Vorsitz in Bund-Länder Arbeitsgruppe „Rückführung“
Niedersachsen will Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern verbessern
HANNOVER. "Den Vorsitz in der Bund-Länder Arbeitsgruppe "Rückführungen" wollen wir nutzen, um bestehende Rückführungshindernisse zu beseitigen und die Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländer zu beschleunigen", sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann am Montag in Hannover. Mehr als jede zweite Abschiebemaßnahme scheitere kurz vor der Durchführung und verursache dadurch erhebliche Kosten. Von 1360 Abschiebeersuchen konnten 2007 nur 663 durchgeführt werden. Die häufigsten Gründe hierfür: Die Betroffenen waren untergetaucht, die Reisefähigkeit wurde von einem Arzt nicht bestätigt, Asylfolgeanträge wurden unmittelbar vor der Ausreise gestellt und kurzfristig wurde die Rückübernahme zum Beispiel in den Kosovo abgelehnt.
Um die Rückführung zu verbessern gelte es drei Punkte voran zu bringen:
- Die von der Bundespolizei in Zusammenarbeit mit anderen EU-Mitgliedsstaaten organisierten EU-Sammelcharter zur Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer haben sich grundsätzlich bewährt. Allerdings müssen die Flüge kurzfristiger buchbar und insgesamt flexibler werden.
- Das Verfahren der ärztlichen Begutachtung zur Feststellung der Reisefähigkeit von abzuschiebenden Personen muss verbessert werden. Hierbei sollen zur Beurteilung der Flugtauglichkeit vermehrt Fachärzte für Flugmedizin gewonnen werden
- Die Zusammenarbeit mit Auslandsvertretungen der Herkunftsländer ausreisepflichtiger Ausländer muss intensiviert werden. Bisher zeigen sich bei der Identitätsfeststellung und Passersatzpapierbeschaffung viele Länder wenig kooperativ.
"Bei den entstandenen Kosten im Falle einer gescheiterten Abschiebung werden wir genau prüfen, ob und wie dieses Geld von der ausreisepflichtigen Person zurückgefordert werden kann", sagte der Innenminister.
Bei gescheiterten Abschiebungsversuchen entstehenden Sach- und Personalkosten einschließlich der bei den Fluggesellschaften entstehenden Stornierungskosten, die von dem ausreisepflichtigen Ausländer zurückgefordert werden können, wenn dieser durch sein aktives handeln das Scheitern verursacht oder mit verursacht hat. Die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel gerade in einer aktuellen Entschei-dung vom 03. März erneut bestätigt.
Für die im vergangenen Jahr abgeschobenen 663 Personen mussten rund 934.000 Euro für den Erwerb von Flugtickets, Honorarkosten für begleitende Ärzte und Erstattungen an andere Länder, die in Amtshilfe für Niedersachsen Abschiebungen vollzogen haben, aufgewendet werden. Damit sind durchschnittlich ca. 1.400 Euro an Kosten für jede abgeschobene Person entstanden.
Für die Abschiebung von sieben der insgesamt 663 abgeschobenen Personen mussten sogar gesonderte Flugzeuge gechartert werden, damit sie in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden konnten. Für die Einzelcharterflüge sind insgesamt rd. 94.000 Euro (ohne Personalkosten) aufgewendet werden.
"Schon diese Auflistung zeigt, dass es bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländer Verbesserungen im Verfahren geben muss", sagte Schünemann
Die weitere Entwicklung 2007 im Aufenthalts- und Asylrecht im Einzelnen:
1. Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz vom Dezember 2006
Nach der Bleiberechtsregelung vom 06.12.2006 wurden bis Ende September 2007 insgesamt 2.362 Aufenthaltserlaubnisse in Niedersachsen erteilt. Die Anträge der Personen, die die Erteilungsvoraussetzungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt hatten und deshalb nicht mehr auf der Grundlage dieser Bleiberechtsregelung entschieden werden konnten, wurden in die gesetzliche Altfallregelung übergeleitet.
2. Gesetzliche Altfallregelung
Die gesetzliche Altfallregelung (§§ 104a und 104b des Aufenthaltsgesetzes) ist mit Änderung des Aufenthaltsgesetzes Ende August 2007 in Kraft getreten. Auf dieser Grundlage sind bis zum 31.12.2007 in Niedersachsen bereits 1.373 Aufenthaltserlaubnisse, davon 1.070 Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe", erteilt worden.
3. Asylbewerber
Insgesamt haben im letzten Jahr 1.637 Personen in Niedersachsen Asyl beantragt. 2006 waren es noch 1.701 Personen. Der Rückgang beläuft sich damit nur auf 69 Personen (- 4,06 %). Im Januar 2008 ist die Zahl der Asylbewerber gegen den langjährigen Trend im Vergleich zum Vorjahresmonat um 734 Personen (44,1%) gestiegen.
Im Bundesgebiet haben 2007 insgesamt 19.164 Personen Asyl beantragt, 2006 waren es noch 21.029 Personen. Somit war bundesweit ein Rückgang um 1.865 Personen (- 8,87%) zu verzeichnen.
Hauptherkunftsländer der Antragsteller in Niedersachsen waren der Irak (444 Personen), Serbien (205 Personen), Syrien (100 Personen) und die Türkei (103 Personen).
Im Jahre 2007 hat das Bundesamt für die Migration und Flüchtlinge insgesamt über 2.735 Asylanträge der Niedersachsen zugewiesenen Asylbewerber entschieden. 13 Personen wurden als Asylberechtigte nach Art. 16 a des Grundgesetzes anerkannt (0,48 %), 1.021 Personen erhielten Abschiebungsschutz als politisch Verfolgte i.S. der Genfer Flüchtlingskonvention nach § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (37,33 %; im Vorjahr waren es lediglich 3,30%). Bei 29 Personen hat das Bundesamt Abschiebungshindernisse insbesondere wegen drohender unmenschlicher Behandlung oder Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes festgestellt (1,06 %). Demgegenüber wurden die Asylanträge für 1.076 Personen (39,34 %; im Vorjahr betrug die Ablehnungsquote noch 63,36%) abgelehnt, die Verfahren für 596 Personen (21,79 %) wurden anderweitig beendet.
4. Spätaussiedler
Auch die Zahl der neu einreisenden Spätaussiedler ist weiterhin rückläufig. Sie nimmt seit 1990 (397.073 Personen bundesweit) kontinuierlich ab und lag im Jahre 2007 in Niedersachsen nur noch bei 529 Personen (bundesweit 5.792 Personen). Der Rückgang gegenüber den Vorjahren (2006: 582 Personen in Niedersachsen und 7747 bundesweit) ist unter anderem auf die zum 01.01.2005 in Kraft getretene Gesetzesänderung zurückzuführen. Seither können die Familienangehörigen der deutschen Staatsangehörigen nur noch dann mit einreisen, wenn sie über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
5. Ausreisepflichtige (geduldete) Ausländer
Die Zahl der ausreisepflichtigen Ausländer, die ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind und auch nicht abgeschoben werden konnten, ist gegenüber dem Vorjahr weiter zurückgegangen. Am 31.12.2007 hielten sich insgesamt 18.203 geduldete Ausländer (31.12.2006: 22.600) in Niedersachsen auf. Der etwas stärkere Rückgang gegenüber dem Vorjahr ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass viele dieser langjährig hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung vom Dezember 2006 und der gesetzlichen Altfallregelung (§§ 104a u. 104b des Aufenthaltsgesetzes) erhalten haben.
6. Abschiebungen
Von niedersächsischen Ausländerbehörden wurden im letzten Jahr 663 (2006: 1.077) Personen abgeschoben, davon 71 Personen (2006: 115) unmittelbar aus den Einrichtungen des Landes. Die Zahl der Abschiebungen ist gegenüber den Vorjahren erneut zurückgegangen. Im Wesentlichen ist der Rückgang der Abschiebungszahlen darauf zurückzuführen, dass in den Fällen geprüft wurde, ob eine Teilnahme an der Bleiberechtsregelung vom Dezember 2006 oder der gesetzlichen Altfallregelung (§§ 104a u. 104b des Aufenthaltsgesetzes) möglich ist. Diese Entwicklung führte dazu, dass bei den abgeschobenen Personen erstmals die Zahl der Straftäter und sonstigen Ausreisepflichtigen (351 Personen) höher ist als die Zahl abgelehnten Asylbewerber (312 Personen). 101 (2006: 172) Ausländerinnen und Ausländer wurden wegen beson-ders schwerer Straftaten ausgewiesen und abgeschoben.
Bemerkenswert ist, dass den 663 Abschiebungen 1.360 Abschiebungsersuchen vorausgingen. Das bedeutet, dass nur noch 47 % der angemeldeten Abschiebungen tatsächlich durchgeführt werden konnte und damit mehr als jede zweite Abschiebungsmaßnahme aus unterschiedlichen Gründen scheiterte.
7. Freiwillige Ausreisen
Bund und Länder haben auch 2007 wieder ein gemeinsames Rückkehrprogramm für mittellose Ausländer und Ausländerinnen aufgelegt. Mit der Durchführung ist die Internationale Organisation für Migration (IOM) beauftragt worden. Im Rahmen dieses Programms sind 342 Personen (2006: 606) aus Niedersachsen bei der freiwilligen Rückkehr in ihr Herkunftsland oder Weiterwanderung in ein Drittland unterstützt worden. Die durchschnittlichen Rückkehrhilfen von 805 EUR pro Person (2006: 735) wurden jeweils zur Hälfte vom Bund und dem Land Niedersachsen getragen.
Besondere Hilfestellungen wurden den in den Landeseinrichtungen untergebrachten Personen ohne Bleibeperspektive zuteil. Für potenzielle Rückkehrer und Rückkehrerinnen besteht das Angebot, jeweils auf den Einzelfall abgestellte Hilfen in Anspruch nehmen zu können, um eine freiwillige Rückkehr in Würde zu ermöglichen. So können besondere Qualifikationen u.a. im handwerklichen Bereich erworben werden. Im Jahr 2007 sind 166 Personen (2006: 194) aus den Einrichtungen in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. An Sach- und Geldleistungen wurden durchschnittlich 686 EUR (2006: 550) pro Person gewährt. Diese Individualhilfen dienten hauptsächlich der Wohnraumbeschaffung, der medizinischen Versorgung oder dem Aufbau einer beruflichen Existenz.
Der bundesweit zu verzeichnende Rückgang bei den Ausreisezahlen ist insbesondere auf die sinkende Zahl der Einreisenden in die Bundesrepublik Deutschland sowie die Diskussionen über die Einführung einer Bleiberechts- und Altfallregelung zurückzuführen.
8. Rückkehr ins Kosovo
Die Bereitschaft der in den neunziger Jahren aus dem Kosovo aufgenommenen Flüchtlinge, nunmehr in ihre Heimat zurückzukehren, hat weiter abgenommen. Diese Tendenz der letzten Jahre hat sich auch im Jahr 2007 fortgesetzt. Daneben hat die von den Vereinten Nationen auch für die frühzeitige Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung eingesetzte Zivilverwaltung im Kosovo (UNMIK) zunehmend die Rückführung von Flüchtlingen abgelehnt.
Der im Jahr 2007 erkennbare Rückgang der Anzahl der ausreisepflichtigen und geduldeten ehemaligen Flüchtlinge aus dem Kosovo bedeutet nicht, dass diese Personen bereits in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Zahlreiche Ausländerinnen und Ausländer aus dem Kosovo haben von den Bleiberechtsregelungen profitiert, so dass die Zahl der ausreisepflichtigen Personen vorrangig aus diesen Gründen zurückgegangen ist.
Die größte Gruppe der sich in Niedersachsen aufhaltenden und weiterhin ausreisepflichtigen Personen aus dem Kosovo bilden die Roma. Von den insgesamt ausreisepflichtigen 5.357 (2006: 7.383) Personen aus dem Kosovo, gehören 4.204 (2006: 5.509) Personen der Volksgruppe der Roma an, 527 (2006: 765) sind Ashkali und 414 (2006: 745) Albaner.
22 Personen (2006: 47) sind im vergangenen Jahr aus Niedersachsen freiwillig mit finanzieller Unterstützung von IOM in das Kosovo zurückgekehrt; davon gehören 11 Personen der ethnischen Gruppe der Albaner an, 10 sind Roma- und eine Person ist Angehörige der Ashkali. Im gleichen Zeitraum wurden nur noch 49 Personen (2006: 102) in das Kosovo abgeschoben.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.03.2008
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010