Bundesratssitzung - TOP 56
Rede des niedersächsischen Ministers für Inneres, Sport und Integration, Uwe Schünemann, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Einbürgerungsverfahren kommt es immer wieder vor, dass Einbürgerungsbewerber durch falsche Angaben unseren Staat bewusst täuschen:
• indem sie beispielsweise die tatsächliche Herkunft oder die
bisherige Staatsangehörigkeit verschleiern;
• indem sie gefälschte Dokumente der Heimatstaaten vorlegen;
• oder indem sie zum Personenstand falsche Angaben machen,
zum Beispiel eine noch bestehende Ehe im Heimatstaat
verschweigen.
Lassen Sie mich ein typisches Beispiel aus der Praxis schildern:
Ein pakistanischer Staatsbürger sucht und findet eine deutsche Ehefrau, verschweigt jedoch den deutschen Behörden, dass er in Pakistan verheiratet ist. Er erhält sofort eine Aufenthaltsgenehmigung. Weil er mit einer deutschen Frau verheiratet ist, kann er sich schon nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen, sofern die Ehe zwei Jahre hält.
Zwischenzeitlich reist der Pakistani mehrmals allein in den Urlaub nach Pakistan, um dort mit seiner pakistanischen Ehefrau zusammen zu sein. Es werden auch Kinder geboren.
Kaum eingebürgert, trennt sich der Pakistani von seiner deutschen Ehefrau und versucht seine pakistanische Gattin und die dort lebenden Kinder nach Deutschland zu holen. Der Schwindel fliegt auf. Die deutschen Behörden wollen nun zu Recht gegen den Eingebürgerten vorgehen.
Welche Möglichkeiten haben sie nach geltender Gesetzeslage?
Betrachten wir zunächst das Einbürgerungsrecht:
Das Bundesverfassungsgericht hat am 24. Mai 2006 entschieden, dass eine durch Täuschung erwirkte Einbürgerung zurückgenommen werden kann. Dafür gibt es bisher nur die allgemeine Vorschrift in § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz. Kürzlich hat das Bundesverwaltungsgericht dazu angemerkt, dass längerfristig zurückliegende Täuschungen auf diese Vorschrift nicht gestützt werden können. Das Bundesinnenministerium hat daher einen Gesetzentwurf angekündigt, der eine spezielle Rücknahmevorschrift im Staatsangehörigkeitsrecht vorsieht. Ein Referentenentwurf liegt vor. Über die Frist, innerhalb derer eine Rücknahme erfolgen darf, gibt es eine Diskussion mit dem BMI auf Arbeitsebene.
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei der Einbürgerung spielen integrationspolitische Aspekte eine wichtige Rolle. Mit den erfolgten Reformen im Staatsangehörigkeitsrecht hat unser Land die Einbürgerung erheblich erleichtert. Erwachsene Ausländer haben nun bereits nach 8 Jahren einen Anspruch auf Einbürgerung. Bei besonderen Integrationsleistungen verkürzen sich die Fristen auf 7 bzw. 6 Jahre.
Der Staat unterbreitet den hier auf Dauer lebenden Ausländern ein breit angelegtes Integrationsangebot. Am Ende dieses Prozesses steht idealerweise die Einbürgerung. Wenn dieses staatliche Entgegenkommen jedoch missbraucht wird, indem über einbürgerungsrelevante Tatsachen bewusst getäuscht wird, muss dieses Verhalten Konsequenzen haben.
Die Rücknahme der Einbürgerung in solchen Fällen ist das Minimum. Die in diesem Zusammenhang diskutierten Sperrfristen für einen erneuten Einbürgerungsantrag dürfen auf keinen Fall zu kurz bemessen sein. Hier werden wir uns den Referentenentwurf genauer anschauen müssen.
Auch sicherheitspolitisch haben wir in den Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts richtige Signale gesetzt. So ist klar, dass bei Anhaltspunkten für eine extremistische oder terroristische Betätigung eine Einbürgerung ausgeschlossen ist. Dann muss aber auch die Rücknahme der Einbürgerung möglich sein, wenn der Einbürgerungsbewerber sicherheitsrelevante Tatsachen vor den Einbürgerungsbehörden verschleiert.
Verschweigt der Bewerber die Zugehörigkeit zu einer Organisation, die als extremistisch einzustufen ist, dann muss dieses Verschweigen nicht nur bei der Einbürgerungsentscheidung Konsequenzen haben, sondern natürlich auch noch dann, wenn die Sicherheitsbehörden erst nach einiger Zeit diese Fakten nachweisen können.
Gerade in solchen für unsere Sicherheit bedeutsamen Fallkonstellationen müssen wir die Frist, innerhalb derer eine Rücknahme der Einbürgerung noch möglich ist, bis an die Grenze der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ausschöpfen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
zurück zur Frage, welche strafrechtlichen Konsequenzen unser Pakistani aus dem Beispielfall zu fürchten hat.
Nun, das Ergebnis mag erstaunen:
Erschleicht er sich mittels falscher Angaben vor der Ausländerbehörde ein Aufenthaltsrecht, droht eine Haftstrafe bis zu drei Jahren. So steht es im Aufenthaltsgesetz (§ 95 Abs. 2 Nr. 2). Eine entsprechende Strafvorschrift im Einbürgerungsrecht suchen wir aber vergeblich. Auch der Rückgriff auf das allgemeine Strafrecht ist in der Regel verwehrt, denn Betrugsdelikte liegen nicht vor, da ein Vermögensschaden fehlt.
Schriftliche oder mündliche Lügen im Einbürgerungsverfahren sind auch nicht unter die Urkundenfälschungsdelikte subsumierbar. Im Ergebnis stellen die Staatsanwaltschaften daher derartige Verfahren ein. Ist dann noch das Erschleichen des Aufenthaltstitels verjährt, bleibt die Täuschung der Einbürgerungsbehörden strafrechtlich ohne Folgen.
Die Signalwirkung für das Ansehen des Rechtsstaates, aber auch die Integrations- und Sicherheitspolitik ist fatal!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Niedersachsen will mit dem vorliegenden Gesetzesantrag diese Lücke im Strafrecht schließen. Es ist unerträglich, dass Einbürgerungsbewerber mit unlauteren Mitteln die deutsche Staatsangehörigkeit erschleichen wollen, obwohl sie in dem Einbürgerungsverfahren eine Loyalitätserklärung zu unserer demokratischen Rechts- und Gesellschaftsordnung abgeben.
Es ist zudem ein eklatanter Wertungswiderspruch, wenn im Aufenthaltsgesetz und selbst im Asylverfahrensgesetz (§ 84) entsprechende Verhaltensweisen unter Strafe gestellt sind, bei dem endgültigen Schritt in die deutsche Staatsbürgerschaft aber nicht. Das ergibt einfach keinen Sinn!
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wollen durch unseren Vorschlag die geplante Rücknahmeregelung im Einbürgerungsrecht um eine spezialgesetzliche Strafrechtsnorm ergänzen. Ein solcher Schritt macht nicht nur rechtssystematisch Sinn, sondern ist auch integrationspolitisch unerlässlich. Die Einbürgerung steht am Ende eines erfolgreich abgeschlossenen Integrationsprozesses. Mit der Einbürgerung hat der neue deutsche Staatsbürger nicht nur Pflichten, sondern er erwirbt auch umfassende Rechte.
Deshalb ist für mich klar:
Bei einem missbräuchlichen Verhalten durch den Einbürgerungsbewerber muss der gesamte Katalog des Sanktionensystems zur Verfügung stehen.
Nur so erhalten wir das Ansehen des Rechtsstaates, stärken wir die Sicherheit unserer Bürger und fördern wir das integrationspolitische Profil unseres Landes.
Artikel-Informationen
erstellt am:
25.04.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010