eigene Zwecke auszunutzen.
Nach der seit 2000 geltenden Optionsregelung müssen sich erstmals in diesem Jahr Kinder ausländischer Eltern entscheiden, ob sie die durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten wollen. Hierfür haben sie fünf Jahre Zeit, mit anderen Worten: Erst in fünf Jahren wissen wir, wie der erste Jahrgang des betroffenen Personenkreises mit seiner Wahlmöglichkeit umgeht.
Es ist deshalb deutlich verfrüht, bereits jetzt die Optionsregelung, die Doppelstaatsangehörigkeit vermeidet, zu modifizieren oder einfach aufzuheben. Niedersachsen steht daher kritisch zu dem soeben vorgestellten Gesetzesantrag der Länder Berlin und Bremen. Verständlicherweise kann sich dieser Antrag in diesem frühen Stadium auch nicht auf verlässliche Zahlen und Untersuchungen stützen, die eine bedingungslose doppelte Staatsbürgerschaft für den genannten Personenkreis tragfähig begründen könnten.
Vorhandene repräsentative Datenquellen aus der empirischen Sozialforschung deuten jedenfalls eher in eine andere Richtung. Die Repräsentativbefragung "Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland 2006/2007" des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge weist für die Türkinnen und Türken folgenden Befund aus:
- Lediglich 11,6 Prozent der Befragten möchten nur bei doppelter Staatsbürgerschaft eingebürgert werden.
- Aber 29,3 Prozent beabsichtigen ohne diese Bedingung die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen.
- Und 46,4 Prozent der Befragten möchten überhaupt nicht eingebürgert werden. Zu gegebener Zeit sollten wir daher kritisch hinterfragen, ob der automatische Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch Geburt, wie er seit 2000 stattfindet, in seiner uneingeschränkten, umfassenden Ausgestaltung zwingend richtig ist.
Im Übrigen fallen die Umfrageergebnisse für andere Zuwanderergruppen – so aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Italien, Griechenland und Polen – ähnlich aus.
Die Staatsbürgerschaft ist keine Billigware. Sie wird erst dann zu einem bleibenden Wert für die Gesellschaft, wenn sie ausdrücklich und erklärtermaßen gewollt ist. Wer sich dagegen selbst nach 18 Jahren in Deutschland und nach einer weiteren fünfjährigen Überlegungszeit nicht ganz für unseren Staat entscheiden mag, der darf nicht einfach in die lebenslange Unentschiedenheit entlassen werden.
Denn der Staat muss sich der Treuepflicht seiner Bürgerinnen und Bürger sicher sein können, ohne sie durch mögliche Konflikte mit einer fremden Staaten geschuldeten Loyalität gefährdet zu sehen. Deshalb ist am Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit festzuhalten.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.09.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010