Freiwilliger Ordnungs- und Streifendienst
Rede von Innenminister Uwe Schünemann bei der Präsentation des Projekts vor Vertretern der Kommunen, Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, heute eine große Zahl von Vertretern der Städte und Gemeinden begrüßen zu können. Der Freiwillige Ordnungs- und Streifendiensten ist seit längerem in der Diskussion; heute möchte ich mit Ihnen über die Einrichtung von Freiwilligen Ordnungs- und Streifendiensten in den Städten und Gemeinden diskutieren und ein Pilotprojekt auf den Weg bringen, in dem wir diese Idee mit Leben füllen werden.
Die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger ist ein wichtiges Anliegen und eine Kernaufgabe des Staates, sie ist eine wesentliche Bedingung für Lebensqualität und für ein funktionierendes Gemeinweisen. Die Polizei ist hier an erster Stelle gefragt; die Landesregierung hat daher mit der Umorganisation der Polizei, die seit nunmehr eineinhalb Jahren in Kraft ist, Effektivität und Effizienz der Polizei verbessert und durch Neueinstellungen von Vollzugsbeamten die polizeiliche Präsenz weiter gestärkt.
Mit der Einrichtung eines Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienst wollen wir an einer anderen Stelle ansetzen. Eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung und Schaffung von Sicherheit ist doch auch ein geordnetes Lebensumfeld, in dem die Regeln eines geordneten Zusammenlebens von allen beachtet werden. Wir wissen, dass es oft so ist, dass ein Verstoß den nächsten nach sich zieht und in einer spiralförmigen Entwicklung Zahl und Schwere von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zunehmen. Schon im örtlichen Bereich muss daher konsequent dafür gesorgt werden, dass Regeln und Vorschriften eingehalten werden.
Hier geht es einerseits um eine effektive Aufgabenwahrnehmung und einen konsequenten Gesetzesvollzug durch die Behörden, andererseits aber auch darum, dass unter den Bürgern eine Kultur des Hinsehens und der gegenseitigen Verantwortung entstehen und erhalten bleiben muss. Beides wird durch den Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienst gefördert, der an der Schnittstelle zwischen behördlichem Gesetzesvollzug und bürgerschaftlichem Engagement ansetzt.
Sie wissen, dass ich es gerne sehen würde, wenn wir den Freiwilligen Ordnungs- und Streifen-dienst mit – eng begrenzten – hoheitlichen Befugnissen ausstatten könnten; in anderen Ländern hat sich gezeigt, dass dies eine sinnvolle Ergänzung des Konzepts ist und auch gut akzeptiert wird. Zurzeit ist die Gewährung hoheitlicher Befugnisse hier noch nicht durchsetzbar. Hoheitliche Befugnisse sind aber auch nicht das Entscheidende. Die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes sollen als ehrenamtliche Repräsentanten ihrer Heimatgemeinden im öffentlichen Raum präsent sein und aktiv werden. Auch ohne eigene hoheitliche Befugnisse werden sie zur Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben von Stadt oder Gemeinde ganz direkt beitragen, indem sie sich bestimmten Problemfeldern widmen und auf Gefahren oder Verstöße reagieren oder die zuständigen Stellen informieren. Hiervon wird natürlich auch die Polizei profitieren.
Zugleich wird die Präsenz des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes zu einem positiven Klima beitragen, in dem nicht weggeschaut und Verstöße nicht toleriert werden und in dem sich auch andere Bürger bestärkt fühlen werden, sich für ein funktionierendes Zusammenleben verantwortlich zu fühlen und entsprechend zu handeln. Die Einrichtung eines Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes, der auf die erkennbare Präsenz ehrenamtlich tätiger, verantwortlicher und engagierter Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum setzt, kann so ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit und Ordnung und für eine Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger sein.
Wie der Freiwillige Ordnungs- und Streifendienst aussehen wird, hängt ganz von den Bedürfnis-sen der einzelnen Städte und Gemeinden ab. Je nach Größe, Struktur und örtlichen Gegeben-heiten können unterschiedliche Ziele verfolgt und unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. So werden sich die Aufgaben des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes in einer größeren Stadt sicher anders darstellen als etwa in touristisch geprägten Gebieten. Es kann sich anbieten, den Einsatz des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes auf bestimmte Stadtquartiere oder Gebiete zu beschränken oder auch problemorientierte Schwerpunkte zu setzen, z. B. durch die gezielte Begehung von bestimmten Anlagen wie Schulhöfen, Spielplätzen oder Sportanlagen.
Die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes werden weder Verwaltungs-akte wie z. B. Platzverweise, noch Bußgeldbescheide erlassen und diese auch nicht unter An-wendung unmittelbaren Zwangs durchsetzen. Wenn die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes tätig werden, tun sie dies als "normale Bürger". An dieser Prämisse muss der Einsatz des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes ausgerichtet sein. Seine Hauptaufgabe wird es sein, Fehlverhalten und Missstände zu erkennen und, wenn dies ohne Eigengefährdung möglich ist, durch Ansprache auf eine Änderung des unerwünschten Verhaltens hinzuwirken. Soweit nötig, können Ordnungsamt oder Polizei informiert oder auch sofort hinzugerufen werden. Auch durch die Dokumentation von Ordnungswidrigkeiten kann zu einer konsequenten Ahndung von Verstößen beigetragen werden.
In akuten Situationen können die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes – wie jeder andere Bürger auch – auf der Grundlage der Notwehr- und Notstandsrechte Hilfe leisten oder auch Straftäter bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Ein solcher Einsatz wird aber immer der Ausnahmefall sein. Gerade in diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes ihre Grenzen erkennen und sich und andere nicht gefährden.
Der Freiwillige Ordnungs- und Streifendienst soll eine Einrichtung der Städte und Gemeinden sein und die kommunale Aufgabenwahrnehmung im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stärken. Erfolgreich kann das Konzept aber nur sein, wenn eine enge Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei entsteht. Wir bieten daher an, dass die Polizei schon bei der Konzeption des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes vor Ort mitwirkt und bei der Auswahl möglicher Tätigkeitsschwerpunkte und der Entwicklung eines Handlungskonzeptes mitwirkt. Vor allem wird die Polizei aber für die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes während ihres Einsatzes – neben dem Ordnungsamt – Ansprechpartner sein, Unterstützung gewähren und Einsätze nötigenfalls übernehmen.
Auch wenn schon die Präsenz engagierter Bürgerinnen und Bürger für sich genommen positive Effekte haben kann, geht das Konzept des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes darüber hinaus. Die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes sollen in der Lage sein, gezielt auf Fehlverhalten oder Missstände zu reagieren. Dafür ist es nicht nur wichtig, die einschlägigen Normen zu kennen und Verstöße richtig einordnen zu können, sondern die Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes müssen vor allem auch ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten kennen, Situationen richtig einschätzen können und in der Lage sein, Eigengefährdungen ebenso wie die Gefährdung anderer Personen zu vermeiden.
Eine gezielte Schulung der Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes ist daher ein Kernelement des Projekts. Auch hier bieten wir Unterstützung durch die Polizei an. Die Polizei kann die teilnehmenden Städte und Gemeinden wesentlich unterstützen und entlasten, indem sie an der Schulung mitwirkt und dafür Dozenten und Trainer zur Verfügung stellt.
Wie die Schulung im Einzelnen aussehen sollte, hängt vor allem von den konkreten Einsatzvorstellungen der Städte und Gemeinden ab. Denkbar wäre nach ersten Überlegungen eine Ausbildung von etwa 30 bis 40 Stunden, in der den Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes einerseits Rechtskenntnisse vermittelt werden – gedacht ist hier an grundlegende Kenntnisse über Behördenaufbau und -zuständigkeiten, materielles Ordnungsrecht, Strafrecht und die so genannten Jedermannrechte – und sie andererseits auch in Kommunikations- und Deeskalationstechniken geschult werden.
Wünschenswert wäre auch eine weitere Begleitung der Angehörigen des Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienstes, die Gelegenheit haben sollten, sich über ihre Einsatzerfahrungen auszutauschen und Hilfestellung zu bekommen. Auch hier könnte sich eine Beteiligung der Polizei anbieten.
Wichtig ist auch sicherzustellen, dass in den Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienst nur geeignete Persönlichkeiten aufgenommen werden. Ein geordnetes Auswahlverfahren, das auch eine Abfrage bei der Polizei beinhaltet, ist deshalb unerlässlich.
Mehr als 50 Städte und Gemeinden haben ihr Interesse bekundet, an dem Pilotprojekt teilzunehmen. So schnell wie möglich soll jetzt mit einer ersten Gruppe, die etwa 10 bis 15 Städte und Gemeinden umfassen kann, mit der Umsetzung des Projektes begonnen werden; andere Kommunen sollen dann später nachfolgen.
In einem ersten Schritt sollen sich die Teilnehmergemeinden zusammen tun und gemeinsam mit der Polizei Ziele zu definieren und Einsatzkonzepte erstellen, Auswahlverfahren und -kriterien festlegen und das Schulungskonzept konkretisieren. Die ersten Streifen können dann noch in diesem Jahr auf die Straße gehen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.06.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010