Rassismus in Fußballstadien
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bachmann, Bartling, Leuschner, Modder, Rübke, Wörmer-Zimmermann, Grote und Viereck (SPD)
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 10.11.2006; Fragestunde
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Das Thema Rassismus in Fußballstadien ist von trauriger Aktualität. In den letzten Jahren ist ein erheblicher Anstieg von offen geäußertem Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nicht nur unter Fans, sondern auch im Jugendfußball zu beobachten. Im Umfeld von Fußballspielen werden offen fremdenfeindliche Parolen skandiert und rassistische Symbole zur Schau getragen. Dabei werden die Formen des Rassismus subtiler, d. h. die Grauzone von Legalität und Illegalität wird zunehmend geschickter ausgenutzt. Die Botschaften sind zwar klar, die Einschreitmöglichkeiten von Polizei und Verfassungsschutz aber kaum oder gar nicht gegeben. Experten gehen davon aus, dass sich der latente Rassismus eines Teils der Gesellschaft im Fußballumfeld manifestiert.
Kenner der Szene bescheinigen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger an der Spitze, aber auch der Bundesliga und vielen Profiklubs Handlungswillen. Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich das Problem von rechten Pöbeleien und Rassismus in die unteren Ligen verlagert zu haben scheint. Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 13. Oktober 2006 von erheblichen Rassismus-Problemen in unteren Fußball-Ligen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Entwicklung, die Häufigkeit und das Ausmaß von rassistisch motivierten Vorfällen im Zusammenhang mit Profi-Fußballveranstaltungen in Niedersachsen?
2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Entwicklung, die Häufigkeit und das Ausmaß von rassistisch motivierten Vorfällen in unteren Fußball-Ligen in Niedersachsen?
3. Welche Konzepte verfolgt die Landesregierung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Hooliganismus ist kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden. Allerdings richteten die Verfassungsschutzbehörden im Vorfeld der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ein beson-deres Augenmerk auf dieses Thema. Dabei war seitens des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz (NLfV) besonders der Raum Hannover mit dem FIFA-WM-Stadion Hannover im Focus des Interesses. Neben vereinzelten rechtsextremistischen Hooligans war organisierter Rechtsextremismus und damit Antisemitismus und Rassismus nicht erkennbar. Hinweise auf Hooligangruppierungen, in denen Rechtsextremisten eine entscheidende Rolle spielen und in denen die rechtsextremistische Ideologie die Gruppierung und ihre Aktivitäten prägt, lagen nicht vor.
Ein Datenabgleich hat ergeben, dass 53 Gewalttäter Rechts mit Wohnsitz in Niedersachsen auch in der "Datei Gewalttäter Sport" gespeichert oder mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt sind. Darüber hinaus sind dem NLfV noch ca. 50 weitere rechtsextremistische Fußballfans bekannt. Dieser rechtsextremistische Personenkreis zeigt sich überwiegend im Zusammenhang mit Spielen der Fußball-Bundesliga.
Laut Angaben des Niedersächsischen Fußball Verbandes sind in der Vergangenheit lediglich Einzelfälle mit rassistischem bzw. antisemitischem Hintergrund bekannt geworden.
Entsprechende in den Spielberichten der Schiedsrichter gemeldete Vorfälle wurden mit den in der Spielordnung für derartige Vergehen vorgesehenen Sanktionen belegt. Darüber hinaus wurde verbandsseitig versucht, mit den betroffenen Jugendlichen einen offenen und aufklärenden Dialog zu führen. Bei gravierenden Vorfällen mit rassistischem bzw. fremdenfeindlichem Hintergrund wird neben der Bestrafung auch mit Hilfe von Mediationstechniken versucht, den Konflikt aufzuarbeiten.
Die bisherigen Erfahrungen des Niedersächsischen Fußball Verbandes zeigen, dass mit den eingeleiteten Maßnahmen diese Probleme gelöst werden können.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Fragen 1 und 2:
Zu verübten Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund im Zusammenhang mit Fußball-spielen, insbesondere aufgrund von rassistischen Vorfällen, stehen polizeiliche Datensammlungen nicht zur Verfügung. Zwar ist mit Beschluss der Innenministerkonferenz im Jahr 2001 bundesweit der "Kriminalpolizeiliche Meldedienst - Politisch motivierte Kriminalität" zur Gewährleistung einer ganzheitlichen Lagedarstellung und Beobachtung der "Politisch motivierten Kriminalität" eingeführt worden. Ein spezielles Themenfeld, das entsprechende Fallzahlenanalysen für Fußballver-anstaltungen ermöglichen würde, existiert aber nicht.
Insoweit liegen keine validen Zahlenwerte zur antisemitisch, rassistisch oder sonst politisch motivierten Kriminalität -Rechts- mit konkretem Bezug zu Fußballbegegnungen vor.
Eine zur Beantwortung der Mündlichen Anfrage vorgenommene Auswertung von Sachverhalten anhand von Hilfskriterien führte für das Jahr 2005 zu dem Ergebnis, dass etwa 30 politisch rechtsmotivierte Delikte im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen der 1. und 2. Bundesliga sowie den unteren Ligen in Niedersachsen begangen worden sind.
Eine Zunahme solchen strafrechtlich relevanten Verhaltens im Rahmen der oben genannten Fußballveranstaltungen konnte bislang für das Jahr 2006 nicht festgestellt werden.
Im Wesentlichen handelt es sich bei den rechtsmotivierten Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen um Propagandadelikte, wie das Skandieren von Parolen oder das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Daneben werden Volksverhetzungsdelikte begangen, z.B. durch das Absingen einschlägiger Lieder.
Häufig stehen die Delikte im Zusammenhang mit Alkoholkonsum.
Überwiegend werden diese Straftaten im Zusammenhang mit Spielen der 1. und 2. Bundesliga festgestellt.
Aktuell konnten politisch rechtsmotivierte Gewaltdelikte, z.B. Körperverletzungen, nicht festgestellt werden.
Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
Zu Frage 3:
Die in der Mündlichen Anfrage geschilderte Entwicklung ist in Niedersachsen nicht festzustellen.
Gleichwohl sind auch bei Fußballspielen rassistische und antisemitische Verhaltensweisen Einzelner festzustellen, denen mit aller Entschiedenheit entgegen getreten wird. Insofern werden wir die weitere Entwicklung sehr genau beobachten.
Neben dem zur Bekämpfung des Hooliganismus eingeführten "Nationalen Konzept Sport und Sicherheit" stellt dabei insbesondere die bereits im Jahr 2001 umgesetzte und fortbestehende "Rahmenkonzeption der niedersächsischen Polizei zur Intensivierung der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und sonstiger Politisch motivierter Kriminalität - Rechts" eine wichtige konzeptionelle Grundlage dar.
Die Polizei handelt auch im Bereich der Bekämpfung rechtsmotivierter Bestrebungen im Zusammenhang mit Fußballbegegnungen nach den Leitlinien dieser Rahmenkonzeption.
Insbesondere haben sich polizeilicherseits gezielte Gefährderansprachen sowie die Verhängung bundesweit wirksamer Stadionverbote als effektive Präventivmaßnahmen erwiesen.
Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
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Artikel-Informationen
erstellt am:
10.11.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010