Fotografieren von Demonstrationsteilnehmern
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.09.2008; Fragestunde
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Herrn Abgeordneten Helge Limburg (GRÜNE) ; Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Am 2. August 2008 fand in Bad Nenndorf ein sogenannter Trauermarsch von mehr als 400 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet statt. Gegen diesen Aufmarsch der Rechtsextremisten gab es einen friedlichen Protest des "Bündnisses für ein nazifreies Schaumburg". Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser antifaschistischen Demonstration wurden mehrfach von Personen fotografiert, die sich außerhalb der Demonstration aufhielten.
Innenminister Schünemann hatte in der Plenardebatte am 8. Mai 2008 auf eine diesbezügliche Nachfrage von mir gesagt: "Wenn diese Aufnahmen gemacht werden, wird dieses auf jeden Fall verhindert. Die Polizei wird in diesem Zusammenhang extra geschult und darauf hingewiesen, dass dieses tatsächlich unterbunden werden muss. Deshalb ist alles getan worden, um dies auch in Zukunft sicherzustellen." Obwohl ich mit Verweis auf diese Aussage des Ministers die Polizeikräfte während der Demonstration mehrfach darum gebeten habe, das Fotografieren von Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmern zu unterbinden, kamen die Polizeikräfte dieser Bitte nicht nach, sondern teilten mir mit, dass es eine solche Anweisung nicht gebe. Auch die Vermittlung der insgesamt vorbildlich agierenden polizeilichen Konfliktmanager konnte die Polizeikräfte nicht dazu bewegen, das Fotografieren zu unterbinden.
Ich frage die Landesregierung:
- Hat der Innenminister in der Debatte am 8. Mai 2008 die Unwahrheit gesagt?
- Aus welchen Gründen wurde das Fotografieren bei dieser Demonstration nicht unterbunden?
- Wie wird die Landesregierung gewährleisten, dass das Abfotografieren von Demonstrantinnen und Demonstranten gegen deren Willen zukünftig konsequent unterbunden wird?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Am 2. August 2008 fand in Bad Nenndorf (Landkreis Schaumburg) bereits im dritten Folgejahr eine Demonstration von Angehörigen der rechten Szene statt. Diese versammlungsrechtlichen Aktionen wurden schon im Juli 2006 beim Landkreis Schaumburg für die Jahre 2007 bis 2010 im Namen eines sogenannten "Ehrenkomitees 8. Mai" für Bad Nenndorf angemeldet.
An dem vom Anmelder so bezeichneten "Trauermarsch" vom Bahnhof zum Wincklerbad, welches in den Nachkriegsjahren als britisches Militärgefängnis genutzt wurde, nahmen etwa 400 Angehörige der rechten Szene teil.
Wie schon in den Vorjahren, wurden auch in diesem Jahr Gegenveranstaltungen durchgeführt.
Unter anderem fand etwa zwei Stunden vor dem Aufzug der Angehörigen der rechten Szene eine Gegenveranstaltung vom "Bündnis für ein Nazifreies Schaumburg" statt. Cirka 250 Teilnehmer starteten am Bahnhof, führten am jüdischen Mahnmal eine Kundgebung durch und beendeten danach die Veranstaltung.
Nach Angaben der Polizeidirektion Göttingen wurde durch die einsatzführende Polizei-inspektion im Rahmen der Einsatzvorbereitung sichergestellt, dass die Problematik des Fotografierens von Demonstrationsteilnehmern durch Dritte den Einsatzkräften bekannt ist und rechtliche sowie taktische Handlungssicherheit besteht. Während der Veranstaltung wurde darüber hinaus zur Verhinderung eines Aufeinandertreffens von Angehörigen der unterschiedlichen Demonstrationen durch gezielte einsatztaktische Maßnahmen eine strikte Trennung der Demonstrationsteilnehmer erreicht.
Durch die strikte räumliche Trennung der Demonstrationszüge sowie durch deren zeitlichen Versatz konnte ein gegenseitiges Fotografieren grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde der Gesamteinsatzleitung von Einsatzkräften mitgeteilt, dass der Abgeordnete Limburg Beschwerde über das Fertigen von Bild- und Videomaterial führe. Die Gesamteinsatzleitung konnte allerdings zum Zeitpunkt der Mitteilung ausschließen, dass es sich bei den filmenden bzw. fotografierenden Personen um Angehörige der rechten Szene handelte. Insofern bestand nach Einschätzung der Einsatzleitung durch das Fertigen von Bild- und Videomaterial in diesem Zusammenhang keine Gefahr eines drohenden Rechtsverstoßes, dementsprechend bestand auch keine rechtliche Handhabe, durch polizeiliche Maßnahmen das beanstandete Fotografieren bzw. Videografieren zu unterbinden.
Durch die Polizeikräfte wurden im gesamten Veranstaltungsverlauf keine Angehörigen der rechten Szene in unmittelbarer Nähe zum Aufzug der Gegendemonstranten beobachtet. Es wurden insbesondere keine Personen der rechten Szene bemerkt, die Film- oder Fotoaufnahmen gefertigt haben. Ansonsten hätte die Polizei – unter Beachtung der rechtlichen Befugnisse – Anordnungen zum Untersagen des Filmens oder Fotografierens getroffen bzw. die Sicherstellung entsprechender Film- oder Fotokameras vorgenommen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1:
Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
Zu Frage 2:
Siehe Vorbemerkungen.
Zu Frage 3:
Die Niedersächsische Landesregierung stellt bereits im Rahmen der Ausbildung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sicher, dass entsprechende Lerninhalte zu den Themen Einsatzlehre, Versammlungs- und Eingriffsrecht umfassend vermittelt werden. Ein Bestandteil ist dabei auch die Darstellung von polizeilichen Befugnissen in Bezug auf das unzulässige Fotografieren bei Versammlungen. Überdies wird diese Thematik im Rahmen der polizeilichen Fortbildung behandelt und durch umfassende rechtliche Handreichungen und Ausarbeitungen, z.B. zum Umgang mit demonstrativen Aktionen, ergänzt. Insbesondere bei der Fortbildung von geschlossenen Einsatzeinheiten wird dieses Thema sowohl aus rechtlicher als auch aus taktischer Sicht vertieft.
Des Weiteren werden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bereits im Vorfeld von relevanten Demonstrationslagen für entsprechende Situationen sensibilisiert.
Die niedersächsische Polizei wird auch in Zukunft unter Beachtung der rechtlichen Befugnisse im Bedarfsfall Anordnungen zum Untersagen des Fotografierens oder Filmens treffen bzw. entsprechende Foto- oder Filmkameras sicherstellen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.09.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010