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Dienstrechtsreform

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.11.2007; Fragestunde; Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leuschner (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!


Die Abgeordnete hatte gefragt:

Das Beamtenverhältnis ist von einer einseitigen Festlegung der Dienst- und Rahmenbedingungen durch den Dienstherrn geprägt. Durch die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform hat das Land jedoch auch im Bereich des Beamtenrechts neue Gesetzgebungskompetenzen erhalten. Dies eröffnet gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten, die allerdings aus Sicht der niedersächsischen Beamtinnen und Beamten die Gefahr schwerwiegender und weitreichender Eingriffe in ihre Rechte erhöhen. Es wird befürchtet, dass diese Veränderungen ausschließlich von den Vorgaben des Finanzministers diktiert werden. Ein solches Vorgehen würde verkennen, dass ein moderner, leistungsfähiger öffentlicher Dienst auf Beschäftigte angewiesen ist, die mit hohem Sachverstand eigenverantwortlich handeln und über soziale Kompetenzen verfügen. Vor diesem Hintergrund erscheint es vielen zunehmend als Anachronismus, dass die Arbeitsbedingungen von Beamtinnen und Beamten noch immer einseitig per Gesetz oder Verordnung bestimmt werden. Es wird gefordert, im Zuge einer Modernisierung des Beamtenrechts Beteiligungsrechte für Beamtinnen und Beamte zu schaffen, die es ermöglichen, wichtige Bereiche, so z. B. Arbeitszeit, Teilzeit, Altersteilzeit, Beurlaubungen, Urlaub, Sonderurlaub, Freistellungen, Versetzungen, Abordnungen, Umsetzungen, über die Grundbesoldung hinausgehende Einkommensbestandteile, Laufbahnen und Ausbildungen sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz, durch öffentlich-rechtliche Verträge zu regeln. Diese vertraglichen Regelungen könnten, so wird vorgeschlagen, an die Seite eines stark verschlankten Niedersächsischen Beamtengesetzes treten. Alle Tatbestände, die nicht ausdrücklich durch Vertrag zu regeln sind, sollen auch nach diesen Vorstellungen weiterhin durch Gesetz oder Verordnung geregelt werden. Hierunter könnten zum Beispiel die statusrechtlichen Bestimmungen, das Versorgungsrecht und eine Grundbesoldung fallen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie bewertet sie den Vorschlag, den niedersächsischen Beamtinnen und Beamten in den o. g. Bereichen weitgehende Verhandlungsrechte einzuräumen?
  2. Welche rechtlichen oder gegebenenfalls praktischen Hürden sieht die Landesregierung, die einem solchen Vorgehen entgegenstehen könnten?
  3. Sind der Landesregierung andere "Verhandeln statt Verordnen"-Initiativen auf Bundesebene bzw. auf Ebene der anderen Bundesländer bekannt, und wie bewertet sie diese?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Anfrage greift eine Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf, der im Juli 2007 in Niedersachsen, wie bereits im Oktober 2006 in Bremen, unter dem Titel "Verhandeln statt Verordnen" ein Positionspapier zu Verhandlungsrechten im Beamtenrecht vorgestellt hat. Die darin enthaltene Grundposition des DBG geht zurück auf Forderungen, die der DGB 1991 unter dem gleichen Motto erhoben und die Gewerkschaft ÖTV im Jahr 2000 in abgewandelter Form präsentiert hatte. Sie sind bis heute weder auf Bundes- noch auf Landesebene umgesetzt worden. Der jetzige Vorschlag soll nach dem Willen des DGB durch eine Änderung des Niedersächsischen Beamtengesetzes verwirklicht werden. Inhaltlich sollen danach nur noch die verfassungsrechtlich vermeintlich zwingenden Bereiche des Beamtenrechts durch Gesetz oder Verordnung geregelt werden. Für die überwiegenden Bereiche sollen vertragliche Regelungen ausgehandelt werden.

Mit der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform sind die Gesetzgebungskompetenzen im Beamtenrecht neu verteilt worden. Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes im Beamtenrecht wurde aufgehoben.

Die neu gewonnenen Kompetenzen der Länder sollen in Niedersachsen im Bereich des Dienstrechts mit Schwerpunkt Status- und Laufbahnrecht durch eine umfassende Novellierung des Niedersächsischen Beamtengesetzes umgesetzt werden. Die Landesregierung ist bestrebt, die neuen landesrechtlichen Möglichkeiten mit Umsicht und Augenmaß auszugestalten. Im Rahmen eines breit angelegten Diskussionsprozesses haben die fachlich zuständigen Ressorts, das Ministerium für Inneres und Sport und das Finanzministerium am 30. August 2007 ein Symposium zur Dienstrechtsreform in Niedersachsen veranstaltet. An diesem Symposium haben 160 Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften und Berufsverbände, der Kommunen mit ihren kommunalen Spitzenverbänden, des Landespersonalausschusses, des Landesrechnungshofes und der Ressorts, aber auch Vertreter des Landtags teilgenommen. Das Thema "Dienstrechtsreform" wurde dabei zum einen durch Fachvorträge näher beleuchtet, zum anderen hatten die Spitzenverbände Gelegenheit, ihre Erwartungen und Wünsche an eine Reform zu äußern. In diesem Rahmen hat die Vertreterin des DGB die Initiative "Verhandeln statt Verordnen" noch-mals vorgestellt. Diese Vorstellungen werden allerdings nicht von allen Spitzenverbänden und Berufsorganisationen geteilt. So lehnt beispielsweise der dbb beamtenbund und tarifunion, landesbund niedersachsen die Schaffung eines sog. Tarifbeamten ab, da dies der Grundidee des Beamtenrechts widerspreche.

Darüber hinaus ist die Landesregierung der Tradition der konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit folgend auch in diesem Themenbereich sowohl auf Fachebene als auch auf Leitungsebene mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden im Dialog.

Bei der Nutzung der neu gewonnenen beamtenrechtlichen Kompetenzen haben die Länder allerdings weiterhin das höherrangige Verfassungsrecht zu beachten. So bestimmt Art. 33 GG, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie gerade in der aktuellen Entscheidung zur Einstellungs-teilzeit vom 19. September 2007 nochmals zum Ausdruck gekommen ist, enthält Art. 33 Abs. 5 GG einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, d.h. die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses unterliegt der einseitigen Regelungskompetenz des Beamtengesetzgebers. Dies folgt aus der Eigenart des auf Kontinuität ausgerichteten Beamtenverhältnisses. Dieses ist geprägt durch eine fehlende vertragliche Austauschbeziehung. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung bekräftigt, dass Beamtinnen und Beamten zur Durchsetzung eigener Interessen kollektive Kampfmaßnahmen, wie z.B. das Streikrecht verfassungsrechtlich verwehrt sind. Schließlich enthält der Beschluss eine erste Aussage zu der durch die Föderalismusreform eingefügten Fortentwicklungsklausel. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, dass zwar das Recht des öffentlichen Dienstes fortzuentwickeln sei, nicht jedoch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums selbst.

Damit erscheinen die in der Initiative aufgezeigten Vorschläge verfassungsrechtlich problematisch.

Ähnlich führt der Staatssekretär im Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, Ulrich Lorenz, in seinen Thesen zum Forum V des Schöneberger Forums am 13./ 14. November 2007 aus, dass die verfassungsrechtlichen Schranken mit den bereits geregelten gewerkschaftlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten weitgehend erreicht sind: "Eine erweiterte Mitwirkung der Gewerkschaften bei der Normsetzung würde nicht nur Bedenken im Hinblick auf die demokratische Legitimationskette begegnen, sondern könnte darüber hinaus auch mit den in Art. 33 Abs. 5 GG konservierten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Wider-spruch stehen. (…) Beamtenrecht kann im Kern nicht verhandelt werden."

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Landesregierung begrüßt die Bereitschaft der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände, namentlich des DGB, sich intensiv in den Diskussionsprozess zur Dienstrechtsreform in Niedersachsen einzubringen. Es ist hilfreich und wünschenswert, dass die von der Neugestaltung des öffentlichen Dienstrechts berührten Organisationen und Personen frühzeitig ihre Vorstellungen und Erwartungen äußern. Eine abschließende Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung zum DGB-Positionspapier hat noch nicht stattgefunden.

Zu 2.:

Die niedersächsische Landesregierung sieht die in der Vorbemerkung dargestellten verfassungsrechtlichen Hürden.

In praktischer Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass es aus Sicht der Landesregierung unerlässlich ist, bei dem Reformprozess eine enge Abstimmung mit allen norddeutschen Küstenländern herbeizuführen, um nicht neue Mobilitätshemmnisse zwischen den Ländern entstehen zu lassen. Die Regierungschefs der fünf norddeutschen Küstenländer haben sich daher auf der Konferenz Norddeutschland im April 2007 hinsichtlich der Dienstrechtsreform auf ein enges Konsultationsverfahren verständigt. Demzufolge sind bei der Bewertung der Initiative auch die länderübergreifenden Zusammenhänge zu beachten.

Zu 3.:

Der Landesregierung ist die in der Vorbemerkung erwähnte gleichlautende DGB-Initiative bekannt, die im Oktober 2006 in der Freien Hansestadt Bremen vorgestellt worden ist.

Unter der Prämisse "Mehr Verhandlungsrechte für Beamtinnen und Beamte" ist zudem in Baden-Württemberg im September dieses Jahres zwischen der Landesregierung und den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände eine Vereinbarung über das Verfahren der Beteiligung bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse nach Landesbeamtengesetz geschlossen worden. Vergleichbare Vereinbarungen gibt es in mehreren Bundesländern. Die niedersächsische Landesregierung bewertet dies als eine verfassungsgemäße Möglichkeit, das Beteiligungsverfahren der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände durch Vereinbarung zu konkretisieren und zu intensivieren.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.11.2007
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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