Ehrenamtskarte
Sitzung Nds. Landtages am 16.11.2007; Fragestunde; Innenminister Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Viereck und Leuschner (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Bürgerschaftliches Engagement ist unverzichtbar. Gute Rahmenbedingungen für das bürgerschaftliche Engagement sind wiederum unverzichtbare Voraussetzung für den Erhalt und gegebenenfalls sogar den Ausbau bürgerschaftlicher Teilhabe. Diese Erkenntnis scheint wohl auch beim amtierenden Ministerpräsidenten vorhanden zu sein, hat er doch Anfang September 2007 eine Pressemitteilung zur Einführung der von ihm aufgelegten "niedersächsischen Ehrenamtskarte" unter die Überschrift "Landesweite Ehrenamtskarte Motivation und Dankeschön, für alle freiwillig Engagierten" gestellt. Allerdings trifft diese Ehrenamtskarte nicht ausschließlich auf Begeisterung. Insbesondere im Bereich des Sports herrscht erhebliche Verwunderung darüber, dass die Landesregierung nunmehr eine Konkurrenzkarte zur bereits 2006 eingeführten SportEhrenamtsCard Niedersachsen auflegt. Diese wiederum war aus der vom Niedersächsischen Turnerbund bereits 1995 eingeführten GymCard hervorgegangen und ist in allen Sportfachverbänden mit über 90 000 ehrenamtlich Tätigen sehr gut eingeführt.
Die Einführung der jetzt vom Ministerpräsidenten vorgestellten niedersächsischen Ehrenamtskarte scheint demgegenüber mit gewissen Anlaufschwierigkeiten verbunden zu sein, da die kommunale Unterstützung bröckelt. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 31. Oktober 2007 unter der Überschrift "Ehrenamtskarte kommt nicht in Gang", dass sich gegen die vom Ministerpräsidenten präsentierte Karte Bedenken mehren. Es ist von "finanziellen Auswirkungen, die man schwer einschätzen kann" die Rede. Die Bürgermeister der Kommunen in der Region Hannover haben sich parteiübergreifend einstimmig gegen eine Beteiligung an dieser Karte ausgesprochen, andere Kommunen haben sich ebenfalls ablehnend geäußert.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Wo ist - abgesehen von der über den Sport hinausgehenden Zielgruppe - der Unterschied zwischen der vom Ministerpräsidenten kürzlich vorgestellten niedersächsischen Ehrenamtskarte und der bereits 2006 eingeführten, aus der GymCard des Niedersächsischen Turnerbundes hervorgegangenen Sport-EhrenamtsCard Niedersachsen?
- Wie erklärt sich die Landesregierung die Tatsache, dass zahlreiche niedersächsische Kommunen die Teilnahme an der Ehrenamtskarte absagen, weil sie sich nicht zuletzt aufgrund der KFA-Kürzungen der Landtagsmehrheit finanziell außerstande sehen, derartige Vergünstigungen für ehrenamtlich Tätige zu gewähren?
- Wie begegnet die Landesregierung - zumal vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung die Kommunen bei der Einführung der Ehrenamtskarte mit dem als symbolisch empfundenen einmaligen Betrag von 3 000 Euro unterstützt - dem Vorwurf, dass die niedersächsische Ehrenamtskarte angesichts des Einführungstermins sowie der unzureichend vorbereiteten und sichtbar abbröckelnden kommunalen Unterstützung eher als Werbegag des Ministerpräsidenten denn als ernsthafte landesweite Unterstützung des Ehrenamts in Niedersachsen zu werten sei?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
In Niedersachsen sind 2,4 Mio. Menschen bürgerschaftlich in den Städten und Gemeinden aktiv. Das ist gegenüber 1999 ein Anstieg von 31 % auf 37 % der Gesamtbevölkerung (+ 20 %). Es ist bundesweit der größte Zuwachs. Damit liegt Niedersachsen zusammen mit Bayern in einem bundesweiten Vergleich an 3. Stelle.
Das Bürgerschaftliche Engagement ist unverzichtbarerer Bestandteil unserer Gesellschaft. Aufgabe aller staatlichen Institutionen ist es, das Engagement der vielen Aktiven in den Kommunen zu fördern, d. h. gute Rahmenbedingungen zu schaffen und auszubauen, um Menschen für ein nachhaltiges Engagement zu motivieren. In Niedersachsen ist in den vergangenen Jahren eine "Kultur der Anerkennung" von den Kommunen, den Trägerorganisationen und durch Maßnahmen der Landesregierung aufgebaut worden. Beispielhaft wird auf folgende Initiativen verwiesen:
- Im Juni 2003 hat die Landesregierung im Internet den "Freiwilligenserver" gestartet. Über 30.000 Vereine, Selbsthilfegruppen und Initiativen sind dort gespeichert und geben Auskunft über Mitwirkungsmöglichkeiten. Der Erfolg des "Freiwilligenservers" zeigt sich an der großen Zahl von durchschnittlich 120.000 Zugriffen im Monat.
- Zum 01. Oktober 2003 hat Niedersachsen als zweites Bundesland bestehende Lücken beim Versicherungsschutz für freiwillig Engagierte geschlossen, in dem das Land für alle verantwortlich tätigen Ehrenamtlichen eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat.
- Seit 2004 lobt die Landesregierung zusammen mit den VGH Versicherungen und den niedersächsischen Sparkassen den "Niedersachsenpreis für Bürgerengagement" aus, um die Wertschätzung und die öffentliche Anerkennung zu fördern,
- Im September 2005 hat die Landesregierung im Internet eine "Stiftungsdatenbank" frei geschaltet, die erstmals eine öffentlich zugängliche Übersicht über die rund 1.500 niedersächsischen Stiftungen enthält.
- Seit November 2005 wird ein landesweiter Kompetenznachweis, mit dem das freiwillige Engagement dokumentiert und die erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Qualifikationen sichtbar gemacht werden, angeboten. Dieser Nachweis - in Form einer Urkunde - ist eine Gemeinschaftsinitiative der Landesregierung und des "Niedersachsen-Rings", dem landesweiten Netzwerk, in dem alle relevanten Organisationen, Verbände, und Initiativen in Niedersachsen zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zusammenarbeiten.
- Im Jahre 2006 wurde mit dem Projekt "Engagement-Lotsen für Ehrenamtliche in Niedersachsen" begonnen. Die Landesregierung will mit diesem Angebot den Kommunen helfen, die Strukturen für die ehrenamtliche Arbeit weiter zu stärken und zu entwickeln. Auf Kosten des Landes werden von den Kommunen ausgesuchte Persönlichkeiten qualifiziert, die vor Ort helfen sollen, neue Wege des bürgerschaftlichen Engagements zu identifizieren und zu fördern.
Aufbauend auf den Erfahrungen kommunaler Initiativen (Ehrenamtscard in den Städten Delmenhorst, Oldenburg, Wilhelmshaven, Nordhorn sowie dem Landkreis Friesland) sowie im Sportbereich (SportEhrenamtsCard) hat die Landesregierung zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Konzept zur Einführung einer Ehrenamtskarte entwickelt und Mindestvoraussetzungen für die Vergabe einer solchen landesweit gültigen Karte vorgeschlagen. Erfahrungen aus Hessen und Thüringen konnten dabei gewinnbringend berücksichtigt werden.
Die Ehrenamtskarte ist ein Dokument, das die erbrachten Leistungen der freiwillig Aktiven für das Gemeinwohl würdigt und bescheinigt. Die damit verbundene Würdigung des Engagements beschränkt sich nicht nur auf anerkennende Worte, sondern auch auf Vergünstigungen beim Besuch städtischer und privater Einrichtungen, Veranstaltungen usw. Es geht um den "Dank" an die Aktiven. Die Ehrenamtskarte ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Förderung der Aktiven Bürgergesellschaft Niedersachsen.
Am 6. September 2007 hat der Ministerpräsident zusammen mit dem Vertreter der Arbeitgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, Landrat Klaus Wiswe, kommunalen Vertreterinnen und Vertretern die landesweite Ehrenamtskarte in Hannover vorgestellt. In der Infor-mationsveranstaltung wurde u. a. die Bereitstellung der Werbematerialien im Umfang von bis zu 3.000 Euro je Landkreis und kreisfreier Stadt noch einmal zugesagt.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
s. Vorbemerkungen
Zu 2.:
Die in der Frage aufgestellten Behauptungen sind für die Landesregierung nicht nachvollziehbar. Bisher haben sich 17 Landkreise und kreisfreie Städte gegenüber der Landesregierung zur Einführung der Ehrenamtskarte positiv geäußert. 6 Landkreise und kreisfreie Städte wollen sofort mit der Einführung der E-Karte beginnen. Im Landkreis Wolfenbüttel werden am 6. Dezember 2007 die ersten Ehrenamtskarten ausgegeben. Am 11. Dezember 2007 folgt der Landkreis Nienburg.
Zusätzlich haben weitere 11 Landkreise und kreisfreie Städte ihr Interesse an der Einführung der Ehrenamtskarte bekundet und entsprechendes Werbematerial angefordert. Möglicherweise dauert es in einigen Regionen des Landes mit der Einführung etwas länger.
Schriftliche Absagen von Landkreisen und kreisfreien Städten liegen der Landesregierung nicht vor.
Der kommunale Finanzausgleich im Jahr 2007 war mit etwa 3,1 Mrd. € der höchste in der Ge--schichte des Landes Niedersachsen, nicht zuletzt dank der Erhöhung der Verbundquote um 0,5 von Hundert Punkten durch die Landesregierung.
Zu 3.:
s. Vorbemerkungen
Artikel-Informationen
erstellt am:
16.11.2007
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010