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Jugendkriminalität durch Missbrauch von Schmerzmitteln

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.10.2008; Fragestunde


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hans-Christian Biallas (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Mehreren Presseberichten in jüngerer Vergangenheit zufolge ist seit einiger Zeit bundesweit ein Anstieg der Zahl von Gewaltdelikten unter Jugendlichen zu verzeichnen, welche sich bewusst mit tilidinhaltigen Schmerzmitteln aufputschen. Besonders in Großstädten wie Berlin oder Hamburg hat den Berichten zufolge die Anzahl dieser Vorfälle rasant zugenommen. Der Missbrauch von Tilidin ist nach Aussage der Berliner Polizei insbesondere unter arabisch- und türkischstämmigen Jugendlichen weit verbreitet, da Medikamente für gläubige Muslime im Gegensatz zu Heroin, Cannabis oder Alkohol nicht grundsätzlich verboten seien.

Nach dem geltenden Arzneimittelrecht sind Tilidinpräparate wie Valoron N zwar verschreibungspflichtig. Der Besitz stellt jedoch keinen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz dar. Lediglich der illegale Verkauf ist strafbar.

Neben dem Anstieg der Zahl der Gewaltdelikte unter Einwirkung von Tilidin sind nach Polizeiberichten auch drastische Anstiege bei der Beschaffungskriminalität wie Raubüberfälle und Einbrüche in Apotheken sowie Rezeptfälschungen zu verzeichnen. Nach Aussage des Leiters des Berliner LKA-Dezernats für Umweltdelikte, das auch für das Arzneimittelkommissariat zuständig ist, sind von den 2 000 Fällen von Rezeptfälschungen im Jahr 2007 90 % in Zusammenhang mit tilidinhaltigen Schmerzmitteln zu bringen.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche Erkenntnisse liegen ihr über den Missbrauch von tilidinhaltigen Schmerzmitteln im Zusammenhang mit Gewalt- oder Beschaffungsdelikten in Niedersachsen vor?
  2. Steht die Landesregierung in diesem Zusammenhang im Informationsaustausch mit anderen Bundesländern?
  3. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, tilidinhaltige Schmerzmittel als Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zu klassifizieren, und würde sie eine entsprechende Bundesratsinitiative für sinnvoll erachten?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Das zur Gruppe der Opioide gehörende Tilidin ist der Wirkstoff u. a. des Schmerzmittels Valoron N, wobei N für die Beimischung des Opioidantagonisten Nalaxon steht. Nalaxon schwächt die Rauschwirkung des Tilidins und soll den Missbrauch von Tildin eindämmen.

Sofern es sich nicht um eine ausgenommene Zubereitung handelt, unterliegt Tilidin dem Betäubungsmittelgesetz und ist als cis-Tilidin in Anlage II und als trans-Tilidin in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt.

In Niedersachsen wurden im Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.09.2008 insgesamt 31 Fälle polizeilich bekannt, bei denen das Ziel der strafbaren Handlung u. a. die Erlangung von Tilidin enthaltenden Präparaten gewesen ist. Aufgrund des Dunkelfeldes im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in Niedersachsen zu weiteren Missbrauchsfällen mit tilidinhaltigen Präparaten gekommen ist. Bundesweit erfolgt im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes derzeit keine zielgerichtete Auswertung.

Die hier vorliegenden Informationen hinsichtlich Gewalt- und Beschaffungskriminalität sind für die Landesregierung Anlass, die weitere Entwicklung im Bereich Tilidin aufmerksam zu verfolgen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Der Landesregierung liegen für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.09.2008 - über die dargestellten Fälle strafbarer Handlungen zur Erlangung von Tilidin, einem Fall von nachgewiesenem Konsum von Tilidin im Zusammenhang mit einem Sexualdelikt und einem Körperverletzungsdelikt hinaus - keine weiteren Erkenntnisse über den Missbrauch von tilidinhaltigen Schmerzmitteln im Zusammenhang mit Gewalt- oder Beschaffungsdelikten in Niedersachsen vor.

Zu 2.:

Die Landeskriminalämter und somit auch das Landeskriminalamt Niedersachsen tauschen Informationen zu überregionalen Serienstraftaten im Zusammenhang mit tilidinhaltigen Schmerzmitteln über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst aus (z. B. Rezeptfälschungen im großen Ausmaß).

Zu 3.:

Eine Empfehlung, Tilidin/Naloxon den betäubungsrechtlichen Bestimmungen zu unterstellen, rechtfertigen die bisherigen Fallzahlen in Niedersachsen nicht.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.10.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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