Regionalkonferenz zur Integration in Oldenburg
Rede von Innenminister Uwe Schünemann zur Auftaktveranstaltung „Nationaler Integrations-plan und nachholende Integrationspolitik“
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zu unserer Auftaktveranstaltung "Nationaler Integrationsplan und nachholende Integrationspolitik".
Ich freue mich über Ihr Interesse an dieser Thematik – handelt es sich bei der Integration von Zugewanderten doch um eine Schlüsselherausforde-rung unserer Zeit. Das Gelingen der Integration ist entscheidend für den Zusammenhalt und die Stabilität unseres Gemeinwesens!
Integration bezeichnet eine Problemstellung, mit der in modernen Gesell-schaften grundsätzlich alle Menschen konfrontiert sind – einheimische genau so wie Menschen mit Migrationshintergrund. Es geht bei Integration um den Zugang zu und die Teilnahme an allen für die Lebensführung bedeutsamen gesellschaftlichen Bereichen – wobei Bildung und Arbeit die Kernbereiche bilden.
Der im Juli 2007 der Öffentlichkeit präsentierte Nationale Integrationsplan stellt die Integrationsinitiativen des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Gesellschaft erstmals auf eine gemeinsame Grundlage. Er legt zu wesentlichen Handlungsfeldern Ziele und Strategien vor.
Der Nationale Integrationsplan enthält einen Bundesbeitrag und – ich betone es – einen gemeinsamen Beitrag der Länder – sowie eine Erklärung der kommunalen Spitzenverbände und die Ergebnisse der Arbeitsgruppen.
Die 16 Bundesländer bringen in ihrem gemeinsamen Beitrag zum Ausdruck,
- dass sie den Dialog untereinander im Handlungsfeld Integration verstetigen wollen,
- dass sie ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen
- und dass sie einen regelmäßigen Austausch über Programme und Maßnahmen der Integrationspolitik sicherstellen.
Für die Länder gilt das Prinzip "Einheit im Ziel – Vielfalt der Wege". Das ist wichtig, denn natür-lich bestehen zwischen den Ländern Unterschiede sowohl mit Blick auf die Bevölkerungszusam-mensetzung als auch mit Blick auf die integrationspolitische Infrastruktur.
In Niedersachsen haben wir unsere Hausaufgaben schon sehr gut gemacht. Wir haben unsere Maßnahmen und Projekte im Handlungsprogramm Integration zusammengefasst. Die Landesregierung stellt im laufenden Haushaltsjahr über 60 Millionen für Integration zur Verfügung. Der größte Teil fließt in Bildung und Sprachförderung. Wegen der Länderzuständigkeit – aber vor allem wegen ihrer Schlüsselbedeutung im Integrationsprozess – haben diese Bereiche im Länderbeitrag des Nationalen Integrationsplans ein besonderes Gewicht.
Darüber hinaus werden der Dialog mit dem Islam, das bürgerschaftliche Engagement von Zugewanderten, die Integration vor Ort und die Integration durch Sport als wichtige Handlungsfelder herausgestellt.
Niedersachsen ist in allen Bereichen gut aufgestellt:
– Sprachliche Frühförderung
Seit 2003 werden Maßnahmen zur sprachlichen Frühförderung durchgeführt. Als erstes Bundesland hat Niedersachsen ein Verfahren zur Feststellung deutscher Sprachkenntnisse flächendeckend eingeführt und verpflichtend Sprachförderung vor der Einschulung im Schulgesetz verankert.
– Islam
Die vor kurzem vereitelten Terroranschläge gegen Ziele in Deutschland zeigen sehr wohl, dass es gewaltbereite Islamisten in unserer Gesellschaft gibt – auch hier bei uns in Niedersachsen.
Wir dürfen diese gefährliche Minderheit, die den Islam für ihre politischen Zwecke missbraucht, aber nicht in einen Topf mit der überwiegenden Mehrheit der friedlich bei uns lebenden Muslime werfen. Ein Generalverdacht gegen Menschen islamischen Glaubens wäre für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft fatal und würde militanten Islamisten nur in die Hände spielen. Denn sie wollen ja gerade Misstrauen und Ängste zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen säen.
Sie wollen durch ihre Aktivitäten Integration hintertreiben. Das dürfen wir nicht zulassen!
Klar ist: Radikale Islamisten müssen wir mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des wehrhaften Rechtsstaates bekämpfen! Und es liegt im Interesse der muslimischen Gemeinden, mit unseren Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten, um Extremisten und Gewalttäter zu identifizieren.
Aber klar ist auch: Eine pauschale Stigmatisierung der Religion des Islam lehnen wir ab! Die niedersächsische Landesregierung fördert deswegen in vielfältigen Aktivitäten den interreligiösen und interkulturellen Dialog. Wichtig ist vor allem, dass wir die moderaten und aufgeklärten Kräfte im Islam gesellschaftlich aufwerten.
Wir setzen klare Signale für Mitbürger islamischen Glaubens, die friedlich bei uns leben wollen:
- In einem Runden Tisch wurde zusammen mit muslimischen Gruppen ein Konzept für islamischen Religionsunterricht erarbeitet. Derzeit wird an 26 niedersächsischen Grundschulen in einem Schulversuch islamischer Religionsunterricht erteilt. Die Universität Osnabrück bildet islamische Religionslehrer aus.
- Das Handlungsprogramm Integration wird zum Thema "Die Rolle der Religionen im Integrationsprozess" fortgeschrieben. Dazu führen wir einen breit angelegten interreligiösen Dialog.
- Die Wanderausstellung des Verfassungsschutzes Muslime in Niedersachsen wird gegenwärtig in Kooperation mit der Integrationsabteilung des Innenministeriums aktualisiert und neu konzipiert. Sie kann ab Ende des Jahres in Ihren Städten und Landkreisen präsentiert werden!
- Zu guter Letzt will ich zum Bereich "Dialog mit dem Islam" gern erwähnen, dass unser Ministerpräsident Christian Wulff am 30. August 2007 eine Moschee in Lehrte besucht hat.
– Bürgerschaftliches Engagement
Das bürgerschaftliche Engagement von Zugewanderten und für zugewanderte Menschen erfährt unsere besondere Aufmerksamkeit. Im Haushaltsjahr 2007 stellen wir 500.000,-- Euro für das Programm Integrationslotsen in Niedersachsen zur Verfügung.
Nach einem überaus erfolgreichen Modellprojekt in Osnabrück werden an rund 60 Standorten über 700 Ehrenamtliche zu Integrationslotsen qualifiziert. Das Programm wird sehr stark nachgefragt. Gleichwohl kann ich Sie durchaus noch ermuntern, Integrationslotsenprojekte vor Ort zu initiieren und weitere Anträge an die Bewilligungsbehörde, die Regierungsvertretung Oldenburg, zu richten. Mit dem Programm "Integrationslotsen in Niedersachsen" wollen wir
- Integration verbessern,
- Ehrenamtliche stärken und
- Kommunen unterstützen.
– Integration vor Ort
Die Landesregierung fördert die Integration vor Ort und steht fest an der Seite der Kommunen:
- Wir haben Landespersonal für die Einrichtung 15 kommunaler Leitstellen für Integration bereitgestellt. Weitere sollen folgen.
- Wir leisten finanzielle Unterstützung für Integrationsberatung, die an 44 Standorten durch Freie Träger angeboten wird.
- Wir fördern die Vernetzung der Integrationsakteure durch das landesweite Netzwerk KMN - die Kooperative Migrationsarbeit Niedersachsen. Damit bündeln, vernetzen und unterstützen wir die vom Land sowie vom Bund finanzierten rund 100 Integrationsberatungsstellen, aber auch die regional bzw. lokal unterschiedlichen Integrationsangebote.
An dieser Stelle auch ein ausdrückliches Lob an die Universität Oldenburg. Mit ihrem Studiengang "Interkulturelle Bildung und Beratung", der sich an akademisch vorgebildete Zuwanderer richtet, leistet die Uni einen wichtigen Beitrag, dass qualifizierte Zuwanderer beruflichen Anschluss in Deutschland finden. Ich hoffe sehr, dass es nicht nur bei diesem einen Studiengang bleibt!
– Integration und Sport
Neben einer Vielzahl anderer gesellschaftlicher Bereiche trägt der Sport auch in Niedersachsen eine große Verantwortung für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Er bietet in Niedersachsen in nahezu 9.600 Vereinen mit 2,86 Millionen Mitgliedern vielfältige Möglichkeiten, Menschen aus anderen Ländern und Kulturen einzubinden.
Das Land Niedersachsen muss bei dem eingeschlagenen Weg keinen Paradigmenwechsel vornehmen. Das Thema Integration und Sport ist als Schwerpunktaufgabe definiert und wird in Zukunft eine noch stärkere Rolle spielen.
Im Rahmen der heutigen Veranstaltung wird das gelungene Sportprojekt "Soziale Integration von Mädchen durch Fußball" vorgestellt. Entstanden ist die Idee übrigens im Oldenburger Stadtteil Ohmstede, und sie wird mittlerweile in zehn Großstädten, darunter auch in Hannover erfolgreich umgesetzt. Es war für mich als Innen- und Sportminister eine große Freude, im Rahmen dieses Projekts an einem Turnier teilnehmen zu können. Das Selbstbewusstsein und die Begeisterung der jungen Migrantinnen für den Fußballsport haben mich tief beeindruckt! Umso mehr freue ich mich, dass sich zur Regionalkonferenz hier nach Oldenburg 10 Vertreter des Niedersächsischen Fußballverbandes (Kreisebene) angemeldet haben.
Mit dem Nationalen Integrationsplan wird Integration in den Mittelpunkt der politischen Diskus-sion gerückt. Das war überfällig! Über Jahrzehnte hinweg wurde es versäumt, dieses gesell-schaftspolitische Kernthema aktiv zu gestalten.
Deshalb muss jetzt der nachholende Aspekt in das Zentrum integrationspolitischen Handelns gerückt werden:
• Nachholende Integrationspolitik ist keine kurzfristige Reparaturmaßnahme, sondern muss langfristig und nachhaltig ausgerichtet sein.
• Nachholende Integrationspolitik muss auf eine doppelte Sichtweise hinarbeiten, die Erfolgs-geschichten wahrnimmt, aber den Blick auf Defizite im Bereich der Integration von Zugewanderten und deren Nachkommen nicht trübt.
- Nachholende Integrationspolitik orientiert sich an dem Ziel, den seit langer Zeit hier lebenden Zugewanderten gleichberechtigte Partizipationschancen an allen gesellschaftlichen Bereichen zu eröffnen.
- Nachholende Integrationspolitik rückt erfolgreiche Integration als Zielvorstellung in den Fokus – und basiert auf dem Leitprinzip "Fördern und Fordern".
- Maßnahmen nachholender Integrationspolitik müssen sich übrigens auch an die einheimische Bevölkerung richten, damit die Akzeptanz gegenüber Zugewanderten erhöht wird. Fremdenfeindliche Vorurteile stehen einer gelingenden Integration im Weg!
Wir alle dürfen in unserer Präventionsarbeit gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus nicht nachlassen.
Ich freue mich, dass einige niedersächsische Kommunen einen lokalen Aktionsplan erstellt haben. Fünf Städte bzw. Landkreise erhalten in diesem Jahr 30.000 Euro aus dem Topf des Programms "Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Frem-denfeindlichkeit und Antisemitismus", das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verantwortet wird. (Städte Lüneburg und Braunschweig, Landkreise Goslar und Osterode sowie Gemeinschaftsprojekt LK und Städte Verden und Nienburg).
Der Kampf gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der auch der Verfassungsschutz im niedersächsischen Innenministerium einen besonderen Beitrag leistet. Dazu gehören insbesondere präventive Ansätze zur Aufklärung der Öffentlichkeit.
Ich nenne exemplarisch die erfolgreiche Wanderausstellung "Unsere Demokratie schützen – Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus". Sie wurde bereits an 19 Ausstellungsorten gezeigt und kann weiterhin ausgeliehen und vor Ort präsentiert werden.
Es ist aber die Pflicht jedes Einzelnen, gerade jungen Menschen immer wieder die Werte unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung zu verdeutlichen und sie für die aktuellen Gefährdungen der Demokratie zu sensibilisieren.
Im Länderbeitrag des Nationalen Integrationsplans ist festgehalten, ich zitiere:
"Integration kann nur dann gelingen, wenn sich auch die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen den Zugewanderten öffnen und der Zuwanderungsrealität Rechnung tragen. Die Länder streben deshalb die interkulturelle Öffnung ihrer Verwaltung an. Dazu gehören sowohl Qualifizierungsmaßnahmen für alle öffentlich Bediensteten als auch Bemühungen zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund." Zitatende.
Am 8. Oktober 2007 werden wir mit einer Veranstaltung Jugendliche aus Zuwandererfamilien über den Polizeidienst informieren. Das Land Niedersachsen möchte vermehrt geeignete Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund einstellen.
Wenn Sie beispielsweise einem deutschen Polizisten türkischer Herkunft begegnen, dann ist das nichts Beunruhigendes, sondern ein Stück Normalität in einem Land, in dem fast 20 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund haben (Mikrozensus 2005: 15,3 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, das sind 19 Prozent der Bevölkerung).
Die veränderte Zusammensetzung unserer Gesellschaft sollte sich in allen Bereichen durch eine stärkere Berücksichtigung von Beschäftigen mit Migrationshintergrund widerspiegeln – auch im öffentlichen Dienst der Kommunen. Es ist zum Beispiel für ein Bürgerbüro – und ebenso für die Ausländerbehörde – ein großer Gewinn, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit eigener Integrationserfahrung zum Team gehören!
Viele Kommunen nehmen ihre Rolle als Arbeitgeber für Migrantinnen und Migranten bereits aktiv wahr, etliche Kommunen bilden ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich "interkulturelle Kompetenz" fort, andere haben damit begonnnen, lokale Integrationspläne zu entwickeln.
Es tut sich einiges vor Ort! Ich danke allen Kommunen, die mit neuen Ideen, viel Engagement und Ausdauer an dem Ziel arbeiten, die Integration vor Ort zu verbessern.
Mit einer Auftaktveranstaltung, die am 10. September im Innenministerium stattgefunden hat, und mit vier Regionalkonferenzen wollen wir die Integrationsleistungen der Kommunen stärken. Damit setzen wir einen wichtigen Schwerpunkt des Nationalen Integrationsplanes um.
Wir stellen beispielhafte Projekte und Maßnahmen vor und bieten die Möglichkeit zu einem intensiven Austausch über Integrationsmaßnahmen des Landes und der Kommunen.
Ich habe zu den Regionalveranstaltungen neben den bewährten Kräften aus der Integrationsarbeit verschiedener Wohlfahrtsverbände oder anderer Einrichtungen in erster Linie die Repräsentanten der Kommunen eingeladen – um deutlich zu machen, dass Integration Chefsache sein muss.
Von Seiten des Niedersächsischen Innenministeriums können Sie mit Unterstützung rechnen. Um die Bedeutung des Themas Integration zu unterstreichen, habe ich im Februar 2007 in meinem Hause eine neue Abteilung Integration mit vier Referaten eingerichtet und die Leitung der Abteilung in die Hände von Frau Erpenbeck gelegt.
Frau Erpenbeck hat zuvor 20 Jahre als Ausländerbeauftragte des Landes Niedersachsen die Integration der in unserem Land lebenden Migrantinnen und Migranten unterstützt und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen verbessert. Von der Abteilung Integration dürfen Sie neue Impulse erwarten!
Neue Impulse, meine Damen und Herren, werden auch von der neuen Integrationsbeauftragten des Landes Niedersachsen ausgehen: Seit Mai 2007 nimmt Frau Deihimi dieses Amt mit großem Engagement wahr. Sie selbst ist ein Paradebeispiel gelungener Integration und bringt schon allein – aber nicht nur – deshalb hervorragende Voraussetzungen für die Wahrnehmung ihrer Aufgabe mit.
Sie steht Ihnen als Ansprechpartnerin für integrationsspezifische Fragen zur Verfügung und freut sich auf interessante Gespräche im Rahmen dieser und anderer Veranstaltungen.
Bevor Sie heute die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Frau Deihimi und anderen nutzen oder sich untereinander über lokale Integrationsleistungen austauschen werden, hören wir Vorträge von Herrn Sliwka, Herrn Dr. Gebken sowie von Frau Funk und Frau Blohm aus der kommunalen, sportlichen und pädagogischen Praxis der Integrationsarbeit.
Nehmen Sie Informationen und Anregungen mit und entwickeln Sie daraus Konzepte für die lokale Praxis! Machen Sie Ihre Kommunen, Ihren Verein, Ihre Einrichtung zukunftsfähig – durch Gestaltung des Zukunftsthemas Integration!
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Artikel-Informationen
erstellt am:
24.09.2007
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010