Beschaffungspraxis der Landesbehörden
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.09.2008; Fragestunde
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlef Tanke, Sigrid Rakow, Heinrich Aller, Ulla Groskurt, Daniela Krause-Behrens, Silva Seeler und Wolfgang Wulf (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Am 2. Juli 2008 führten der Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen (VEN) und das Unternehmen "Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH" (InWEnt) im Niedersächsischen Landtag unter dem Motto "Niedersachsen kauft fair" eine Diskussionsveranstaltung zur Verankerung ethischer und ökologischer Grundsätze im öffentlichen Beschaffungswesen durch. Im Rahmen dieser Veranstaltung behauptete Innenminister Schünemann in seinem Grußwort, dass die Behörden des Landes Niedersachsen beim zentralen Einkauf schon heute Kriterien eines fairen Handels berücksichtigen könnten. Diese Aussage steht nach Auffassung vieler Fachleute in bemerkenswertem Gegensatz zu den bisherigen Aktivitäten der Landesregierung, auf Landesebene die Aufnahme wirksamer Maßnahmen zum Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit konsequent zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Welche Kriterien fairen Handels sind seit wann Gegenstand der Beschaffungspraxis von Landesbehörden?
- Wie hat sich das Finanzvolumen der unter 1. genannten Kriterien entwickelt, und wie wird die Einhaltung der Kriterien überprüft?
- Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bislang ergriffen und welche plant sie zur umfassenden Verankerung ethischer und ökologischer Kriterien in das Vergabeverfahren und die Beschaffungspraxis des Landes Niedersachsen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Landesregierung hat im Zuge der Verwaltungsmodernisierung – Arbeitsprogramm Phase 2 – am 19. Dezember 2006 Beschlüsse zur Neuausrichtung der Liegenschafts-, Bau- und Gebäudeverwaltung gefasst. Danach sollte u.a. die Beschaffung von Waren und Dienst-leistungen für die niedersächsische Landesverwaltung bei einer als Landesbetrieb im Geschäftsbereich des MI einzurichtenden Stelle konzentriert werden. Mit der Aufgabe wurde das Logistik Zentrum Niedersachsen (LZN) betraut.
Ziel der Zentralisierung ist es, durch Standardisierung, Reduzierung der Artikelvielfalt, Zusammenfassung von Ausschreibungen und den Abschluss von Rahmenverträgen insgesamt Prozesskosten zu senken und Preisvorteile zu erzielen. Diese Preisvorteile sollen der Haushaltsentlastung bzw. der Steigerung der Kaufkraft dienen.
Niedersachsen stellt die Haushaltskonsolidierung allem voran. Gleichzeitig aber lag der Fokus auch darauf, zu einer fairen Beschaffung zu kommen. Zur fairen Beschaffung sagt die Betriebsanweisung für das LZN, dass bei den Beschaffungen grundsätzlich darauf zu achten ist, dass auch umweltbezogene und soziale Aspekte Berücksichtigung finden. Umweltgerechte Produkte, die durch Umweltzeichen oder entsprechendes Prüfsiegel gekennzeichnet sind, sollen bei gleicher Eignung vorrangig beschafft werden, wenn wirtschaftliche Aspekte dies nicht ausschließen. Ökologische Aspekte sind bei der Beschaffung einzubeziehen. Ebenso ist die Nachhaltigkeit eines Produktes bezogen auf die Lebensdauer und den Energiebedarf bei technischen Geräten zu beachten. Und schließlich ist in der Vergabeentscheidung auch einzubeziehen, ob die am Wettbewerb teilnehmenden Anbieter nach der einschlägigen EG-Verordnung zum Umweltmanagement und zur Umweltbetriebsprüfung zertifiziert sind.
Der Landtag hat die Landesregierung mit Beschluss vom 12. Dezember 2007 aufgefordert, sich den weltweiten Bemühungen zur Eindämmung ausbeuterischer Kinderarbeit anzuschließen und mögliche Handlungsschritte zu prüfen. Verschiedene Nachweismöglichkeiten über Zertifizierungen oder Eigenerklärungen für den Ausschluss von ausbeuterischer Kinderarbeit, dass gilt im Übrigen genau so für den Ausschluss von moderner Sklavenarbeit, werden im Rahmen der ILO-Konvention 182 eingesetzt. Das 1999 von der International Labour Organisation verabschiedete Übereinkommen 182 zum Verbot und zur Ergreifung von Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit haben derzeit rd. 160 Mitgliedsstaaten ratifiziert.
In dem es eine Eigenerklärung zum Ausschluss von Kinderarbeit von den Bietern erwartet, unterstützt das LZN dieses Übereinkommen in der Praxis und setzt gleichzeitig die Anforderungen der Betriebssatzung an eine soziale Beschaffung um. Das LZN befindet sich zur Abstimmung der Erklärung derzeit im Dialog mit dem Wirtschaftsministerium.
Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung vom 31. Juli 2008 auf den genannten Beschluss des Landtages verwiesen.
Nach wie vor stellt sich die Frage der Zuverlässigkeit und Überprüfbarkeit solcher Zertifikate und Erklärungen. Das LZN hat nicht die Instrumente und Ressourcen, um die tatsächliche Einhaltung einer Eigenerklärung regelmäßig zu überprüfen. Hinzu kommt, dass nicht nachprüfbare Kontrollen von Zertifikaten und Eigenerklärungen nach der Rechtsprechung des EuGH den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen und bei der Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bieters unberücksichtigt bleiben müssen.
Gleichwohl wird in den Maßnahmen des LZN ein erster Schritt auf dem Weg zu einer sozial ausgerichteten und damit fairen Beschaffung gesehen. Die Ratifizierung des Übereinkommens 182 durch 160 Mitgliedsstaaten erhöht die Sensibilität für dieses Thema, befreit uns aber nicht vor dem Dilemma der oft fehlenden Überprüfbarkeit.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Zu 1. – 3.:
siehe Vorbemerkung
Artikel-Informationen
erstellt am:
18.09.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010