Antimilitaristische Strukturen in Niedersachsen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.09.2008; Fragestunde
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hans-Christian Biallas (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Der Berliner Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DGF-VK) und das Berliner "Büro für antimilitaristische Maßnahmen" (BamM) haben auf ihrer gemeinsamen Internetseite ein Plakat veröffentlicht, das einen von Bundeswehrsoldaten getragenen Sarg zeigt. Das Bild wird kommentiert mit den Worten: "Die Bundeswehr auf dem richtigen Weg: Schritt zur Abrüstung. Wieder einer weniger. Wir begrüßen diese konkrete Maßnahme, den Umfang der Bundeswehr nach und nach zu reduzieren."
Auf der genannten Internetseite finden sich zudem Auflistungen über öffentliche Veranstaltungen und Auftritte der Bundeswehr wie die Durchführung feierlicher Gelöbnisse, Veranstaltungen auf Messen und in Schulen. Die Vereinigungen rufen dazu auf, eventuelle Hinweise auf die Veranstaltungen vor Ort zu beseitigen. Die Seite bietet zudem umfangreiche Informationen über Protestveranstaltungen gegen feierliche Gelöbnisse.
Daher frage ich die Landesregierung:
- Wie bewertet die Landesregierung die Veröffentlichung des beschriebenen Plakates?
- Welche Erkenntnisse hat sie über die genannten Vereinigungen bzw. über antimilitaristische Strukturen in Niedersachsen?
- Liegen Erkenntnisse vor, dass die Partei DIE LINKE bzw. ihre Mitglieder Kontakte zu diesen Vereinigungen unterhält?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Ein guter Gradmesser über die Akzeptanz der Bundeswehr sind die regelmäßigen Befragungen im Rahmen der "Sicherheitspolitischen Lage". Demnach genießt die Bundeswehr derzeit in der Bevölkerung ein so hohes Ansehen wie noch nie in ihrer Geschichte. Das gilt für sämtliche Gruppen. Sowohl die Landes- und Bündnisverteidigung als auch die Stabilisierungseinsätze erhalten eine breite Unterstützung
Von den Bündnispartnern wird die Bundeswehr als professioneller und zuverlässiger Partner geschätzt.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Wie den Vorbemerkungen zu entnehmen ist, genießt die Bundeswehr weit über die Grenzen Niedersachsens und der Bundesrepublik Deutschland hinaus ein hohes Ansehen.
Das zitierte Plakat diffamiert die Leistungen der Bundeswehr in schamloser und beleidigender Weise. Es wird von der Landesregierung als außerordentlich zynisch und pietätlos bewertet.
Zu 2.:
Die 1892 gegründete Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) ist die älteste Organisation der deutschen Friedensbewegung. 1974 schloss sie sich mit dem "Verband der Kriegsdienstverweigerer" (VK) zur DFG-VK zusammen. Bedeutung hat die Vereinigung in der Beratung von Kriegsdienstverweigerern nach Artikel 4 Absatz 3 Grundgesetz und als Teil der Friedensbewegung. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren geriet die DFG-VK unter den Einfluss der DKP und ihrer Nebenorganisationen, vor allem der Deutschen Friedens-Union (DFU). Daraus entstanden materielle und inhaltliche Abhängigkeiten, die sich in der Politik der DFG-VK widerspiegelten
Das Büro für antimilitaristische Maßnahmen (BamM) wurde in den 1990er Jahren gegründet. Mit seiner antimilitaristischen Tätigkeit will das BamM nach eigener Aussage das "Ansehen der BRD und ihrer Armee herabsetzen", um so die "Wehrkraftzersetzung" zu fördern, die "Heimatfront" zu schwächen und zum "Vaterlandsverrat" beizutragen.
DFG-VK und BamM richten sich mit ihren Aktionen vor allem gegen die deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sowie das westliche Verteidigungsbündnis, die NATO. Im Vordergrund stehen aktuell Aktivitäten gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr, in die sowohl der Bundesverband als auch die Landesverbände eingebunden sind.
Der Bereich Antimilitarismus ist ein wichtiger Anknüpfungspunkt linksextremistischer Agitation und Aktion.
Besonders kennzeichnend für das Thema Antimilitarismus sind Proteste und Aktionen der autonomen Szene u. a. gegen das in Hannover jährlich stattfindende "Sommerbiwak" der Bundeswehr. Wie in den Vorjahren kam es auch in diesem Jahr zu Störaktionen wie Beleidigungen und Belästigungen während der Ankunft und Abfahrt der Gäste, u. a. mit "blutverschmierten" Nachbildungen von Körperteilen, an denen sich auch niedersächsische Abgeordnete der Partei DIE LINKE. beteiligt haben.
Weitere Aktionen waren z.B. die Störung des traditionellen Adventskonzertes des Heeresmusikkorps der 1. Panzerdivision in der Marktkirche Hannover sowie antimilitaristische Proteste bei Informationsveranstaltungen der Bundeswehr in niedersächsischen Städten.
Zu 3.:
Gemeinsam mit Vertretern der Partei DIE LINKE. unterstützt die DFG-VK in der letzten Zeit die Kampagne "Bundeswehr raus aus Afghanistan". In einem von ihrem Bundesvorsitzenden Monty Schädel gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden der Partei DIE LINKE. im hessischen Land-tag, Willi van Ooyen und dem aus dem trotzkistischen LINKSRUCK stammenden Mitglied im geschäftsführenden Parteivorstand der Partei DIE LINKE., Christine Buchholz, verfassten Schreiben an die Delegierten des SPD-Bundesparteitages in Hamburg vom Juli 2007 wenden sie sich gegen eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, welches ihrer Meinung nach ein "Protektorat der US-geführten NATO" ist.
Vor allem Willi van Ooyen verfügt, wie auf seiner Homepage nachzulesen ist, über enge Anbindungen an die DFG-VK. Er war bis zur Fusion mit der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) zur DFG-VK im Jahre 1974 Mitglied des Bundesvorstandes des Verbandes der Kriegsdienstverweigerer (VK). Danach wirkte er als ehrenamtlicher Geschäftsführer der DFG-VK Hessen. Von 1984 bis zu ihrer Auflösung war er zudem hauptamtlicher Bundesgeschäftsführer der DKP-nahen Organisation Deutsche Friedens-Union (DFU). Gegenwärtig ist er auch Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in Kassel, einer laut Verfassungsschutzbericht des Bundes von 1998 auf Initiative der DKP als deren Vorfeldorganisation entstandenen Organisation. Ihr Sprecher, Peter Strutynski, gehört ebenfalls zu den Unterzeichnern des o. a. Schreibens. Vor allem bei vom Friedensratschlag initiierten Aufrufen und Aktionen kommt es zur Zusammenarbeit zwischen der DFG-VK und Vertreter der Partei DIE LINKE. sowie der DKP.
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.09.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010